Hier werden die klimafreundlichsten Pommes der Welt entwickelt
Über den Feldern dieser Farm liegt die Zukunft der Landwirtschaft in der Luft – und der Duft nach frittierten Kartoffeln.
Landluft riecht normalerweise nach frisch gemähtem Heu, Kuhstall oder Blumenfeldern. In Lelystad liegt stattdessen der Duft von Pommes in der Luft. Denn hier, wo Forscher:innen der Universität Wageningen die Landwirtschaft der Zukunft erforschen, stehen auch große Fabriken von McCain und anderen Pommes-Produzent:innen.
In der
An diesem Freitagnachmittag ist es allerdings ruhig auf dem Gelände der Farm of the Future. Geert Kessel führt durch die Gewächshäuser, in denen kniehohe Kartoffelpflanzen in großen Töpfen auf Rollwagen stehen.
»Die Entwicklung von nachhaltigen Kartoffelsorten passiert natürlich nicht von heute auf morgen«, sagt Kessel, »dafür sind viele kleine Schritte nötig. Aktuell wird allerdings in den Niederlanden sehr intensiv daran gearbeitet, den Ackerbau im Allgemeinen und den Kartoffelanbau im Besonderen nachhaltiger zu machen. Die Veröffentlichung des
Die Niederlande: eine kleine große Landwirtschaftsnation
Trotz der relativ kleinen Landfläche spielt Landwirtschaft in den Niederlanden eine große Rolle. Einschließlich der Gewässer umfassen die Niederlande knapp 4,2 Millionen Hektar. Damit wären sie nach Bayern und Niedersachsen immerhin das drittgrößte deutsche Bundesland. Im Jahr 2021 waren 529.000 Hektar davon in Nutzung für den Ackerbau – die doppelte Fläche des Saarlandes.
Durch die hocheffiziente Nutzung der begrenzten Landfläche hat sich der Sektor zu einem ernsthaften Problem für den Klimaschutz entwickelt, denn gerade die vielen Nutztiere verursachen große Mengen an Stickstoff. Aber auch der Anbau von Pflanzen auf Feldern und in Gewächshäusern wirkt sich durch Monokulturen, Energieverbrauch und Pflanzenschutzmittel auf die Umwelt und das Klima aus.
Überall im Land wird also nun versucht, den Ackerbau nachhaltiger zu machen. Maßgeblich daran beteiligt ist die Universität Wageningen, eine der in diesem Bereich renommiertesten Universitäten der Welt. Teil der Bemühungen: die Kartoffeln des Herrn Kessel.
So geht Kartoffelanbau im 21. Jahrhundert
»Es werden kontinuierlich neue Sorten entwickelt. Die alten Kartoffelsorten
Neben den Gewächshäusern, in denen die Kartoffelpflanzen stehen, hat der Universitätsstandort auch einen großen Außenbereich mit Ackerflächen. Viel ist Anfang Mai auf den Feldern noch nicht zu sehen, denn so früh im Jahr fangen die niederländischen Bauern und Bäuerinnen gerade erst an zu pflanzen. Im Hintergrund drehen sich einige Windräder. Hin und wieder fährt ein Mitarbeiter der Universität auf einem Traktor vorbei.
»Eine große Biodiversität wird als eine gute Eigenschaft von einem Pflanzsystem angesehen, weil so ein Puffer verschiedener Eigenschaften erreicht wird«, erklärt Geert Kessel. »Wenn sich auf geringem Abstand Pflanzenarten abwechseln, dann ist es für eine Krankheit, die eine bestimmte Pflanzensorte betrifft, schwieriger, eine Epidemie zu verursachen. Wächst also neben den Kartoffeln plötzlich Korn, kann die Kartoffelseuche damit wenig anfangen.« Deswegen wird auf diesem Feld der Farm der Zukunft aktuell untersucht, wie breit die jeweiligen Streifen der verschiedenen Pflanzen sein müssen, um sich gegenseitig als Puffer zu dienen – ohne dass der Ernteertrag darunter leidet. »Denn wenn wir wollen, dass so ein System im niederländischen Ackerbau eingeführt wird, dann muss es natürlich auch rentabel sein«, so Kessel.
Im niederländischen Ackerbau gibt es natürlich nicht nur Kartoffeln. Deswegen wird an einem anderen Standort der Universität Wageningen, in Bleiswijk, gelegen zwischen Den Haag und Rotterdam, auch an modernen Gewächshäusern und Vertical Farming geforscht. Gewächshäuser sind in der niederländischen Landwirtschaft von größter Bedeutung, da die Pflanzen auf dem Feld mit heftigem Regen und Sturm oft widrigen Bedingungen ausgesetzt sind.
Vom Passiv- zum Aktiv-Gewächshaus
»Im Gewächshaus haben wir 3 Energieschirme, um im Winter zu verhindern, dass die Energie nach außen dringt. Allerdings können wir auch nicht alles hermetisch schließen, denn die Pflanzen produzieren durch Verdampfung Feuchtigkeit und wir müssen überlegen, wie wir diese loswerden«, so Kempkes. In dieser Feuchtigkeit steckt eben auch Energie, die zuvor eingespeist werden muss.
Zum Gewächshaus 2030 gehören auch Wassercontainer, mit denen Regenwasser aufgefangen wird. »Regenwasser ist sehr sauber. Das verwenden wir für unsere Pflanzen. Gleichzeitig müssen wir auch darauf achten, dass wir kein Wasser, das Pflanzenschutzmittel enthält, dem Boden zuführen. Darum müssen wir das Wasser, das wir haben, so lange wie möglich verwenden.«
Das Gewächshaus 2030 ist aktuell seit 2 Jahren in Gebrauch. Dort wachsen 4-mal 350 Quadratmeter Erdbeeren und 3 verschiedene Sorten Blumen: Gerbera, Freesien und Topf-Anthurien. Im Land gibt es nach Angaben von Frank Kempkes etwa 10.000 Hektar Ackerflächen, auf denen Blumen wachsen. Davon machen Gewächshäuser, in denen Blumen und Topfpflanzen wachsen,
»In unseren Gewächshäusern haben wir Monokulturen, denn wir wollen den Ertrag optimieren«, so Kempkes. »Was für Tomaten gut ist, ist nämlich nicht gleichzeitig gut für Paprika. Trotzdem haben wir hier keine 500 Gewächshäuser für 500 verschiedene Pflanzenarten. Wir schauen, was sich hinsichtlich Energie- und Wasserbedarf kombinieren lässt. Das ist wie Copy und Paste.« Die Lebensmittel, die die Forschenden in den Gewächshäusern der Universität ernten, spenden sie übrigens zu einem großen Teil den Tafeln in Bleiswijk und Rotterdam.
Die Erdbeeren wachsen in einem der Gewächshäuser im hinteren Teil des Geländes. Schnell wird deutlich, dass der Anbau hier nur noch wenig mit einem typischen Erdbeerfeld zu tun hat. Mehrere Reihen Pflanzkästen schweben über dem Boden, auf dem weiße Folie ausliegt. Zwischen den Hängekonstruktionen ist gerade genug Platz, damit die Mitarbeiter:innen dazwischen herumlaufen können. Damit alle Pflanzen gut zu erreichen sind, können die kleinen Erdbeertürmchen nach oben gezogen oder herabgelassen werden.
»Damit wollen wir die Kapazität der Gewächshäuser optimal nutzen«, so Kempkes, »denn wenn die Erdbeeren im Boden wachsen, bleibt sehr viel Raum ungenutzt, obwohl ein gutes Gewächshaussystem mit Beleuchtung teuer ist. So können wir möglichst viele Pflanzen pro Quadratmeter züchten. Aktuell 25% mehr, und das bedeutet wiederum mehr Ertrag, obwohl die eingesetzten Ressourcen kaum steigen«, erklärt der Experte.
Während er die Konstruktion beschreibt, drückt er einen Knopf. Ein kaum hörbares Summen ertönt, langsam beginnen die Pflanzkästen, sich in den Höhen zu verschieben. Die Pflanzen, die gerade noch auf derselben Höhe hingen, verteilen sich nun auf 2 Ebenen.
Wird die Technik der »Farm of the Future« zum Standard?
Nun lässt sich natürlich fragen, wie alltagstauglich die Experimente in der Farm der Zukunft wirklich sind. Werden die Ideen und Technologien jemals den Weg in die Gewächshäuser des Landes – und vielleicht darüber hinaus finden? Sind sie praktikabel und rentabel?
Die Chance sei sehr groß, dass das gelinge, glaubt Kempkes, »denn als wir die Forschungen begonnen haben, war eine der Voraussetzungen, dass wir mit Technik arbeiten müssen, die bereits auf dem Markt ist und von den meisten Bauern genutzt wird.« Die genannten Energieschirme etwa würden bereits sehr viel in der Praxis eingesetzt.
»Damit die Entwicklungen den Anforderungen entsprechend verlaufen, hat jede unserer Abteilungen ein Team von Gärtnern, die regelmäßig vorbeikommen und die Neuerungen diskutieren«, erklärt Frank Kempkes.
Auch die Bewässerungs- und Wassersäuberungssysteme, die beim Gewächshaus 2030 eingesetzt werden und die wahrscheinlich nötig sein werden, um die vorgeschriebenen Klimaziele zu erreichen, seien bereits auf dem Markt verfügbar. Doch sind diese auch bezahlbar für durchschnittliche Landwirt:innen? »Wenn man das nicht bezahlen kann, dann muss man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Businessmarge zu klein ist, um zu überleben. Wenn das Gewächshaus zu alt ist und nicht regelmäßig modernisiert wurde, dann kann es nicht mehr genutzt werden.« Ein Schicksal, das viele Kleinbauern und -bäuerinnen in den Niederlanden in den nächsten Jahren treffen könnte.
Inzwischen ist die Sonne tief über die Gewächshäuser gesunken. Die Parkplätze des Universitätsstandorts sind leer. Nur noch wenige Fahrräder stehen in den Ständern. Es ist Freitagabend, die Mitarbeiter:innen sind schon nach Hause gegangen. Doch in den Gewächshäusern geht die Arbeit weiter, selbst wenn keine Menschen da sind. Denn die Zeit drängt. Der Klimawandel wartet nicht.
Titelbild: Julia Brunner - copyright