Unsere Rettungsaktion war nicht erfolgreich. Und jetzt?
Bis Mitte Juli wollten wir 2.000 neue Mitglieder sammeln. Wo wir jetzt stehen und wie es weitergeht.
Bis Mitte Juli brauchen wir mindestens 2.000 neue zahlende Mitglieder.
Das war die klare Ansage, als wir vor einem Monat, am 20. Juni, unsere Rettungsaktion gestartet haben. Jetzt ist es Mitte Juli. Und wo stehen wir?
Hält man das Glas eher für halbleer, dann müsste man sagen: Ziel verfehlt. Wir haben es nicht geschafft.
Und jetzt?
Diese Frage treibt uns natürlich um. Doch in den vergangenen Wochen erreicht sie uns auch öfter von außen. Mitglieder, die kurz vor der Rettungsaktion ihr Abo verlängert haben, fragen sich und uns, was mit ihrem Abo geschieht, wenn wir unser Ziel nicht erreichen. Treue wie neue Leser:innen fürchten um ihre konstruktive Nachrichtendosis am Morgen. Selbst Familienmitglieder und Freunde haben sich besorgt bei uns erkundigt, ob es wirklich so schlimm ist: »Steht ihr vielleicht bald ohne Jobs da?!«
Dass Perspective Daily einfach so von der Bildfläche verschwindet, so weit wird es in absehbarer Zeit nicht kommen. Wir haben immer gesagt: Wir brauchen 2.000 neue Mitglieder, um so weitermachen zu können wie bisher. Sollten wir unsere Finanzierungslücke nicht gefüllt bekommen, müssen wir den Laden nicht sofort dicht machen. Allerdings müssten wir einiges ändern, um nicht in Schieflage zu geraten. Das würde einige schmerzhafte Entscheidungen erfordern.
Es gibt viele Wege, im Netz Geld zu verdienen …
Wenn Geld fehlt, gibt es grundsätzlich 2 Möglichkeiten: Weniger ausgeben oder mehr einnehmen. Bleiben wir erst mal bei den Ausgabenkürzungen. Was könnten wir da machen?
- Illus streichen! Perspective Daily ist immer auch was fürs Auge. Doch liebevoll gestaltete Illustrationen bedeuten viel Arbeit, die bezahlt werden muss. Auch passende Bilder auszuwählen kann viel Zeit in Anspruch nehmen. Hier könnten wir kürzen. Das Ergebnis wäre, dass viele unserer Artikel mit beliebiger wirkenden Bildern versehen wären, die schnell im Netz zusammengesucht wurden. Auch Grafiken, Schaubilder oder Slider würden zur Seltenheit.
- Auf Gastautoren verzichten! Es war immer schon Teil von Perspective Daily, Menschen mit verschiedenen Hintergründen von sich und ihren Themen berichten zu lassen. Vielfältige Perspektiven eben, der Name sagt es ja schon. Doch unsere Gastautor:innenbeiträge erfordern Budget, weil externe Journalist:innen und Autor:innen ein faires Honorar verdienen. Auch diesen Posten könnten wir einstampfen. Die Folge wäre nicht nur weniger Perspektivenvielfalt, sondern auch eine höhere Schlagzahl für die Autor:innen in der Redaktion. Und damit das Risiko, dass auch Qualität in Recherche und Text leiden.
- Kleinere Redaktion! Wo wir schon bei der Redaktion sind, natürlich könnten wir auch hier ausdünnen, freiwerdende Stellen nicht neu besetzen. Dadurch würde allerdings thematische Expertise und Vielfalt wegfallen. Um zu recherchieren. Um an Texten feilen zu können und sie besser zu machen. Um in Diskussionen unter den Texten einsteigen zu können.
- Büros schließen! Im Moment haben wir 2 kleine Büros, eins in Münster und eins in Berlin. Hier halten wir unsere Redaktionskonferenzen ab, besprechen unsere Texte, gestalten Illustrationen und Grafiken. Hier werden neue Features programmiert, digitale Sicherheitslücken geschlossen, Bürokratie weggeschafft. Wenn ihr Fragen oder technische Probleme habt, helfen wir euch von hier aus, hier schmieden wir auch Pläne für die Zukunft von Perspective Daily. All das geschieht teilweise in stiller Konzentration, aber auch oft im Team. Und wir geben es ja zu: Hier im Büro lachen, plauschen und feiern wir auch hin und wieder miteinander.
Zukunftsorientiert, verständlich, werbefrei. Dafür stehen wir. Mit Wohlfühl-Nachrichten hat das nichts zu tun. Wir sind davon überzeugt, dass Journalismus etwas bewegen kann, wenn er sowohl Probleme erklärt als auch positive Entwicklungen und Möglichkeiten vorstellt. Wir lösen Probleme besser, wenn wir umfassend informiert und positiv gestimmt sind – und das funktioniert auch in den Medien. Studien haben gezeigt, dass Texte, die verschiedene Lösungen diskutieren, zu mehr Interesse führen, positive Emotionen erzeugen und eine erhöhte Handlungsbereitschaft generieren können. Das ist die Idee unseres Konstruktiven Journalismus.
Die Miete für unsere Büros, in denen all das passiert, könnten wir uns sparen und stattdessen ausschließlich von zu Hause aus arbeiten. Wie viele Ideen, wie viel Motivation, Spaß und Freude an der Arbeit, wie viel wertvolles Feedback dabei auf der Strecke bliebe, ist schwer zu sagen. Sicher ist: Unser Team und damit ein ordentlicher Teil des Charakters und der Seele unseres Journalismus wären heimatlos.
Das klingt alles nicht gerade erfreulich und würde die Qualität unseres Produkts sicher nicht erhöhen. Je nachdem, wie groß die finanziellen Nöte wären, müssten wir auch mehrere der Streichpunkte in Betracht ziehen.
Einfacher wäre es da doch, schlicht mehr Geld einzunehmen. Aber wie?
- Preise erhöhen! Wir könnten die Kosten einer Mitgliedschaft auf 100, 120 oder 150 Euro im Jahr erhöhen. Das würde bedeuten: Für eine ganze Reihe von Mitgliedern würden wir damit eine finanzielle Schmerzgrenze überschreiten. Sie könnten künftig nicht mehr mitlesen. Gleichzeitig würde es schwieriger, neue Mitglieder davon zu überzeugen, sich uns anzuschließen. Vielleicht würden die Mehreinnahmen dieses Weniger an Mitgliedern kompensieren, und wir hätten am Ende des Jahres etwas mehr Geld in der Kasse.
Doch wir würden definitiv weniger Menschen erreichen – und das ist es, wofür wir das Ganze am Ende ja machen. Das würde sich übrigens auch in den Diskussionen bemerkbar machen. Von denen wissen wir, dass sich zwar nur ein Bruchteil von euch Leser:innen aktiv beteiligen, jedoch deutlich mehr von euch mal einen Blick reinwerfen und mitlesen. - Werbung schalten! »Der neue elektrische XLZ: Jetzt Probe fahren!« »Deine Fashion bei Kalandu« »Ab sofort im Kühlregal: die schmackhaft neue Tofuvariante von Monsum«
Blinkende Werbebanner über Beiträgen zu Verkehrspolitik, kultureller Aneignung in der Mode oder pflanzlichen Alternativen zum Fleischkonsum wären wohl nicht unüblich, wenn wir den klassischen Weg einschlügen, mit dem Medien im Netz Geld verdienen.
Blinkende Banner – das passt mal so gar nicht zum Auftritt von PD? Subtiler, aber umso umstrittener sind sogenannte »Advertorials«. Hierbei wird Werbung für Unternehmen in Artikel eingewoben, die optisch und inhaltlich kaum von unserer üblichen Berichterstattung zu unterscheiden sind. Stört den Lesefluss weniger – und macht es fast unmöglich, unseren Journalismus und die Werbung auseinanderzuhalten. Übrigens nicht nur für die Leser:innen, sondern auch in unseren Köpfen.
Ja, es gibt einige Optionen, um Kosten zu sparen und mit Journalismus im Netz Geld zu verdienen. Doch all diese Möglichkeiten zeigen, dass es für uns nur 2 wirklich gute Entscheidungen gibt: Investieren in journalistische Qualität. Und Geld verdienen mit zahlenden Mitgliedern. Nur euch wollen wir verpflichtet sein. Und nur für journalistische Qualität sollt ihr bezahlen. Auf all das andere, was wir oben aufgezählt haben, können wir verzichten!
… für uns aber nur einen guten: Mehr Mitglieder!
Zurück zur Frage, wo wir jetzt stehen. Wir wären wohl kein konstruktives Medium, wenn uns das Glas nicht eher halbvoll erschiene. Rund 1.150 neue Leser:innen (Stand Mittwochabend) haben wir in ziemlich kurzer Zeit hinzugewonnen. Hunderte Menschen, die schon länger an uns interessiert waren, haben sich dazu durchgerungen, endlich voll dabei zu sein. Hunderte sind neu auf uns gestoßen und jetzt neugierig, uns besser kennenzulernen. Und Hunderte Mitglieder, die uns schon länger treu sind, haben Gutscheine gekauft, um ihre Nächsten für uns zu begeistern. Um Perspective Daily in der Form, wie sie es schätzen, zu erhalten.
Deshalb an dieser Stelle wieder mal ein Danke an euch alle!
Auch deshalb haben wir uns dafür entschieden, unsere Rettungsaktion zu verlängern. Die fehlenden 850 Neumitglieder, die wir brauchen, um so weitermachen zu können wie bisher, wollen wir nun bis Mitte August einsammeln. Wir sind guter Dinge, dass das gelingt.
Denn in den vergangenen 2 Wochen (damals standen wir noch bei 700 neuen Mitgliedern!), als wir das letzte Update gegeben haben, hat sich eine Menge getan:
- Unsere ehemalige Gastautorin Ruth Fulterer, die schon zu Beginn der Kampagne liebe Worte über uns auf Twitter geteilt hat, arbeitet inzwischen für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) aus der Schweiz. Für diese hat sie gemeinsam mit Judith Blage ein Interview mit unserem Gründer Han Langeslag geführt,
- Die Antenne Münster, die unsere Heimat mit News und Musik beschallt, hat auf unsere Kampagne aufmerksam gemacht –
- Auch die Macherinnen des Blogs Ohfamoos haben mit Han Langeslag gesprochen –
In den sozialen Medien haben wir uns über 2 besonders reichweitenstarke Unterstützer:innen gefreut. Tilo Jung, der mit seinem Youtube-Kanal Jung & Naiv seine ganz eigene Lesart von Konstruktivem Journalismus umsetzt, hat unseren Aufruf auf Twitter geteilt.
Mit Luisa Neubauer von Fridays for Future hat uns zudem die wohl größte Stimme der deutschen Klimaschutzbewegung unterstützt – was wir durchaus auch als positives Feedback auf unsere Berichterstattung zu Klimathemen auffassen:
Autor Chris Vielhaus bringt auf den Punkt, wie uns das fühlen lässt:
Mit »dasselbe in grün e.V.« und »open seeds« haben uns zudem 2 Organisationen ihre Sprachrohre geliehen, die ebenfalls in Branchen aktiv sind, worüber wir regelmäßig berichten:
Und natürlich haben uns auch wieder Privatleute mit warmen Worten ihrer Gefolgschaft empfohlen:
Twitter ist natürlich nicht die einzige soziale Plattform, auf der unsere Aktion Thema ist. Besonders herausstellen wollen wir an dieser Stelle noch, dass auch auf LinkedIn einiges los war:
Alexander, der seit gerade mal 2 Tagen Mitglied ist, hat uns folgende Mail geschrieben (und uns gestattet, sie zu veröffentlichen):
Ich habe über euch in der NZZ gelesen und finde euren Ansatz super. Genau was ich mir in der Medienlandschaft schon lange erhofft habe. Ich hoffe, ihr könnt das finanziell durchziehen. Ich werde mich bemühen, weitere Leser für euch zu finden.
Und genau das wollen wir auch in den nächsten Wochen, sodass wir Mitte August 2.000 neue Mitglieder feiern können. Und so weitermachen wie bisher. Helft uns dabei!
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily