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Mittwoch, 2. März 2022, 16 Uhr (MEZ). Ich öffne mein Zoom-Fenster für ein Gespräch mit einer russischen Journalistin. Ihr Bild wird langsam klarer. Mir gegenüber sitzt eine junge Frau, die ungefähr im gleichen Alter ist wie ich. Anna Fimina ist 25 Jahre alt und Journalistin beim unabhängigen russischen Fernsehsender Doschd. Sie sitzt an einem Tisch, hinter ihr ein Bett, große Fenster, in der Ecke liegt eine Reisetasche. Wo genau sie ist, kann sie mir nicht erzählen. Zu ihrer eigenen Sicherheit. Denn gestern musste sie aus Russland fliehen.
Дождь – Doschd
Doschd heißt Regen – und Doschd war der letzte unabhängige russische Fernsehsender. Gegründet wurde der Sender 2010 von Natalia Sindejewa, damals noch Moskauer
Unpolitisch, aber voller Optimismus. Ursprünglich als »Lifestyle-Sender« geplant, entwickelte sich Doschd schnell zu einem Sender, der inmitten staatlich kontrollierter Medien Qualitätsjournalismus lieferte. 2011 wurde der Sender wegen seiner Berichterstattung über die Proteste anlässlich der Parlamentswahlen international bekannt. Seitdem stand der Sender unter enormem Druck durch die russische Regierung. Im Zuge der Berichterstattung über die Invasion in der Ukraine stellte der Sender am 3. März 2022 seinen Betrieb ein. Der Druck der russischen Behörden war zu hoch. Das neue Mediengesetz war bereits in Planung: Wer »fake news« verbreitet, dem drohen bis zu 15 Jahre Haft. Zum Schluss zeigte Doschd eine Aufführung von »Schwanensee«. Zu Sowjetzeiten nutzten Fernsehsender das Ballettstück von Piotr Tschaikowsi, um die Bevölkerung von wichtigen Entwicklungen abzulenken. Ein letztes politisches Zeichen des kreml-kritischen Senders.
Zukunftsorientiert, verständlich, werbefrei. Dafür stehen wir. Mit Wohlfühl-Nachrichten hat das nichts zu tun. Wir sind davon überzeugt, dass Journalismus etwas bewegen kann, wenn er sowohl Probleme erklärt als auch positive Entwicklungen und Möglichkeiten vorstellt. Wir lösen Probleme besser, wenn wir umfassend informiert und positiv gestimmt sind – und das funktioniert auch in den Medien. Studien haben gezeigt, dass Texte, die verschiedene Lösungen diskutieren, zu mehr Interesse führen, positive Emotionen erzeugen und eine erhöhte Handlungsbereitschaft generieren können. Das ist die Idee unseres Konstruktiven Journalismus.