Wissenschaftler haben herausgefunden, warum da Stroh liegt
Wissenschaft ist eine harte Sache, vor allem wenn es um Pornos geht: Wie macht man es richtig? Dieser Artikel verbindet das Geile mit dem Nützlichen.
Ich habe gelesen, dass
In diesem Text geht es nicht um richtige oder fehlverstandene Romantik und nicht um Liebe, sondern um Pornografie und was wir darüber wissen (können). Bei einfachen Aussagen wie »Pornos machen aggressiv« ist Vorsicht geboten. Denn Verhütung fängt bei guter Wissenschaft an. Die ist nicht immer einfach. Darum zeigt dir dieser Text, worauf es wirklich ankommt.
Und natürlich geht es um die Frage:
Wie oft schaust du Pornos?
Menschen, die an Umfragen zum Thema Sex und Pornos teilnehmen, werden das häufig gefragt. Die vermeintlich einfache Frage »Wie oft guckst du Pornos?« offenbart jedoch bereits die erste Hürde auf dem Weg zu Wissen und Verständnis. Denn meine Antwort hängt davon ab, was ich unter »Pornos« verstehe.
»Sprachliche, bildliche Darstellung sexueller Akte unter einseitiger Betonung des genitalen Bereichs und unter Ausklammerung der psychischen und partnerschaftlichen Aspekte der Sexualität« – Duden
Gehört das Video einer Frau, die allein masturbiert, dazu? Und das Bild eines Mannes in Unterwäsche, der in eindeutig zweideutiger Haltung posiert?
Wie unterschiedlich wir das sehen, zeigen
Noch bunter sind die Ergebnisse der »Bottom 5«, also der 5 Motive und Video-Sequenzen, die im Durchschnitt die wenigsten Punkte erhalten: Diese bewertet fast jeder Zweite dennoch mit mindestens 6 von 10 Punkten und ordnet sie so klar als Pornografie ein.
Wer sieht den leicht gekleideten Mann in eindeutig zweideutiger Pose eher als Porno-Material?
Viele Dinge, die wir über Pornografie zu wissen glauben, müssen wir also mit Vorsicht genießen – weil unklar ist, über welche Art Pornos wir gerade sprechen. Sehr wahrscheinlich wissen wir viel weniger über Pornografie und mögliche Effekte, die sie auf das Publikum hat, als uns so manche Berichterstattung zum Thema suggeriert.
Fazit Nummer 1: Bevor wir über etwas reden, müssen wir das »Etwas« genauer definieren – sonst wird jede Aussage womöglich auf Basis der eigenen Definition interpretiert.
Haben wir die Definition geklärt, können wir ein wenig tiefer bohren und nach methodischen Schwächen schauen. Ein Problem der genannten Studie beispielsweise ist der Faktor Kultur: Obwohl ziemlich genau die Hälfte der Teilnehmer nicht aus den USA kommt,
Die zeigen nur einen Ausschnitt!
Als die britische Wissenschaftlerin Miranda Horvath untersuchen soll, welchen Einfluss Pornografie auf Kinder und Jugendliche hat, durchforstet sie mit ihren Kollegen mehr als 40.000 Studien und Berichte zum Thema. Ihrer harten
Das Thema bietet Steilvorlagen für reißerische Überschriften à la
Auf diese 4 lohnt es sich zu achten:
- Umfragen: Fragt dich die wunderschöne Wissenschaftlerin oder der fesche Forscher nach deinen sexuellen Vorlieben, antwortest du sicher anders, als wenn du die Antwort auf einer Tastatur am Computer eintippst. Umfrageergebnisse sind immer eine Momentaufnahme, die
- Soziale Aspekte: Ganz abgesehen vom Aussehen des Wissenschaftlers ist jeder Studienteilnehmer auch immer in einer sozialen Situation, die Versuchsleiter und manchmal auch andere Probanden einschließt. Der eine will besonders mit seiner Leistung glänzen und legt sich extra ins Zeug, der nächste fragt sich vielleicht, ob seine Vorgängerin das Bild mit dem halbnackten Mann ebenfalls als »kein Porno« bewertet hat. Es gibt mittlerweile einen ganzen Forschungszweig dazu, wie die Anwesenheit
- Kontrollgruppen: Verhalten sich Männer, die Pornos geschaut haben, abwertender gegenüber Frauen als Männer aus einer Kontrollgruppe, die keine Pornos geschaut haben? Diese Frage soll eine Studie beantworten, die an einer einfachen methodischen Notwendigkeit scheitert: einer vergleichbaren Kontrollgruppe. Als die potenziellen Versuchsteilnehmer mittleren Alters erfahren, dass sie für die Studie Pornos schauen sollen, sagen sie ihre Teilnahme ab, sodass
- Ethische Grenzen: Angenommen, Pornos können tatsächlich einen
Fazit Nummer 2: Bei jeder Studie ist es wichtig, nach den Einschränkungen (»Limitations«) zu fragen. Diese helfen bei der Einordnung und verhindern, dass wir Ergebnisse überinterpretieren.
Nun hat das Vorspiel aber lange genug gedauert. Definitionen und Untersuchungsgegenstand sind geklärt – jetzt geht die Action richtig los.
Pornos verstärken ein altmodisches Frauenbild?
»Ich kann es nicht definieren, aber ich erkenne es, wenn ich es sehe.« – Potter Steward über Pornografie (Richter des Obersten Gerichtshof der USA, 1964)
Einige Studienergebnisse legen nahe, dass Pornos zu unrealistischen Ansichten über Sex führen können und zur Vorstellung, dass Frauen Sex-Objekte seien. Dass Kinder und Jugendliche, die Pornos schauten, eher altmodische Geschlechterrollen im Kopf hätten und Pornos sowieso dazu führten, dass die ganze Zeit an Sex gedacht werde.
Das Problem bei diesen Studien: Um den Zusammenhang zwischen Pornografie und einem bestimmten Verhalten zu untersuchen, werden häufig junge Menschen gefragt, ob und wie viele Pornos sie in der letzten Woche geschaut haben. Dann werden sie gefragt,
Das ist an und für sich nicht verwerflich, allerdings fehleranfällig, weil
Korrelationen, die mathematisch zwar messbar sind, aber keine Bedeutung haben, werden als Scheinkorrelationen bezeichnet.
Sowohl für die Käse-Bettlaken-Korrelation als auch für den Zusammenhang zwischen Pornokonsum und Frauenbild gilt: Um zu zeigen, dass keine Scheinkorrelation vorliegt, braucht es 2 Zutaten. Eine gute Theorie, die eine mögliche Korrelation begründet, und zusätzliche Studien, die genau das testen. Vielleicht führt ein übermäßiger Käsekonsum zu unruhigen feuchten Träumen …
Eine gute Theorie ist wichtig, weil eine Korrelation zunächst nichts über die mögliche Richtung des beobachteten Zusammenhangs aussagt. Bezogen auf die Korrelation zwischen Pornokonsum und Frauenbild ist es möglich, dass Menschen mit altmodischen Vorstellungen zur Rolle von Mann und Frau einfach mehr Pornos schauen.
Um das zu testen, haben Wissenschaftler die
Alles in allem ist es also sehr unwahrscheinlich, dass Wissenschaftler
Fazit Nummer 3: Korrelation ist nicht gleich Kausalität. Nur weil 2 Dinge miteinander korrelieren, heißt das nicht, dass sie tatsächlich etwas miteinander zu tun haben, und wenn doch, bleibt zu klären, in welcher Richtung der Zusammenhang besteht.
Jetzt stecken wir richtig tief drin und wollen wissen: Wer besorgt es hier wem?
Pornos machen aggressiv?
Auch wenn Laborstudien an Grenzen stoßen, können sie uns zu wichtigen Erkenntnissen verhelfen. Vor allem, wenn es um das Verständnis komplexerer Zusammenhänge geht – und mehr als ein Messwert berücksichtig wird. Dabei geht es häufig um die Frage: Wie viel unseres Verhaltens bestimmt die Umwelt, also unsere Erfahrungen, Erziehung und Begegnungen, und wie viel die Natur, also unsere Genetik. Unter Wissenschaftlern wird diese Frage oft zu »Nature vs. Nurture«, also »Natur vs. Erziehung«, verkürzt.
1961 sorgte die
»Pornokonsum ist nicht demografisch – er zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten.« – Paul Fishbein (Gründer von Adult Video News)
15 Jahre später untersucht der amerikanische Sozialwissenschaftler Neil Malamuth auf Grundlage dieser Ergebnisse die Frage, ob
Statt »Pornos machen aggressiv« muss die Aussage also eher lauten: Aggressive Männer interpretieren und
Zugegebenermaßen sind es eben auch diese Ergebnisse, die dafür gesorgt haben, dass Ethikkomitees mittlerweile beim Thema Pornografie weitaus strenger sind.
Fazit Nummer 4: Pauschalaussagen à la »Pornos machen aggressiv« bieten allen Grund für Misstrauen, da genetische und Umwelt-Faktoren solch vereinfachte Schwarz-Weiß-Aussagen für gewöhnlich nicht zulassen.
Aber die lassen sich doch so gut verkaufen, vor allem, wenn es um nackte Haut geht, denn: Sex sells! Und positive Ergebnisse erst recht. Den ganzen unveröffentlichten Null-Ergebnissen zum Trotz …
Pst, darüber spricht man nicht!
Der Albtraum eines jeden Wissenschaftlers,
Dieser Publikations-Bias wiederum ist problematisch, weil er nicht nur über Karrieren entscheidet, sondern auch den wissenschaftlichen Fortschritt bremst. Wenn nicht signifikante Ergebnisse in den Schubladen und auf den Schreibtischen der Wissenschaftler schlummern, statt veröffentlicht zu werden, bin ich vielleicht der siebte, der die gleiche Fragestellung »erfolglos« untersucht.
Bezogen auf die Frage nach einem Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und dem Konsum von (gewalttätigen) Pornos, kritisieren zum Beispiel einige Wissenschaftler, dass negative Ergebnisse nicht veröffentlicht werden. Gegenseitige Anschuldigungen sind dabei keine Seltenheit. Einige plädieren unter Berücksichtigung aller wissenschaftlichen Daten dafür, dass es
Pornografie hat viel mit gesellschaftlichen Tabus zu kämpfen. Das führt auch dazu, dass der Fokus veröffentlichter Studien auf Ergebnissen liegt, die negative statt möglicher positiver Effekte belegen, also eher: Pornos sorgen für »mehr Gewalt« und »falsche Vorstellungen von Sex« statt
Fazit Nummer 5: Wissenschaftler sind wie alle anderen Menschen Zwängen und Einschränkungen ausgesetzt. Das kann dazu führen, dass bestimmte Ergebnisse stärker und andere gar nicht berücksichtigt werden.
Genau deshalb ist es so wichtig, jede einzelne Studie als das zu sehen, was sie ist.
Das Internet ist voll mit Pornos
Jede Studie ist ein Puzzleteil im Gesamtbild, das den aktuellen Forschungsstand zu einem Thema ausmacht – nicht mehr und nicht weniger. Um sich einen Überblick zu verschaffen, helfen
Ein Beispiel für die
Die Antwort »2–36%« ist nicht besonders konkret – denn sie hängt von vielen Faktoren ab, nicht zuletzt den Definitionen von »Porno« und »aggressivem Verhalten«. Damit sind wir wieder beim Anfang.
Alles auf Anfang hieß es auch, als das Internet die Verbreitung von Pornos massiv veränderte. Auch hier kursieren die unterschiedlichsten Zahlen und Angaben zu Fragen wie: Wie viel des Internets ist pornografisch? Wie viele Suchanfragen enthalten das Wort »porn« und
Eine detailliertere Auswertung stammt von 2 Neurowissenschaftlern und Autoren, die
Fazit Nummer 6: Eine Studie allein macht noch keine neue Erkenntnis. Meta- und Review-Studien geben einen Überblick über ein Forschungsfeld. Die Auswertung von riesigen Datensätzen (zum Beispiel online) kann ebenfalls hilfreich sein.
Und jetzt?
Puh, ein ganz schöner Ritt! Ein Ritt, der hoffentlich zeigt, wie spannend und verwirrend, wie einleuchtend und kompliziert, wie kreativ und strikt Wissenschaft sein kann. Und dass es (vielleicht) nur eines unterhaltsamen Themas bedarf, um mehr Menschen dafür zu begeistern.
Mit Illustrationen von Michael Szyszka für Perspective Daily