Weshalb du noch heute jemandem ein Kompliment machen solltest
Selbst wenn es uns nicht so tiefgründig erscheint, kann ein ehrlich gemeintes Lob Positives bewirken. Worauf wartest du also noch?
»Dein Pullover gefällt mir!«
»Diesen Artikel von dir habe ich wirklich gern gelesen.«
»Dieser Kuchen ist wirklich superlecker.«
Komplimente auszusprechen dauert eigentlich nicht lang – und doch mache ich es viel zu selten. Geht es um Personen, die ich nicht besonders gut kenne, gilt das umso mehr. Dabei weiß ich selbst, wie gut es tut, etwas Nettes gesagt zu bekommen.
Wenn du schon zu jenen gehörst, die gern Komplimente machen: Sehr gut! (Ja, auch das ist ein Kompliment.) Machst du eher selten Komplimente, erfährst du nun ein paar Gründe dafür, das zu ändern.
Mittlerweile gibt es einige Hinweise darauf, dass das Aussprechen von Komplimenten nicht nur der Person guttut, die das Kompliment bekommt, sondern auch der, die es macht. Komplimente helfen uns dabei, Beziehungen aufzubauen und zu stärken – darin sind sich Sozialpsycholog:innen ziemlich einig. Doch was hält uns davon ab, häufiger nette Worte auszusprechen? Gleich mehrere US-amerikanische Studienreihen geben Antworten auf diese Fragen. Hier kommen die 5 wichtigsten Erkenntnisse aus der jüngsten Komplimenteforschung:
1. Menschen unterschätzen die positiven Auswirkungen eines Kompliments
Die US-amerikanischen Psycholog:innen Xuan Zhao und Nicholas Epley fanden heraus, dass Menschen oft unterschätzen, wie positiv ein Kompliment auf andere wirkt. In gleich 3 Experimenten schätzten die meisten Proband:innen die Wirkung eines Kompliments auf einen ihnen bekannten Menschen durchweg negativer ein,
Das Ergebnis:
2. Auch vermeintlich oberflächliche Komplimente können gut ankommen
Weil die Komplimente im ersten Teil der Studie von Boothby und Bohns vorgegeben waren, fürchteten einige Proband:innen,
Die Vermutung der beiden Forscherinnen: Weil die Proband:innen am häufigsten Kleidung, Accessoires und physische Merkmale ihres Gegenübers lobten, schätzen sie ihre eigenen Komplimente als zu oberflächlich ein – zu Unrecht.
Solche Komplimente bestätigen die persönlichen Entscheidungen der Menschen, ihre Identität und Kultur, was sie bedeutungsvoller macht, als sie zunächst erscheinen.
Auch als die Proband:innen die Wirkung des Kompliments erneut einschätzen durften, nachdem sie die freudige Reaktion der Menschen darauf gesehen hatten, änderte sich ihre Prognose kaum: Sie vermuteten dahinter Höflichkeit und konnten deshalb den wahren Wert ihrer Worte nicht richtig einordnen.
3. Wir haben Angst davor, dass unser Kompliment schlecht ankommt – und das oft zu Unrecht
In den beiden Studienreihen zeigte sich auch, dass nicht nur die positiven Auswirkungen eines Kompliments unterschätzt werden. In der Studie von Zhao und Epley zeigte sich etwa, dass die Komplimentgeber:innen sich oft übermäßig darum sorgten, dass ihre Worte nicht »richtig« ankommen und sie den falschen Ton treffen würden.
In der Studie von Boothby und Bohns sorgten sich die Proband:innen zudem, dass sich die fremden Menschen belästigt fühlen könnten, wenn sie ein Kompliment von ihnen erhalten. Um dem nachzugehen, wurden die Komplimentgeber:innen gefragt, wie genervt, belästigt und unwohl sich die andere Person nach dem Gespräch mit ihnen wahrscheinlich fühlen würde. Diese Einschätzung wurde dann mit der Wahrnehmung der Menschen verglichen, die das Kompliment erhalten hatten. Das Ergebnis: Auch hier wurden die Komplimente sehr viel positiver aufgenommen als zuvor vermutet.
Die übermäßig pessimistischen Einschätzungen der Menschen darüber, wie unwohl und belästigt sich ein Fremder durch ein Kompliment fühlt, kann sie davon abhalten, Fremden in ihrem Alltag Komplimente zu machen.
4. Wir schätzen uns selbst oft falsch ein
In der letzten Studie der Experimentreihe von Boothby und Bohns prüften die Forscherinnen dann noch, ob Menschen die Wirkung von Komplimenten treffender einschätzten, wenn sie sie nicht selbst machen mussten, sondern die Situation von außen bewerteten. Eine Gruppe beobachtete also eine andere Gruppe dabei, wie sie Komplimente verteilte.
Dabei fanden sie heraus, dass auch Außenstehende von einer deutlich positiveren Wirkung ausgingen als die Komplimentgeber:innen selbst.
5. Auch wiederholte Komplimente verlieren ihre Wirkung nicht
Sparen wir mit Komplimenten vielleicht auch deshalb, weil sie etwas Besonderes bleiben sollen? Dieser Frage gingen Zhao und Epley in einer weiteren Studienreihe nach.
In einem weiteren Experiment aus der Reihe sollten die Proband:innen die Komplimente dann 5 Tage hintereinander an eine nahestehende Person verbal aussprechen. Wider Erwarten freute sich diese auch am fünften Tag noch über die netten Worte. Die Sorge, Komplimente könnten ihre Wirkung verlieren, scheint demnach also unbegründet.
Vorsicht: Auch Komplimente haben Grenzen!
Die Kombination all dieser Fehleinschätzungen ist laut den Forschenden die Ursache dafür, dass wir uns und anderen nicht häufiger mithilfe von Komplimenten den Tag verschönern. Soziale Normen, die es nicht vorsehen, übermäßig viel mit Fremden zu interagieren, halten uns davon ab, uns unbekannten Menschen eine Freude zu machen. Sich in Erinnerung zu rufen, wie positiv Komplimente wirken können, kann vielleicht dabei helfen, das zu ändern. Darüber nachzudenken, was wir anderen Personen sagen, schadet aber trotzdem nicht.
Denn auch Komplimente haben Grenzen, betonen die Forscherinnen: Wie Komplimente wirken, kommt nicht nur auf die Art des Lobs an, sondern hängt auch davon ab, in welcher Beziehung die Beteiligten zueinander stehen.
Auch Komplimente, die Vorurteile bedienen oder Einschränkungen enthalten, sind keine gute Idee.
Trauen wir uns, nett zueinander zu sein!
Wer das berücksichtigt, kann aber eigentlich nicht viel falsch machen. »Komplimente sind ein wichtiger Teil des gesellschaftlichen Lebens und die Welt wäre ein besserer Ort, wenn es mehr davon gäbe«, resümieren die Forscherinnen.
Natürlich sind die Studien nur ein Teil der Forschung zu diesem Thema und einzeln betrachtet nicht repräsentativ. Trotzdem können sie dabei helfen, uns selbst zu hinterfragen – und dazu führen, dass wir beim nächsten Mal vielleicht aussprechen, wie gut uns etwas an einem anderen Menschen gefällt.
Hier findest du die beiden anderen aktuellen Dailys:
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily