Saugut und ein wenig wie wir
Kristoffer Hatteland Endresen hat einen Wurf Mastferkel ihr kurzes Leben lang begleitet. Dabei lernt er tolle Charaktere kennen – und ein System, worin solche Begegnungen nicht vorgesehen sind. Lies hier einen Auszug aus seinem neuen Buch.
Ein ereignisreicher Tag steht auf dem Hof Rugland bevor: Fünf Sauen sollen ins Freie, wo sie 20 Meter vom einen Stall zum anderen über den Schotter laufen müssen. Keine große Distanz, aber für Tiere, die ihr Leben auf der Seite liegend verbringen, muss sich das wie ein Marathon anfühlen. Die letzten vier Wochen haben die fünf Sauen in dem alten Scheunengebäude aus den 1960er Jahren verbracht. Sie haben dort einen neuen Wurf zur Welt gebracht und die Ferkel gesäugt, die nun von ihnen getrennt werden sollen. Die Sauen müssen zurück in die Zuchtabteilung in dem modernen Stallgebäude, damit sie in der nächsten Brunstzeit erneut befruchtet werden können, während die Ferkel die nächsten fünf Monate in ihrer Mastbox verbringen werden. Dort fristen sie ihr Dasein auf rund einem Quadratmeter pro Schwein, bis der Tiertransporter des Schlachthofs kommt. Das Leben, das vor ihnen liegt, ist ebenso passiv wie eintönig.
Mit dem fortschreitenden Verschwinden der europäischen Wälder im 19. Jahrhundert änderte sich auch die Schweinehaltung. Tiere, die bisher im Freien und in den Wäldern gehalten worden waren, kamen nun in Ställe. Die immer engeren Schweineställe wurden dabei schnell zur neuen Norm für die europäische Schweinehaltung. Diese Entwicklung war in vielerlei Hinsicht rational. Mit den Ställen fanden Menschen und Schweine zurück zu der Zweckgemeinschaft, die sie vor zehntausend Jahren zusammengebracht hatte: Die Menschen füttern die Schweine mit ihren Abfällen, die diese wiederum in Proteine in Form von Muskelmasse umsetzen. Diese Wirtschaftsform war so vernünftig, dass Adam Smith in seinem 1776 erschienenen Buch Der Wohlstand der Nationen – ein Basiswerk der modernen Volkswirtschaft – der ökonomischen Rationalität der Schweinehaltung einen ganzen Abschnitt widmete: »Das Schwein, das seine Nahrung im Unrat findet und viele Dinge, die jedes andere nützliche Tier verschmäht, gierig verschlingt, wird […] ursprünglich als ein Sparmittel gehalten.«
Titelbild: Jonathan Cooper - CC0 1.0