Warum zu viel Macht fast jedem zu Kopf steigt
Kriminell, egoistisch und hemmungslos: Macht kehrt das Schlechte in uns heraus. Doch es gibt Gegenmittel! (Artikel aus dem Jahr 2017)
In den letzten 12 Monaten hat knapp jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland aus demselben Grund darüber nachgedacht, seinen Job zu kündigen: wegen
Und in der Politik?
»Seltsamerweise musste ich sofort mit einem unguten Gefühl an Trump und daran denken, wie gefährlich Macht in den falschen Händen ist und dass diese Macht mir Sorgen macht.«
Denn Macht verändert unser Gehirn und Verhalten ganz automatisch. Das
Macht: Die Energie der Gesellschaft
Aber was genau ist »Macht«?
Macht ist die Fähigkeit, andere Menschen zu beeinflussen; sie entsteht mit der Kontrolle über wertvolle Ressourcen und der Fähigkeit, zu belohnen und zu bestrafen.
Diese
Ob wir also wollen oder nicht: Die Frage der Macht – wer hat hier gerade Einfluss auf wen? – schwingt immer mit, wenn mindestens 2 Menschen in Austausch treten. Das macht das Thema omnipräsent, aber auch schwer greifbar. Um die vielfältigen Sichtweisen auf Macht zu zeigen, habe ich meine Kollegen im Büro gefragt, welche Assoziationen der Begriff »Macht« in ihnen auslöst. Einige der Antworten habe ich als Zitate im Text eingebaut.
»Bei Macht muss ich direkt an ältere Männer denken, die diese unbedingt haben wollen.«
Um unser Verständnis von Macht zu verbessern, untersuchen Wissenschaftler wie der amerikanische Psychologieprofessor
Beschwipst von der eigenen Macht
Dabei geht es nicht immer um das Verhalten von Firmenbossen, Präsidenten oder Diktatoren, sondern ganz allgemein um Menschen, die sich in alltäglichen Situationen entweder mächtig oder machtlos fühlen. Um Versuchsteilnehmer in eine dieser Gefühlslagen zu versetzen, hilft ein einfacher Trick:
»Mann, Gewalt, Unterdrückung, Herrschaft, Putin, König, Diktator.«
Wie also verändert Macht unser Verhalten? Ein Blick auf die Studienergebnisse offenbart die dunklen Seiten des menschlichen Charakters. Macht macht Menschen:
- hemmungsloser: Das zeigt sich beispielsweise in einer erhöhten Wahrscheinlichkeit,
- krimineller:
- rüpelhafter: Das lässt sich beispielsweise im Gespräch und dem Verhalten gegenüber Kindern beobachten. Menschen mit Macht
- weniger risikobewusst: Macht fördert das Gefühl, unverletzlich zu sein, sodass Risiken weniger riskant erscheinen und die Lust an Spekulationen steigt.
- egoistischer: Wer Macht hat, hört mehr auf seine
- weniger
»Macht assoziiere ich eher mit der negativen Ausprägung von Einfluss und Missbrauch.«
Summa summarum trifft diese Beschreibung ziemlich genau auch auf
Wer bekommt Macht?
Es ist viel sicherer, gefürchtet als geliebt zu sein.
Denn auch wenn vielerorts
- empathisch sind: Die besseren Zuhörer sind auch langfristig die erfolgreicheren Machthaber. Wer Fragen stellt und sich des Gegenübers annimmt, erhält nicht nur Macht, sondern
- Werte vertreten:
- aufgeschlossen sind: Offenheit und Neugier für neue Ideen sorgen dafür, dass Menschen nach »oben« klettern.
»Ich denke, Liebe kann mächtig sein, weil sie Loyalität bedingt.«
Mit anderen Worten: Wer das öffentliche Wohl erweitert, erhält Macht. Das erscheint aus evolutionstheoretischer Sicht durchaus sinnvoll. Denn es ist die Aufgabe der Mächtigen, das Überleben und Wohl aller sicherzustellen. Auch das lässt sich wiederum auf neurologischer Ebene beobachten.
Parallel untersuchen Wissenschaftler wie Dacher Keltner, welche Machthabenden langfristig »erfolgreich« sind und waren. Mit Blick auf das größte Vermächtnis führt dabei im Vergleich der amerikanischen Präsidenten
Sein Geist ist gleichzeitig philosophisch und pragmatisch. Er sieht jeden, der zu ihm kommt, hört alles, was man ihm zu sagen hat, spricht frei mit jedem, liest alles, was ihm geschrieben wird; aber denkt und handelt eigenständig und für sich selbst.
Aus dieser Einschätzung spricht vor allem eines: die Nähe zu den Menschen. Empathie.
Die Analysen zeigen auch: Die weniger kollaborativen Machthaber hinterlassen ein geringeres Vermächtnis oder sorgen dafür, dass im Nachgang Aufräumarbeiten stattfinden müssen, wie es bei der letzten Bush-Administration war und wahrscheinlich auch nach dem aktuellen US-Präsidenten der Fall sein wird. Gleiches gilt eine Ebene »tiefer« bei den untersuchten US-Senatoren.
Mit anderen Worten: Menschen wie Putin, Trump, Orbán und Co. mögen hervorragend darin sein, kurzfristig Macht an sich zu reißen und auszuüben. Sie werden aber nicht in der Lage sein,
Höchste Zeit also, die Machthabenden auf diese Erkenntnisse aufmerksam zu machen und jeden Bürger zu rekrutieren, um sie immer wieder dran zu erinnern.
So tricksen wir das Macht-Paradox aus
Macht korrumpiert, absolute Macht korrumpiert absolut.
Sämtliche Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Macht nicht immer verdirbt und korrumpiert. Die »Nebenwirkungen der Macht« wie die verringerte Fähigkeit, die Perspektive anderer einnehmen zu können, scheint keine bewusste Entscheidung zu sein, sondern automatisch zu passieren. Zum Teil geschieht das aus nachvollziehbaren Effizienzgründen; wir sind
Klar ist aber mittlerweile auch, dass Macht zunächst ein mentaler Zustand ist, in den sich jeder über eine einfache Manipulation versetzen lässt und der dann die entsprechenden Nebenwirkungen zeigt.
Sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld kommen wir in Situationen, in denen wir Macht haben. Mit 3 Übungen können wir beginnen, uns dem Macht-Paradox zu entziehen:
- Paradox
- Empathie trainieren: Empathisches Zuhören lässt sich trainieren. Wer aktiv zuhört, Rückfragen stellt und Anerkennung zeigt, wird schnell feststellen, dass sich Gesprächspartner anders verhalten, als wenn das Gespräch beiläufig und rüpelhaft geführt wird. Vorgesetzte, die empathisch mit ihren Mitarbeitern kommunizieren, können sich an einem weniger gestressten, innovativeren und seltener kranken Team erfreuen.
- Dankbarkeit zeigen: Wer dankbar für seine Rolle – und die damit verbundene Macht – ist und den Menschen um sich herum respektvoll begegnet, bleibt diesen stärker verbunden. Ein einfaches »Dankeschön!« des Vorgesetzten steigert die Produktivität der Mitarbeiter. Anerkennung sorgt nicht nur für mehr Sicherheit beim Gegenüber, sondern auch für innovativeres Verhalten.
Wollen wir das Macht-Paradox durchbrechen, müssen wir also die positiven Fähigkeiten, die die Macht uns entzieht, erhalten oder wiederherstellen. Um »die da oben« dabei zu unterstützen, müssen wir sie daran erinnern, was es bedeutet, empathisch und dankbar zu sein. Erfolgreiche Mächtige zeigen, wie das aussehen kann: Winston Churchill hatte dafür beispielsweise seine Frau Clementine. Sie schrieb ihm:
Mit Illustrationen von Robin Schüttert für Perspective Daily