Geld kannst du nicht? Ach Quatsch!
Wer beim Thema Geld Angst oder Scham verspürt, wird es schwer haben, besser mit den eigenen Finanzen umzugehen. Eine Finanzcoachin und eine Entscheidungspsychologin helfen mit starken Tipps, emotionale Hürden abzubauen.
In das Thema Geld treibt mich ausschließlich die blanke Angst vor Altersarmut. Dann stehe ich in einem [Wirrwarr] aus Möglichkeiten und Risiken, Fehlentscheidungen und reichen Leuten, die an meiner Angst verdienen wollen, und wende mich sehr schnell frustriert und wütend ab.
Neben der Scham des Nichtwissens kenne ich bei mir und anderen auch dieses Gefühl, es nicht auf die Reihe zu kriegen, weil man mit dem Geld nicht so richtig vernünftig umgeht. Sich damit zu beschäftigen kostet ganz schön Überwindung.
Fühlst du Ähnliches, wenn es um Geld geht? Oder kochen noch ganz andere Emotionen in dir hoch? Dann bist du nicht allein.
Geld kann die Lebensqualität verbessern, ohne Frage. Wer seine Grundbedürfnisse sichern, gesund leben und sich darüber hinaus finanziell selbst verwirklichen kann – was auch heißt, sich mal einen Babysitter zu leisten –, verspürt weniger Druck.
Viele Menschen kennen aber die negativen Emotionen, sobald sie sich um
In diesem Beitrag soll es deshalb darum gehen, (emotionale) Hürden vor Geld abzubauen. Was steckt eigentlich hinter den Gefühlen? Warum gehen andere Menschen souveräner mit Geld um? Und warum weißt du überhaupt so wenig über Geld?
Wie du dich dem Thema leichter nähern kannst, habe ich eine Finanzcoachin gefragt – sie gibt praktische Tipps, die du direkt zu Hause umsetzen kannst. Außerdem erklärt eine Entscheidungspsychologin, warum die richtigen Finanzfragen meist den falschen Menschen gestellt werden.
Geld macht uns Angst, weil wir es nicht verstehen
Viele Menschen finden, wenn es um Geld und Finanzentscheidungen geht, keine Worte, um sich auszudrücken oder darüber zu kommunizieren.
Dabei fällt ihr immer wieder auf, dass die meisten Menschen beim Thema Geld sprachlos sind. »Wenn mir die Worte fehlen für etwas, dann liegt es nahe, dass mich das Gespräch darüber verunsichert«, sagt Müller. Erst als Erwachsene würden diese Menschen feststellen, dass sie bis dahin zu wenig Gelegenheiten hatten, über Geld zu sprechen. »Viele haben gefühlt und in der Tat keine finanzielle Bildung. Es gab für sie kaum Möglichkeiten im Kindergarten, in der Schule, inner- und außerhalb der Familie Begriffe zu lernen, mit denen sie sich über das Thema Geld austauschen können.«
Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät, den Geld-Analphabetismus anzugehen. Dafür musst du zunächst herausfinden, wie deine Beziehung zu Geld ist. Diese 2 Schritte helfen dir dabei:
1. Finde heraus, welche Erinnerungen an Geld dich prägen
Denke doch einmal daran, wie dein Verhältnis zu Geld in der Kindheit war, und schreibe deine ersten Erinnerungen auf. Wie haben deine Eltern oder Erziehungsberechtigte vor dir über Geld gesprochen (oder eben nicht)?
In meinem Fall sind das gute Erinnerungen an Taschengeld und all die tollen Leckereien, die ich damit beim Bäcker kaufen konnte. Das waren vor allem dicke bunte Kugeln Kaugummi, die erst säuerlich süß und kurze Zeit später nach gar nichts mehr schmeckten. Es gibt aber auch nicht so schöne Erinnerungen.
Ein Moment ist mir noch ganz klar im Gedächtnis: Ich muss so 10 Jahre alt gewesen sein, da saß ich mit meiner Mutter im Auto. Sie war ziemlich gestresst. Es ging um Geld und irgendetwas, was sie auf dem Amt erledigen musste. So ganz bekomme ich die Geschichte nicht mehr zusammen. Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich aber noch an den Gedanken, den ich damals hatte: »Bitte lass mich nie erwachsen werden. Ich will auch gar kein Geld verdienen, denn das macht nur Probleme.«
Was steht jetzt auf deinem Zettel?
Oft sind es sowohl negative als auch positive Erinnerungen, die im Zusammenhang mit Geld in der Kindheit auftreten. Sich die zu verdeutlichen, ist schon einmal ein erster Schritt. Aber wie kannst du mit diesem Wissen heute handlungsfähiger werden? Auch dafür hat Monika Müller eine kleine Schreibaufgabe für dich – Schritt 2.
2. Finde heraus, was Geld heute für dich ist
»Der Blick auf den Kontostand macht Freude, Angst oder Ärger«, sagt die Psychologin. »Das ist nicht damit zu erklären, dass Geld ein Tauschmittel ist. Geld ist für uns eine Projektionsfläche. Wir als Menschen haben es so kreiert. Eigentlich ist Geld das, was wir denken, das es ist.«
Monika Müller will Menschen in ihren Seminaren empowern, ihre Finanzen anzugehen, indem sie ihre Projektionen auf Geld kennenlernen. Deshalb bittet sie ihre Teilnehmer:innen, auf ein Blatt Papier den Satz zu schreiben: »Geld ist für mich …«
Sicherheit und Freiheit sind Begriffe, die Müller dabei am häufigsten hört. »Das ist eine Falle«, sagt Müller. »In dem Moment, in dem du auf Geld etwas Positives projizierst wie Sicherheit, entsteht in dir eine kleine Lücke und du fühlst dich selbst weniger sicher. Weil du vielleicht einen bestimmten Betrag nicht erreicht hast oder dir weniger Geld zur Verfügung steht.« Menschen projizieren übrigens nicht nur auf Geld, sondern auch auf ihre Mitmenschen. Was die Psychologin schon oft beobachtet hat: Wer die eigene Freiheit bei anderen oder dem Geld sucht, macht sich auf dem Weg dahin meist unfreier.
Wenn ich mich dann um meine Altersvorsorge kümmern will, dann kann mein Gehirn fast gar nicht frei die Fakten bearbeiten. Ich bin eigentlich nur mit den Emotionen beschäftigt, weil ich nie gelernt habe, diese Emotionen zu identifizieren und aus dem Dilemma rauszukommen.
Wer den eigenen Projektionen auf den Grund geht, lässt sich vielleicht in Zukunft weniger stark von Geld-Scham oder
Das hilft, wenn der individuelle Ansatz nicht funktioniert
Menschen, die in Armut leben, können sich bei vielen Entscheidungen des täglichen Lebens kaum von schlechten Gefühlen und den Gedanken an die finanziellen Konsequenzen trennen.
Das beschränkt die Aufmerksamkeit und Ressourcen. Allein Zeit für sich zu nehmen, um einen Text wie diesen hier zu lesen, kann für eine alleinerziehende Mutter mit 3 Kindern oder einen Kurierfahrer, der Tag und Nacht schuftet, eine größere Herausforderung sein als für andere. Sie brauchen Hilfestellung von außen. Dafür ist vor allem die Politik verantwortlich. Doch nicht nur die. Zu diesem Schluss kommen die Forschenden: »Selbst bei Menschen, die nicht in Armut leben, kann finanzieller Druck die Entscheidungsfindung beeinflussen.«
Die Forschenden fordern deshalb Entscheidungshilfen für Kund:innen von beispielsweise Kreditunternehmen. Wer sich bei ihnen Geld leiht, bekommt meist den Zinssatz, der bei der Rückzahlung fällig wird, in Prozent genannt.
Kommen wir nun zu einem weiteren unangenehmen Geldthema: Schulden. Den Unternehmen, die sich um sie kümmern, möchte lieber niemand zu nahekommen. Aber solange Schulden gemacht werden, wird es Inkassobüros geben. Welche Entscheidungshilfen können sie Menschen bieten, die sich verschuldet haben?
Minou Goetze lehrt an der Fresenius Hochschule in Hamburg Entscheidungspsychologie und berät nebenbei das Inkassounternehmen PAIR Finance. Sie weiß: »Viele Menschen werden mindestens einmal in ihrem Leben von einem Inkassobüro kontaktiert. Schulden werden schnell gemacht, wenn die Rechnung unter einem Stapel verschwindet oder man mal länger verreist war. Die Frage ist dann, wie man damit umgeht.«
Für PAIR Finance hat sie den Kund:innenpool analysiert, um herauszufinden, welche Entscheidungshilfen es braucht, damit Schuldner:innen schnell reagieren und es nicht auf noch mehr Zahlungsrückstand ankommen lassen.
In jedem Fall rät die Psychologin, die Kontrolle auch in dieser misslichen Lage zu übernehmen: »Ich lege jedem ans Herz, auf solche Forderungen sofort zu reagieren. Da gilt es, den eigenen Schweinehund zu überwinden und das unangenehme Thema nicht vor sich her zu schieben. Die Situation kann sich dadurch nur verbessern.«
Über Geld reden wir!
Ob mit oder ohne Schulden – zum Schluss haben die beiden Psychologinnen noch einen starken Tipp, um die Geld-Scham bei den Hörnern zu packen. Die olle Phrase »Über Geld spricht man nicht« hat ausgedient. Besser ist es nämlich, über Geld zu reden. Und zwar am besten im Bekanntenkreis. Dabei gibt es ein paar Dinge, die du beachten kannst.
»Dieser Austausch sollte in einem Kreis von kritischen Freunden stattfinden. Es macht keinen Sinn, wenn alle dasitzen und den gleichen blinden Fleck haben, zum Beispiel sich in Selbstüberschätzung überhöhen oder jammern, in ihrem Nichtwissen. Beides ist ungesund«, meint Finanzcoach Monika Müller.
Und: Finanzfragen sollten nicht nur an Männer gehen. Minou Goetze zeigt, wie das für uns alle zum Nachteil werden kann:
Eine verbreitete stereotype Annahme ist, dass Männer sich besser mit Finanzen auskennen als Frauen. Das ist ihnen aber nicht angeboren. Solche Unterschiede können zum Beispiel dadurch zustande kommen, dass sie einfach häufiger gefragt werden. Dadurch beschäftigen sich Männer tendenziell mehr mit dem Thema Geld, um Fragen beantworten zu können. Unser eigenes Verhalten trägt also dazu bei, diesen Unterschied aufrechtzuerhalten. Also lasst uns nicht nur Männer fragen.
Es gilt also, die Sprachlosigkeit beim Thema Geld zu überwinden, hinter die eigenen Projektionen zu schauen und nicht immer bei denselben um finanziellen Rat zu fragen. So lassen sich die Tipps von Monika Müller und Minou Goetze für den Start in die Finanzwelt zusammenfassen. Es gibt natürlich noch viele weitere Möglichkeiten, die Geld-Scham zu bekämpfen. Aber der erste Schritt, das klingt bei beiden Psychologinnen an, ist schneller gemacht, als du denkst. Dass du diesen Text gelesen hast, ist bereits ein Anfang.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily