Wie du die Kunst des Nichtstuns für dich entdeckst
Im Alltag gibt es kaum Platz für Pausen – und die wenigen Freiräume füllen wir mit immer neuen Tätigkeiten. Dieser Auszug aus dem neuen Buch des Perspective-Daily-Autors Stefan Boes handelt von einem Lebensmodus, in dem wir uns wieder auf die Gegenwart einlassen.
Viele Stunden habe ich während der Pandemie damit verbracht, durch den Wald zu laufen. Es war nicht nur für mich das Jahr der langen, ziellosen Spaziergänge. Manchmal war ich mit Freund:innen unterwegs, mit denen ich über diese seltsame Zeit sprach, in die wir geworfen waren. Manchmal auch mit meinen Kindern, die noch zu klein waren, um das alles zu verstehen. Meistens aber war ich allein, so wie an einem Morgen im April 2020, an dem ich eine besondere Erfahrung machte.
Ich kam an einer Wiese vorbei und entschied, mich ein wenig auszuruhen. Ich suchte mir einen Platz in der Nähe einer großen Buche, warf meine Jacke ins Gras, legte mich mit dem Rücken darauf und schaute nach oben. Der Himmel kam mir an diesem Tag ungewöhnlich blau und weit vor. Einige Wolken zogen gemächlich vorüber, während sich hier unten die Zweige der Bäume im Wind bogen. Der Wind rauschte in den Blättern, sonst war es still. Kein Mensch war weit und breit zu sehen.
Ich hatte meinen Zeithorizont für etwas Unerwartetes geöffnet.
Auf einer Wiese liegen und in den Himmel schauen. Wann hatte ich das zuletzt gemacht? Ich konnte mich nicht erinnern. Obwohl sich die Wolken nur langsam fortbewegten, stellte ich fest, wie schnell sich ihre Form veränderte. Wie natürlich sie in einen anderen Zustand wechselten. Wie Teile von ihnen sich auflösten und neu fanden. Wie ein Kind fing ich an, Gestalten darin zu sehen. War das ein Vogel? Oder doch ein Seepferdchen? Und was war das da hinten für ein merkwürdiges Flugobjekt?
Mit Illustrationen von Mirella Kahnert für Perspective Daily