Heute streiken Amazons Arbeiter:innen – das steckt dahinter
Am Black Friday liegen bei Amazon die Pakete still. Grund dafür sind unmenschliche Arbeitsbedingungen. Aber haben die Streikenden überhaupt eine Chance?
Es ist Black Friday, der vom Einzelhandel erfundene Pseudofeiertag, an dem traditionell der Konsum durch die Decke geht und die Weihnachtskaufsaison beginnt. Manche Unternehmen wie Amazon strecken das Ganze sogar noch weiter und verkaufen in der »Black Friday Woche« – die eigentlich 10 Tage umfasst – zahllose mehr oder minder rabattierte Waren. Und es funktioniert:
Dass diese Rekordzahlen vor allem durch die im Akkord schuftenden Arbeiter:innen in Amazons Lagerhäusern und Logistikzentren ermöglicht werden, lässt das Unternehmen dabei gern unter den Tisch fallen. Denn diejenigen, die eigentlich dafür sorgen, dass deine Onlinebestellungen rechtzeitig ankommen, sind nahezu unsichtbar und werden seit Jahren ausgebeutet.
Nun scheint das Fass für viele übergelaufen zu sein. Denn diesen Black Friday wollen Amazons Arbeiter:innen weltweit in den Streik treten. Ein überfälliger Schritt – aber kann der wirklich Veränderung bringen?
So schlimm ist es wirklich, bei Amazon zu arbeiten
»Für uns haben Gesundheit und Sicherheit unserer Angestellten jeden Tag des Jahres eine hohe Priorität«, versicherte eine Sprecherin von Amazon anlässlich des Prime Days – noch so ein erfundener Konsumfeiertag – im Juni.
Für viele Arbeitnehmer:innen von Amazon dürfte das wie blanker Hohn klingen. Schon lange gibt es Berichte von ehemaligen Angestellten über schlechte Arbeitsbedingungen, insbesondere nach dem gesteigerten Umsatz durch die Pandemie, in der Onlineshopping nochmals populärer wurde. Auch Dienstleistungsgewerkschaften wie Verdi sammeln Aussagen und Missstände.
Extremer Leistungsdruck: Bei Amazon steht Effizienz über allem, denn mit zugesicherten Lieferdaten bei Bestellungen (»24 Stunden Lieferung«) setzt sich das Unternehmen bei vielen Artikeln selbst unter Druck. Dazu kommen auch hier die erschwerten Umstände durch Covid-19.
Ständige Überwachung: Die Chefetage von Amazon scheint ihren Mitarbeiter:innen keinen Steinwurf weit zu trauen. So dient nahezu alle Elektronik in Warenhäusern auch zur Überwachung der Mitarbeiter:innen.
Menschenfeindliche Pausenregelungen: Nun sollte man meinen, dass Mitarbeitende unter Amazons Akkordarbeitsprinzip erholsame Pausen verdient hätten. Doch genau diese erschwert Amazon zusätzlich.
Das Unternehmen riskiert die Gesundheit der Arbeitnehmer:innen:
Auch der Umgang mit Covid-19 brachte schnell mangelhaftes Pandemiemanagement ans Tageslicht.
Bei all dem ist es kein Wunder, dass Amazon ständig im Konflikt mit Behörden ist, die für Arbeitsschutz zuständig sind.
Doch wie kann es sein, dass das Unternehmen trotz alledem verlässlich weiter liefern kann und sich sogar zu einem der größten Gewinner der Coronapandemie mausern konnte?
Die Antwort ist das sogenannte Durchlaufkonzept, das Jeff Bezos, früherer Amazon-CEO und zweitreichster Mann der Welt, geprägt hat.
Das Ergebnis wirkt sich auf alle Arbeitnehemer:innen von Amazon aus. Die Langsamen gehen, die Schnellen bleiben – dadurch steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit kontinuierlich an.
Kurzum: Amazon ist ein System des Drucks auf allen Ebenen, in dem Arbeitnehmende unwichtig sind und leiden. Es ist ein System, das den menschlichen Aspekt von Arbeit übersieht.
Kann ein Streik wirklich helfen, diese Missstände zu beseitigen?
Wie Amazon zum Einlenken gebracht werden kann
Das Motto der heutigen Streiks ist »Make Amazon Pay« (Lasst Amazon zahlen) und zeigt deutlich, dass der Arbeitskampf für viele Mitarbeitenden längst zu etwas Persönlichem geworden ist. Beschäftigte, unter anderem in den USA, Bangladesch, Spanien, Indien, Frankreich, Italien, Deutschland und Großbritannien, kommen heute nicht zur Arbeit. Unterstützt wird dies von Gewerkschaften vor Ort, etwa Verdi in Deutschland.
Das Ergebnis dürfte den Konzernriesen aber kaum stören. Ernst zu nehmende Umsatzeinbußen des Black-Friday-Geschäfts werden ausbleiben. Dennoch ist der Streik sinnvoll – denn er zeigt den Arbeitnehmer:innen deutlich, dass sie nicht allein sind und gemeinsam an einem Strang ziehen können – wenn sie wollen.
Und das ist ein Gedanke, der sogar den aktuellen Amazon-CEO Andy Jassy unruhig schlafen lassen dürfte. Denn Arbeitnehmer:innen, die sich zusammentun, könnten zunehmend auf die Idee kommen, Gewerkschaften zu gründen. Diese wären dann in der Position, einen einheitlichen Vertrag auszuhandeln, in dem auch Arbeitsziele und Gesundheitsschutz festgeschrieben sind.
Nicht umsonst hat Amazon erst im April 2021 mit allen Mitteln versucht, eine Gewerkschaftswahl in Alabama (USA) zu verhindern.
Ein zweiter wichtiger Punkt dabei, der auch bei der Aufmerksamkeit auf diese Black-Friday-Proteste eine Rolle spielt: Medienberichte über Arbeitsbedingungen sind für Amazon ein PR-Desaster.
Denn Amazon lebt als Marke vom Gefühl der Bequemlichkeit und persönlichen Nähe: Vom eigenen Smartphone oder Laptop aus jederzeit bestellen, was man möchte.
Aussagen des Unternehmens, auch ohne Tarifverträge ein
Die Antwort könnte »wenige« sein. Denn Amazon ist bei Weitem nicht alternativlos. Das Unternehmen verliert in einer immer digitaler werdenden Welt nach und nach sein Alleinstellungsmerkmal, selbst wenn die Umsätze des Unternehmens weiter wachsen. Online-Marktplätze wie das niederländische
Mit Illustrationen von Aelfleda Clackson für Perspective Daily