Wie Aktivist:innen und ein Hollywoodstar Europas letzten Wildfluss retten wollen
Unberührt fließt die Vjosa durch Albanien. Nun drohen Wasserkraftwerke und Ölbohrungen das einzigartige Ökosystem des Flusses zu zerstören. Doch es gibt Widerstand.
Mauersegler flitzen über die Wasseroberfläche, Bienen brummen am Ufer, eine Libelle landet auf einem ausgeblichenen Stück Treibholz, das die Strömung auf eine der weitläufigen Kiesbänke im Flussbett geschwemmt hat. Die Vjosa ist an manchen Tagen so ungestüm wie eine launische Diva – doch heute fließt sie so ruhig durch den Süden Albaniens, dass es sich gar nicht anfühlt, als stünde man am Ufer des letzten europäischen Wildflusses außerhalb Russlands.
Die Vjosa mäandert, das Flusswasser gluckert, ein Vogel keckert. Da durchbricht 70er-Rock das Idyll. DJ Aragosta, mit bürgerlichem Namen Jon Mehmetaj, hat aufgelegt. Mehmetaj hat an der Stelle, wo sich die albanische Schnellstraße SH4 und der Fluss fast berühren, einen Kiosk eröffnet. Hier verkauft er Olivenöl, das er aus einem großen Metallfass abzapft, Kaffee, Honig, Wein, Schnaps, Chips, Kopfhörer und stapelweise silbrig glänzende CDs, auf die er verschiedene Liedermischungen gebrannt hat. Halten Gäste für einen Espresso oder die Aussicht, dreht Mehmetaj die Musik auf, tanzt ein wenig mit den Reisenden und schwärmt vom Blau der Vjosa.
Die Vjosa entspringt im Pindosgebirge, im Nordwesten Griechenlands, und überquert nach 80 Kilometern die Grenze zu Albanien. Insgesamt 272 Kilometer schlängelt sich der Fluss durch bewaldete Gebirgsketten und karge Ebenen, ehe er in die Adria mündet. Mal ein reißender Strom, mal nicht viel mehr als ein Rinnsal – aber nie verstaut, umgeleitet oder begradigt.
Titelbild: Tobias Zuttmann - copyright