3 Maßnahmen, mit denen du dein wichtigstes Organ gesund hältst
Du möchtest gesund leben? Dann vergiss nicht, dich auch um deine Schaltzentrale zu kümmern: So geht richtige Gehirnpflege.
Manche Wissenschaftsnachrichten klingen, als kämen sie direkt aus einem Science-Fiction-Film. So zum Beispiel eine Studie, die vor Kurzem im Fachmagazin Nature Neuroscience erschien: Forschende hatten einer Gruppe von Freiwilligen
Während sie unter Strom standen, hörten die Proband:innen Listen mit Wörtern, an die sie sich erinnern sollten. Und tatsächlich: Die Methode der Forscher:innen zeigte Wirkung. Diejenigen, die gezielte Elektroschocks erhielten, konnten sich die Wörter besser merken als jene, denen die gezielten Schocks nur vorgegaukelt wurden.
Die Forschung arbeitet daran, unser Gehirn fit zu halten.
Noch steht die Forschung zu dieser Methode ganz am Anfang, die untersuchte Gruppe war klein, die Erfolgsaussichten sind ungewiss. Doch die Idee ist klar: Die Forschung arbeitet daran, unser Gehirn fit zu halten. Es müssen aber nicht gleich Elektroden auf dem Kopf sein; auch so gibt es einiges, was wir tun können, um unser Gehirn gesund zu halten.
Dem walnussförmigen Organ, das unseren gesamten Körper am Laufen hält, etwas Aufmerksamkeit zu schenken, ist grundsätzlich eine gute Idee. Schließlich ist unser Hirn nicht nur zum bewussten Denken da, es steuert fast alle Funktionen unseres Körpers: Wie wir uns bewegen, was wir sehen, riechen und schmecken. Es lenkt unseren Kreislauf, unsere Atmung, unseren Schlaf. Kurz gesagt: Im Gehirn entscheidet sich fast alles, was uns als Menschen ausmacht und antreibt – buchstäblich.
Obwohl es nur die Größe von 2 geballten Fäusten besitzt und etwa 1,5 Kilogramm wiegt, ist es zu Unglaublichem fähig. Keine Rechenmaschine der Welt könnte es mit ihm aufnehmen. Für diese Leistung sorgen die schätzungsweise 86 Milliarden Nervenzellen, von denen jede Einzelne mit durchschnittlich 1.000 Kontaktstellen, den
Aus welchen Einzelteilen besteht das Gehirn?
Das Gehirn setzt sich aus verschiedenen Abschnitten zusammen,
- Großhirn: Es besteht aus rechter und linker Gehirnhälfte, die durch Nervenfasern verbunden sind. Das Großhirn kontrolliert unsere Bewegungen und verarbeitet Sinneseindrücke von außen. Hier entstehen bewusste und unbewusste Handlungen und Gefühle. Es ist auch für Sprache und Hören, Intelligenz und Gedächtnis entscheidend.
- Zwischenhirn mit Thalamus, Hypothalamus und Hypophyse: Der Thalamus teilt dem Großhirn unter anderem Sinneseindrücke der Haut, der Augen und der Ohren mit. Der Hypothalamus reguliert zum Beispiel Hunger, Durst sowie Schlaf und kontrolliert zusammen mit der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) den Hormonhaushalt.
- Hirnstamm mit Mittelhirn, Brücke und verlängertem Mark (Nachhirn): Der Hirnstamm leitet Informationen vom Gehirn zum Kleinhirn und zum Rückenmark. Es kontrolliert die Bewegungen der Augen sowie die Mimik. Er reguliert außerdem lebenswichtige Funktionen wie Atmung, Blutdruck und Herzschlag.
- Kleinhirn: Es koordiniert die Bewegungen und ist für das Gleichgewicht verantwortlich.
Wenn unser Gehirn krankt, spüren wir das
Doch was macht ein gesundes Gehirn überhaupt aus? Das frage ich Frank Erbguth. Der
Ein gesundes Gehirn zeichnet sich dadurch aus, dass es die Signale gut verarbeiten kann, die es von innen und außen bekommt. Gute kognitive Fähigkeiten und gute soziale Fähigkeiten sind weitere Zeichen dafür, dass es dem Hirn gut geht.
Wie es um unseren Denkapparat bestellt ist, zeigt sich vor allem im Alter: Haben wir gute Startbedingungen, setzen uns etwa Demenz und Parkinson weniger zu. Auch Schlaganfälle sind bei Menschen mit gesundem Gehirn seltener. Wer doch einen solchen erleidet, kann mit einem fitten Gehirn die entstandenen kognitiven Einbußen leichter ausgleichen. »Hier spielt auch die Genetik eine Rolle«, sagt Erbguth. Doch auch bei ungünstigen genetischen Voraussetzungen seien wir in der Lage, erheblichen Einfluss darauf zu nehmen, wie stark sich die Veranlagung durchsetze, erklärt der Neurologe.
Was hilft? Das Beispiel Demenz
Eins der
Was ist Demenz?
Demenz ist ein Überbegriff für etwa 50 neurologische Erkrankungen: Die häufigste Form ist mit einem Anteil von 60% die Alzheimer-Demenz, die zu den primären Demenzen zählt. Sie machen mehr als 90% aller Demenzerkrankungen aus und haben gemeinsam, dass sie durch den Verlust von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst werden. Deutlich seltener sind sekundäre Demenzen, die nicht durch Hirnverlust verursacht werden, sondern Begleiterscheinungen anderer Erkrankungen sind. Ursachen können etwa ein Vitamin-B-12-Mangel, eine Schilddrüsenerkrankung oder Depressionen sein.
Entscheidend für die Diagnose einer Demenz ist die Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens und eine deutlich geringere kognitive Leistungsfähigkeit im Vergleich zu Gleichaltrigen. Sind kognitive Einschränkungen durch Tests nicht messbar, sprechen Neurolog:innen von einer subjektiven Demenz. Sind Einschränkungen messbar, wirken sich aber noch nicht erkennbar auf das Leben der Betroffenen aus, spricht die Medizin von einer milden kognitiven Beeinträchtigung. Erst wenn Alltags- und Familienleben betroffen und eingeschränkt sind, wird eine Demenz diagnostiziert.
Je nach Art der Demenz zählen langsamere Denkprozesse, ein verändertes Verhalten wie Stimmungsschwankungen, eine veränderte Persönlichkeit, Rückzugstendenzen oder mangelnde Rücksichtnahme auf Angehörige zu den Symptomen.
Eine Kommission des medizinischen
- niedriger Bildungsstand
- Bluthochdruck
- im mittleren Alter erworbene Schwerhörigkeit
- Rauchen
- Fettleibigkeit
- Depression
- Diabetes
- wenig soziale Kontakte
- traumatische Hirnverletzungen
- Luftverschmutzung
»Die Liste zeigt, dass wir in Deutschland vergleichsweise gut dastehen, was viele dieser Punkte betrifft«, sagt Neurologe Erbguth. Auch die Lancet-Studie sieht besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen Handlungsbedarf. Die Zahlen von Demenz und anderen neuronalen Erkrankungen steigen besonders in den Ländern stark an, in denen die Lebenserwartung in den letzten Jahren gewachsen ist. Der Grund dafür: Viele neurologische Störungen zeigen sich erst ab einem bestimmten Alter.
Die Grundlagen dafür, wie unser Gehirn mit neurologischen Alterserscheinungen zurechtkommt, werden schon früh gelegt – und in vielen Ländern nimmt nicht nur die Lebenserwartung zu, sondern auch die Verbreitung von Fast Food, Bewegungsmangel und anderen Faktoren, die sich negativ auf die Hirngesundheit auswirken.
Nicht alle Risiken können wir selbst beeinflussen
Während sich Bewegungsmangel noch recht gut selbst in den Griff bekommen lässt, gibt es Einflüsse, auf die Einzelne kaum einwirken können, die aber einen massiven Effekt auf den Zustand unserer grauen Zellen haben.
Den Risikofaktor
Wenn es um den Kampf gegen Luftverschmutzung, um Bildung, Ernährung sowie die Versorgung und Prävention von Krankheiten geht, braucht es auch gesamtgesellschaftliche Lösungen – und zwar überall auf der Welt.
Was du selbst für dein Gehirn tun kannst
Die gute Nachricht: Neben den Dingen, die Einzelne nicht selbst in der Hand haben, gibt es in der obigen Liste vieles, was wir selbst verbessern können. Lange Zeit gingen Forscher:innen davon aus, dass sich ab einem bestimmten Alter nicht mehr viel an unseren grauen Zellen ändern lässt. Heute wissen sie: Das ist falsch. Um etwas für das Gehirn zu tun, ist es nie zu spät. Das menschliche Gehirn ist ein Leben lang formbar, bleibt lernfähig und lässt sich so auch bis ins hohe Alter trainieren.
3 Maßnahmen, die unser Gehirn gesund und formbar halten, habe ich mir etwas genauer angeschaut:
1. Neues lernen, egal in welchem Alter
Eine große Studie aus China hat gezeigt, dass unabhängig vom Bildungsgrad Menschen auch im Alter lernen und ihr Hirn trainieren können. Für die Studie beobachteten chinesische Forscher:innen eine Bevölkerungsgruppe von mehr als 15.000 Menschen im Alter von 65 Jahren (und älter) über einen Zeitraum von 5 Jahren. Sie fanden heraus: Diejenigen, die jeden Tag intellektuellen Tätigkeiten nachgingen, zu denen die Forscher:innen beispielsweise das Lesen von Büchern oder Zeitungen oder das Spielen von Brettspielen zählten, wiesen ein deutlich geringeres Risiko auf, Demenzsymptome zu entwickeln. Und zwar
Dieser Befund stimmt mit kleineren Studien überein, die geistige Aktivitäten im mittleren Alter mit einer besseren Kognition im späteren Leben in Verbindung bringen konnten. So untersuchte beispielsweise eine britische Studie 205 Personen im Alter von 30 bis 64 Jahren. Die Forschenden beobachteten die Gruppe mehr als 30 Jahre lang und stellten fest, dass Aktivitäten wie Reisen, Ausflüge, Musizieren, Kunst, körperliche Aktivität, Lesen und das
Neues zu lernen, ist in jedem Alter wichtig.
Für jüngere Menschen
Ob es Übungen gibt, die unser Gehirn besser trainieren als andere, darüber können Forschende noch nicht viel sagen. Sicher ist: Egal ob wir unser Gehirn beim Lesen oder Kreuzworträtseln anstrengen, schaden kann es nicht.
2. Soziale Kontakte pflegen
Wer viele soziale Kontakte hat, besitzt ein geringeres Risiko, eine Demenz zu entwickeln. Das zeigen mittlerweile mehrere Studien. Eine wichtige Rolle spielt dabei scheinbar auch der Familienstatus: Eine Metaanalyse mit mehr als 800.000 Personen weltweit ergab ein erhöhtes Demenzrisiko für lebenslang ledige und verwitwete Personen
Auch unabhängig von Partnerschaften gilt: Der Kontakt zu Familie und Freund:innen hat einen positiven Effekt auf unser Denkvermögen. Das bestätigt etwa eine britische Studie,
Doch was hilft Menschen,
3. Gesunde Ernährung, gesundes Gehirn
Wie bei vielen anderen Gesundheitsthemen spielt auch bei der Entstehung von Demenzen die Ernährung eine wichtige Rolle. Veronica Witte arbeitet am Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften daran, mehr über den Zusammenhang zwischen unserer Ernährungsweise und der Entstehung einer Demenz herauszufinden.
»Die Ernährung kann den Stoffwechsel beeinflussen und das wiederum wirkt sich auch auf unser Gehirn aus«, erklärt Witte. Mithilfe von Bevölkerungsstudien untersuchen sie und ihr Team, wie sich Hirnmarker bei bestimmten Ernährungsformen verändern – und wie sich das wiederum auf die Entstehung von Demenzen auswirkt.
Pflanzliche Ernährung könnte sich günstig aufs Gehirn auswirken.
Die Forscherin und ihr Team haben beispielsweise Hinweise darauf gefunden,
Grund dafür ist nicht nur die Wirkung der Ernährung aufs Gehirn selbst, sondern die Vorbeugung von Adipositas und kardiovaskulären Erkrankungen – die wiederum Risikofaktoren für Demenzen sind.
Das Problem mit dem Schweinehund
Viele der Maßnahmen, die helfen können, unser Gehirn gesund zu halten, dürften nicht überraschen. Neben den oben genannten gibt es noch einige mehr: Gesunder Schlaf ist beispielsweise
Das Problem: Nur weil wir wissen, was gut ist, heißt das nicht, dass wir es schaffen,
Wichtig ist aber auch: Nur weil wir selbst viele Möglichkeiten haben, unseren Lebensstil in eine gesündere Richtung zu lenken, gibt es keine Garantie auf Erfolg.
Es gibt viele Menschen, die sehr gesund leben und trotzdem krank werden. Das sind statistische Zusammenhänge, die nicht unbedingt für den Einzelnen gelten.
Auch Erbguth betont, dass niemand Schuld daran hat, wenn er oder sie im Alter erkrankt. »Wenn wir 40% der Demenzen beeinflussen können, heißt es im Umkehrschluss auch, dass wir 60% nicht beeinflussen können«, sagt Erbguth. »Das Schicksal kann jeden von uns treffen, aber wir können das Risiko erheblich senken und dafür sorgen, dass es uns gut geht.«
Der Gedanke daran, dass wir tatsächlich etwas dafür tun können, dass unser Hirn im Alter fit bleibt, kann ein Anreiz sein, einen gesünderen Lebensstil zu pflegen. Wem das nicht reicht, dem hilft es vielleicht, noch einmal an die Studie am Anfang dieses Textes zu denken: Nicht darauf hoffen zu müssen, dass uns eines Tages Elektroschocks unsere kognitive Leistungsfähigkeit zurückgeben können, scheint mir persönlich ein guter Ansporn zu sein, sofort mit dem kognitiven Training zu beginnen.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily