Der Pazifismus hat noch lange nicht ausgedient
Er gilt als einer der wichtigsten Antikriegsschriftsteller. Weltweit greifen Leser:innen wieder zu seinen Büchern. Was hätte uns Erich Maria Remarque heute zu sagen?
Im Sommer ist es in der Stadt nicht immer leicht, einen Platz im Schatten zu finden. Der Osnabrücker Stadtteil Wüste klingt auch nicht gerade vielversprechend, um an diesem über 30 Grad warmen Tag etwas Abkühlung zu bekommen. Doch etwas abgelegen, in dem dicht besiedelten Wohngebiet, wo Wiesen und Felder nicht mehr weit sind, findet sich eine lange Baumreihe entlang eines Grabens, der an diesem Tag nur wenig Wasser führt. Im Jahr 1829 werden hier erstmals Pappeln gepflanzt. Heute spenden Platanen, Trauerweiden und Walnussbäume Schatten für die Joggenden, die Spaziergänger und die Kinder auf ihren Laufrädern.
Für Erich Maria Remarque, der an diesem sommerlichen 22. Juni seinen 124. Geburtstag feiern würde, dient der Pappelgraben in seiner Kindheit und Jugend als Spielplatz. Er sammelt Pflanzen, fängt Schmetterlinge und Stichlinge, liegt unter den Bäumen und träumt. Besonders das »leise Rauschen« der Pappeln fasziniert ihn. Remarque wächst
Sein Interesse aber gilt der Kunst, er will Musiker werden. Zu Hause und in der Schule findet er nach eigener Aussage jedoch wenig »Verständnis für meine Träume von einer Welt außerhalb meines Kreises«. Doch was ihn dann aus der Traumwelt reißt, ist nicht das prekäre, kleinbürgerliche Leben. Im November 1916 wird Remarque, 18 Jahre alt, als Rekrut in eine Osnabrücker Kaserne eingezogen. Im folgenden Sommer kommt er als Soldat an die Westfront. Nach wenigen Wochen wird er durch Granatsplitter so schwer an Hals und Händen verwundet, dass er seinen Traum von der Musikerkarriere aufgeben muss.
In der Schreibstube des Lazaretts beginnt er, an eigenen Texten zu arbeiten. Er notiert in seinem sonst von Liebesschwärmereien geprägten Tagebuch erste Überlegungen, die nach dem »militanten Pazifisten« klingen, als den er sich später bezeichnen wird. Remarque spricht vom »Kampf gegen den Militarismus in jeder Form seiner Auswüchse«. Er fängt damit an, seine Kriegserlebnisse aufzuschreiben, und plant, daraus einen Roman zu machen. Es vergeht aber noch ein ganzes Jahrzehnt – Remarque arbeitet zunächst als Sportjournalist und Werbetexter –, ehe das Buch erscheint. »Im Westen nichts Neues« wird für ihn, der lange an seinen schriftstellerischen Fähigkeiten zweifelte, ein völlig unerwarteter Erfolg. Der größte Erfolg, den es bis dahin auf dem deutschen Buchmarkt gegeben hat.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily