So gelingt dir die perfekte Entschuldigung
Entschuldigen ist schwer? Die Wissenschaft weiß genau, wie es gelingt. Wir verraten dir das Patentrezept.
Glaubst du daran, dass eine Entschuldigung etwas bewirken kann?
- denen guttut, die sie erhalten,
- auch denen hilft, die sie aussprechen,
- sogar Beziehungen rettet, weil sie Konflikte lösen und zu Versöhnung führen kann.
Ich habe auch nie das Gegenteil behauptet, aber wirklich überzeugt von der Wirkung einer Entschuldigung war ich lange nicht. Verstärkt wurden meine Zweifel durch meinen 7-jährigen Sohn. Seit Längerem versuchen wir, ihm beizubringen, sich vernünftig zu entschuldigen. Wenn er nach endlosem Hin und Her trotzig die Arme vor der Brust verschränkt und mit gesenktem Kopf ein »Sorry« vor sich hin murmelt, frage ich mich, ob die stundenlangen Diskussionen das wirklich wert sind. Macht dieses mühsam erzwungene Wort irgendetwas mit ihm? Und was bringt ihm ein anerzogener Reflex, sich ständig zu entschuldigen, wie ich ihn selbst habe und worüber ich mich manchmal sogar ärgere?
Ein Podcast mit der Psychologin Harriet Lerner hat meine negative Meinung über Entschuldigungen jedoch ins Wanken gebracht. Die US-amerikanische Psychotherapeutin hat ein
Wie aber können wir eine ehrliche Entschuldigung formulieren, die wirklich wirkt?
Das Keks-Fiasko und die richtige Entschuldigung
Vor einer Weile kam meine Familie zu uns zu Besuch. Ich hatte an vieles gedacht, aber nicht daran, dass meine Cousine die selbstgebackenen Kekse nicht verträgt. Als wir beim Nachtisch saßen, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ihr Teller blieb leer. Eigentlich hätte mir das klar sein müssen.
Sie hat mir keine Vorwürfe deswegen gemacht – ich mir dafür aber umso mehr. Der Reflex, mich zu entschuldigen, pochte in meinem Kopf. Doch ich unterdrückte ihn, denn eine knappe Entschuldigung vor versammelter Mannschaft hätte die Diskussion um Lebensmittelunverträglichkeiten nur umso mehr in den Mittelpunkt gerückt – was meiner Cousine, wie ich weiß, sehr unangenehm gewesen wäre.
Das ist ganz im Sinn von Harriet Lerner. Denn eine Entschuldigung ist nicht produktiv, wenn sie alles nur komplizierter macht.
Trotzdem beschäftigte mich das Keks-Desaster auch noch Tage später. Ich spürte, dass ich die Szene nicht loslassen konnte. Also musste eine Entschuldigung her – und zwar richtig. Mit den Erkenntnissen aus dem Podcast im Hinterkopf setzte ich mich hin und schrieb. Dabei traf ich auf einige Schwierigkeiten:
- Die faule Stimme im Kopf: Mehrmals kam mir der Gedanke, dass ich mich eigentlich gar nicht entschuldigen müsste. Schließlich hatte meine Cousine nie gesagt, dass sie böse auf mich wäre. Das nennt man Reframing und Menschen tun es ständig, um eine Situation zu ihren Gunsten umzudeuten. In meinem Fall sorgte das Reframing dafür, dass ich aufgeben wollte und die Entschuldigung beinahe fallen gelassen hätte.
- Die naheliegenden Ausreden: Am schwierigsten war es für mich, die Rechtfertigungen und Ausreden wegzulassen. »Ich hatte wirklich keine Zeit« oder »Ich war überfordert mit den ganzen Vorbereitungen«. Das mochte zwar stimmen, aber letzten Endes bedeutete es so viel wie: »Mir waren andere Sachen wichtiger als du.«
- Mich öffnen: Eine Herausforderung war es, die richtigen Worte und Emotionen zu finden, um besser rüberzubringen, wie wichtig mir die Entschuldigung war. Denn das hieß auch, einen Einblick in mein Innenleben zu geben – ohne die Entschuldigung ganz um mich drehen zu lassen. So etwas ist Menschen verständlicherweise unangenehm – doch ganz ohne Gefühle geht es bei guten Entschuldigungen nun mal nicht.
Am Ende war die Nachricht, die ich meiner Cousine geschrieben habe, kurz – nur 3 Sätze, für die ich aber eine Stunde gebraucht habe. Nach dem Abschicken habe ich mich sehr erleichtert gefühlt und gespürt, wie die Entschuldigung etwas bewirkt hat: Meinung geändert.
Nach diesem ersten überraschend intensiven Versuch, mich zu entschuldigen, bin ich neugierig geworden und habe mich tiefer eingelesen. Und wurde überrascht: Denn für Entschuldigungen gibt es – was in der Psychologie durchaus selten ist – ein Patentrezept!
Wann du dich entschuldigen solltest – und wann nicht
Bevor du dich auf das Rezept zur perfekten Entschuldigung stürzt, solltest du kurz innehalten und überlegen,
Hier ist eine Checkliste mit Fragen, die dir helfen, das herauszufinden:
- War es überhaupt deine Schuld?
- Entschuldigst du dich nur, weil es die andere Person fordert?
- Entschuldigst du dich, damit die andere Person nicht sauer auf dich ist?
- Willst du lediglich die Stimmung verbessern?
- Entschuldigst du dich nur, damit dir nichts vorgeworfen werden kann?
Wenn du eine der Fragen mit »Ja« beantworten kannst, solltest du dich vielleicht besser nicht entschuldigen. Denn das Hauptziel von Entschuldigungen sollte immer sein, das Leid der betroffenen Person anzuerkennen oder zu mildern. Werden sie aus anderen Motiven heraus ausgesprochen, können sie mehr schaden als helfen. Denn Menschen spüren es recht gut, wenn Entschuldigungen nicht ehrlich gemeint sind. Dann wirken sie wie bei einem quengeligen 7-Jährigen, der einfach nur seine Ruhe will und gar nichts eingesehen hat.
Und reflexhafte Entschuldigungen können sogar schaden. Schlimmstenfalls können sie den Betroffenen die Möglichkeit nehmen, selbst zu Wort zu kommen und eine weitere Aussprache zu unterbinden. Mit einer Entschuldigung gilt ein Vorfall als abgeschlossen, wer sich danach noch mal dazu zu Wort meldet, riskiert, als nachtragend oder undankbar zu gelten.
»Ich habe mich doch entschuldigt! Was willst du denn noch?«
Aus diesem Grund solltest du, bevor du Reue zeigst, auch darüber nachdenken, ob es der richtige Zeitpunkt dafür ist. Es rasch hinter dich zu bringen, befreit dich zwar schneller von Schuldgefühlen, kann aber andere überrumpeln.
Wenn du diese Checkliste beherzigst und dich wirklich entschuldigen willst, können wir zum wissenschaftlich fundierten Rezept kommen.
In seinem Artikel über Nopologys beschreibt Dirk Walbrühl, welche Elemente einer (vor allem öffentlichen) Entschuldigung schaden.
Die 8 Elemente der besten Entschuldigung
1. Zeige Reue
Am besten beginnst du damit, dass es dir leidtut und dass du bereust, was du getan hast. Dann weiß die andere Person direkt, dass du dich entschuldigen möchtest. Daneben kannst du hier auch sagen, wie du dich fühlst: »Ich fühle mich schrecklich«, »Ich bin wütend auf mich« oder »Ich bin traurig, dass es dazu gekommen ist«. Damit zeigst du deinem Gegenüber, dass es dich nicht kalt lässt, was du getan hast, und dass es auch dich bewegt. Du solltest es hier allerdings nicht übertreiben. Wenn du zu sehr betonst, wie schlecht du dich fühlst, ziehst du den Fokus von der Person, für die die Entschuldigung gedacht ist, auf dich.
2. Gib zu, was du getan hast
Hier beschreibst du, was du getan hast und wofür du dich entschuldigst: »Es war falsch von mir, dass ich nichts gesagt habe.« Oder: »Ich hätte das nicht ohne dein Einverständnis weitererzählen sollen.« Mit deinem Verhalten hast du bei der anderen Person wahrscheinlich Zweifel geweckt, ob dir die gleichen Werte wichtig sind wie ihr. Indem du genau aufführst, was du getan hast, machst du deutlich, dass dir bewusst ist, was du falsch gemacht hast – und dass ihr doch noch »auf einer Wellenlänge« seid. Außerdem zeigst du, dass dir die Regeln, die du gebrochen hast, nicht egal sind.
3. Übernimm Verantwortung
Wenn du dein Fehlverhalten offen darlegst, übernimmst du gleichzeitig die Verantwortung dafür. Bei kleineren Vergehen musst du das meist nicht mehr zusätzlich erwähnen. Trotzdem solltest du noch mal genau überprüfen, ob in deiner Entschuldigung klar wird, dass du die volle Verantwortung für dein Handeln und dessen Folgen übernimmst. In der Studie des Vertrauensforschers Roy Lewicki und seiner Kolleg:innen
4. Erkenne an, wie du die andere Person verletzt hast
Nun ist es an der Zeit, näher auf dein Gegenüber einzugehen. Wenn du eine Vorstellung hast, wie sich dein Handeln ausgewirkt hat, solltest du das ansprechen: »Ich weiß, ich habe dich verletzt«, »Ich weiß, was ich gesagt habe, hat dich geärgert« oder »Ich weiß, ich habe dich enttäuscht«. Das ist nicht leicht, weil du damit zugeben musst, dass du der Auslöser für die negativen Gefühle deines Gegenübers bist. Andererseits zeigst du damit auch, dass du die andere Person kennst und weißt, wie sie reagiert. Damit erinnerst du sie daran, wie nah ihr euch seid. Wenn du keine Ahnung hast, wie sich dein:e Interaktionspartner:in fühlt, solltest du lieber keine Vermutung anstellen. Die falschen Gefühle zugeschrieben zu bekommen, kann zusätzlich verletzen!
5. Erkläre, warum du es getan hast
Wenn uns jemand Unrecht getan hat, beschäftigt uns meistens eine Frage: »Warum? Wie konnte das passieren?« Eine Erklärung kann deshalb besonders wichtig für die Empfänger:innen einer Entschuldigung sein. Sie erlöst sie aus Gedankenspiralen über den Hergang der Situation und hilft dabei, damit abzuschließen.
Doch gerade dieser Punkt birgt eine große Herausforderung: nicht in Ausreden oder Rechtfertigungen zu verfallen. Die Entschuldigung an meine Cousine enthielt keine Erklärung, weil ich bei meinen Formulierungsversuchen immer wieder bei Rechtfertigungen gelandet bin: »Ich hatte keine Zeit« oder »Ich war zu dem Zeitpunkt völlig überfordert«. Mittlerweile denke ich, dass ich doch etwas mehr über die Situation hätte schreiben können. Die äußeren Umstände ganz zu verschweigen, ist nämlich auch keine Lösung, denn nur das hilft uns, eine Handlung besser nachzuvollziehen. Was allerdings nicht fehlen darf, ist der tatsächliche Grund. Heute weiß ich, was in meinem Fall die richtige Erklärung gewesen wäre: »Ich habe mich geschämt, dich zu fragen, ob du selbst etwas für dich mitbringen könntest.« Deshalb ist es auch wichtig, erst mal über eine Entschuldigung nachzudenken, denn erst dann können wir den wahren Gründen für unser Verhalten auf die Spur kommen.
6.Erkläre, wie du den Schaden wiedergutmachen willst
Nach diesen schmerzhaften Erklärungen kommt der Teil, der dir wahrscheinlich am leichtesten fällt: Du beschreibst, wie du den Schaden, den du verursacht hast, wiedergutmachen willst. Wenn es um Sachen geht, die repariert oder ersetzt werden müssen, ist klar, was zu tun ist. Bei verletzten Gefühlen ist das nicht so eindeutig. Aber auch hier können ein paar ehrliche Worte helfen. Du kannst der anderen Person sagen, warum sie dir wichtig ist und weshalb du nicht auf sie verzichten willst. So zeigst du ihr, dass dir eure Beziehung immer noch viel bedeutet, und machst einen ersten Schritt, um das erschütterte Vertrauen wiederherzustellen.
7. Versprich, es in Zukunft besser zu machen
Ob deine Worte etwas wert waren, musst du in der Zukunft beweisen. Du kannst aber jetzt schon ankündigen, wie du sicherstellen willst, dass du deinen Fehler nicht wiederholst. Je konkreter du dabei wirst, desto besser. Damit zeigst du den Menschen, bei denen du dich entschuldigen willst, dass du dir ernsthaft Gedanken gemacht hast.
8. Bitte um Vergebung
»Kannst du mir noch einmal verzeihen?« Die Erinnerung an dramatische Filmszenen, in denen die Darsteller:innen einander nach Seitensprüngen oder Intrigen anflehen, bringt dich vielleicht auf die Idee, deine Entschuldigung auch so zu beenden. Mit der Bitte um Vergebung solltest du jedoch behutsam umgehen. Du legst damit die Entscheidung darüber, wie es weitergeht, in die Hände der anderen Person. So gibst du ihr Macht, kannst sie aber auch unter Druck setzen. Wenn sie nicht selbst in einem schlechten Licht erscheinen will, bleibt ihr nicht viel anderes übrig, als deiner Bitte nachzukommen – auch wenn sie dazu innerlich gar nicht bereit ist. Harriet Lerner rät deshalb sogar davon ab,
Richtig entschuldigen lohnt sich
Denn auch wenn du keine Antwort auf deine Entschuldigung bekommst oder nicht die Antwort erhältst, die du erhofft hast, hilft dir dieser Prozess zu verarbeiten, was du getan hast. Außerdem bist du nun für die Zukunft gerüstet, weil du festgelegt hast, wie du für deinen Fehler geradestehst und ihn künftig vermeidest.
Und wer sich richtig zu entschuldigen weiß, lernt auch gleich mehr darüber, Entschuldigungen richtig anzunehmen – etwa wie ich richtig auf das hart erkämpfte
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily