Es gibt nur eine Lösung im Kampf gegen den Klimawandel
Vor 5 Jahren habe ich als Aushilfsdiplomat an einer Rede des Premierministers des kleinen Inselstaats Tuvalu mitgeschrieben. Er hielt sie auf der UN-Generalversammlung in New York. Sie war bestenfalls durchschnittlich. Bewegt hat sie nichts. Hätte ich heute eine zweite Chance, würde ich folgende Rede schreiben:
Eure Exzellenz Herr Präsident, Eure Exzellenz Herr Generalsekretär, verehrte Staats- und Regierungschefs, meine Damen und Herren!
Unser Planet ist krank.
Ich repräsentiere nur etwa 10.000 Menschen dieses Planeten. Doch heute möchte ich im Namen aller Menschen mein Wort an die internationale Gemeinschaft richten. Im Namen der Milliarden, die
Uns allen sind die apokalyptischen Bedrohungen des Klimawandels bekannt. Wir alle wissen,
Uns ist auch bekannt, dass Untätigkeit einen erheblich größeren Schock für die Weltwirtschaft bedeuten wird, als den Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Wir alle haben die Zusammenfassung des
Quellenangaben zur Grafik:
Eigene Berechnungen,
1), 2) Weltbank / Stern Review 3) Die Welt
Unser Problem ist nicht der Mangel an Informationen. Es herrscht in der internationalen Gemeinschaft sogar große Einigkeit darüber, dass härtere Anstrengungen erforderlich sind, um katastrophale Auswirkungen zu verhindern.
Unsere Zeit wird knapp.
Tuvalu ist nur ein kleines Land fernab vom Rest der Welt. Aber in diesem Raum sitzt die politische Macht unseres Planeten versammelt, verehrte Staats- und Regierungschefs. Es liegt in unseren Händen, das Jahrhundertproblem Klimawandel zu lösen.
Doch mit jedem Jahr, das vergeht, mehren sich die Stimmen der Pessimisten, dass wir es nicht schaffen werden.
Gibt es noch Hoffnung?
Die alte Strategie: Klimaschutz vs. Ökonomie
Ja, wir dürfen hoffen. Wir können
Für einen Unternehmer bedeutet Carbon Trading, dass er die Berechtigung zu jedweder Emission durch ein Emissionszertifikat erwerben muss – ob bei der Stromproduktion, im Metallbau, beim Transport oder in der Landwirtschaft. Oder er spart CO2 ein. Je nachdem, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht günstiger ist. Und wenn ich als Verbraucher eine Bratwurst oder ein Tofu-Schnitzel esse, dann sind im Preis bereits die Emissionskosten enthalten, die bei Produktion, Transport und Zubereitung entstanden sind.
Wir Staaten müssen uns nur darauf einigen, wie viel CO2 in welchem Jahr emittiert werden darf –
Unser Planet ist krank. Er wird von unserem ebenfalls infizierten Weltwirtschaftssystem angesteckt. Das Virus heißt »Marktversagen«.
Unsere Weltwirtschaft ist kapitalistisch organisiert, doch die Nutzung unserer kostbaren Atmosphäre ist nicht in unseren Kapitalismus integriert. Wer sie durch Treibhausgase verschmutzt und damit messbare Kosten in der Zukunft verursacht, braucht dafür bislang nicht zu zahlen. Unternehmer mit besonders »grünem Gewissen« werden hingegen aus ökonomischer Sicht meist bestraft. Solange aber nachhaltiges Wirtschaften einen Wettbewerbsnachteil bedeutet, werden unsere Klimaschutz-Ziele im Widerspruch zu kapitalistischen Anreizen und Bedürfnissen stehen. Aufgrund dieses Konflikts sind wir heute weit davon entfernt, die Emissionen auf ein beherrschbares Maß zu reduzieren. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht unser Scheitern.
Quellenangaben zur Grafik:
Erst wenn wir uns in der internationalen Klimapolitik eingestehen, dass unsere von nationalen Egoismen geprägte Strategie einer »Koalition der Willigen« gescheitert ist, können wir einen neuen Weg beschreiten. Je früher, desto hoffnungsvoller wird der Blick auf unsere Zukunft.
Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt: Freiwillige Selbstverpflichtungen führen zu einem Ergebnis, das nicht krisenresistent ist. Sie sind stets von nationalen Interessen, Konjunkturschwankungen und dem Wunsch nach Wiederwahl abhängig. Sie funktionieren nicht.
Die gefeierten Ergebnisse der Pariser Klimakonferenz im letzten Jahr werden nicht ausreichen, um das 2-Grad-Limit einzuhalten.
Interessengleichlauf von Ökonomie und Klimaschutz durch Carbon Trading
Lassen wir es nicht so weit kommen. Carbon Trading kann den Fehler in unserem Weltwirtschaftssystem korrigieren und uns helfen, das 2-Grad-Limit einzuhalten. Lassen Sie mich 5 Vorteile von Carbon Trading gegenüber unserem momentanen Ansatz einer »Koalition der Willigen« hervorheben:
- Limitierung: Nur Carbon Trading stellt sicher, dass wir eine bestimmte Jahresmenge an emittierten Treibhausgasen nicht überschreiten. Bisher legen Einzelstaaten ihre Einsparziele autonom fest. Simple Mathematik belegt, dass diese Selbstverpflichtungen in Summe stets zu wenig waren. Mit Carbon Trading legen wir vorab für jedes Jahr weltweit verbindlich fest, wie viel emittiert werden darf. Entsprechend viele Zertifikate stehen auf dem Markt zum Kauf bereit. Nehmen wir uns also vor, beispielsweise
- Neue Anreize: Der Unternehmer trägt die Kosten, die durch Emissionen entstehen.
- Effizienz: Wir würden die Emissionen dort einsparen, wo es am kostengünstigsten ist. Nicht mehr dort, wo es politisch opportun ist. Statt eines teuren neuen Filters in einer norwegischen Fabrik
- Autonomie:
- Strukturprogramm: Die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer emittieren pro Kopf aufgrund ihrer schwachen Wirtschaft sehr wenig Treibhausgase. Daher wären sie überwiegend Netto-Empfänger eines solchen Systems. Sie hätten also mehr Geld zur Verfügung, während sich gleichzeitig Investitionen in nachhaltige Technologien – ebenfalls aufgrund von Carbon Trading – lohnen würden. Den Entwicklungs- und Schwellenländern würde der Handel mit Emissionszertifikaten also auf einen nachhaltigeren Entwicklungspfad verhelfen. So würde der Strukturwandel teilfinanziert, den viele dieser Länder so dringend brauchen.
Mit Carbon Trading haben wir also ein Werkzeug, das unserer bisherigen Strategie überlegen ist. Es ist effizienter, kostengünstiger und gerechter.
Wir brauchen eine globale Therapie
Ich kenne Ihre Bedenken, allen voran die Kosten für die
So viele Akteure arbeiten bereits an einer nachhaltigeren Zukunft: Der Großteil der hier vertretenen Staaten setzt vermehrt auf regenerative Energiequellen, baut Fahrradwege, beschreitet den Weg zur Elektromobilität. Viele Menschen leben umweltbewusster, reduzieren Verschwendung, geben sich Mühe, nachhaltiger, zukunftsorientierter zu leben. Die Forschung macht Fortschritte –
Doch all diese Maßnahmen sind letztlich Bausteine. Sie allein werden nicht ausreichen, um das 2-Grad-Limit einzuhalten. Ihnen fehlt eine stabile Architektur. Carbon Trading liefert die notwendige Infrastruktur im Kampf gegen den Temperaturanstieg.
Der Klimawandel ist ein Fieber, das unseren Planeten flächendeckend befällt. Eine Kompresse hier und ein Zäpfchen dort werden es nicht richten. Ein globales Leiden benötigt eine globale Therapie.
Wir halten die Medizin in unseren Händen. Sie ist nicht frei von Nebenwirkungen. Aber sie verleiht dem Immunsystem unserer Erde neue Kraft. Beginnen wir endlich mit der Behandlung – so schnell wie möglich.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
In der Klimapolitik ist ein Umdenken erforderlich
Herr Müller, auf europäischer Ebene haben wir bereits Carbon Trading, das nicht funktioniert. Warum plädieren Sie trotzdem für ein globales Zertifikate-Handelssystem?
Friedemann Müller: Das europäische System ist ineffizient, weil es schlicht zu viele Zertifikate gibt. Durch das hohe Angebot ist der Preis zu niedrig. Unternehmen haben dadurch einen zu geringen Anreiz, Emissionen einzusparen. Darüber hinaus schafft es im Ergebnis einen Standortnachteil, da Unternehmer andernorts ihre Treibhausgase ohne Kosten emittieren können. Solche Wettbewerbsverzerrungen gibt es nicht, wenn man das System global errichtet.
Wenn aber die Vorteile so eindeutig überwiegen, warum haben wir ein solches System nicht schon längst?
Müller: Die Antwort auf diese Frage liegt im historischen Kontext. Als man Anfang der 1990er-Jahre Treibhausgase reduzieren wollte, hat man sich zunächst auf Industrieländer konzentriert, auf deren Konto damals 70% der Emissionen gingen. Man hat versäumt, parallel Entwicklungs- und Schwellenländer auf einen grüneren Wachstumspfad als den unseren zu verhelfen. Dieser Fehler wirkt bis heute nach. Darüber hinaus scheint es einigen Ländern auch um den Erhalt einer internationalen Zwei-Klassen-Gesellschaft zu gehen. Carbon Trading würde politische Einflussnahmemöglichkeiten im Zusammenhang mit Klimaschutz stark beschneiden. Das wollen viele nicht.
Ist es dann nicht unrealistisch, dass sich die internationale Gemeinschaft auf ein solches System einigt?
Müller: Der Schlüssel liegt darin, den Staaten ihr Eigeninteresse klarzumachen. China beispielsweise
wäre mittlerweile zwar Nettozahler. Allerdings verbraucht es derzeit gegenüber Europa und den USA viermal so viel Energie, um beispielsweise 1 Million Dollar Bruttoinlandsprodukt zu erwirtschaften. Den Chinesen ist das Erfordernis eines Strukturwandels bewusst. Die Anreize durch Carbon Trading würden die chinesische Energieeffizienz verbessern. China könnte schnell zum Netto-Empfänger werden.
Wird das allein reichen, um ein Umdenken in der Klimapolitik zu bewirken?
Müller: Derzeit nein. Bei den Verhandlungen in Paris hat das Thema Carbon Trading kaum eine Rolle gespielt. Unter Experten herrscht Fatalismus. Viele stimmen mir zu, dass Emissionszertifikate die beste Lösung wären. Sie halten es jedoch auf Grundlage unserer demokratischen Entscheidungsstrukturen für nicht umsetzbar.
Wie könnte der große Wurf gelingen?
Müller: Zeitfenster dafür sind selten und kurz. Es geht nicht ohne einen bedeutenden Staatenlenker. Die letzte Gelegenheit war 2009, als Obama als frisch gekürter Friedensnobelpreisträger zu den Klimaverhandlungen nach Kopenhagen kam. Er war schlecht vorbereitet und dachte, es werde ausreichen, an den guten Willen zu appellieren. Die Verhandlungen floppten.
Das klingt nicht gerade ermutigend.
Müller: Letztlich ist dies eine Frage des Zeitgeists. Es wird noch zu sehr auf bottom-up gesetzt – also auf staatliche Einzelmaßnahmen und das grüne Gewissen des Einzelnen. Das ist alles wichtig. Aber ohne eine globale Top-down-Strategie kann das Problem Klimawandel nicht gelöst werden. Hier ist ein Umdenken erforderlich. Ich bin optimistisch, dass sich der Zeitgeist ändern kann. Aber richtig ist auch: Die Zeit drängt.
Dieser Artikel ist Teil unserer thematischen Suche nach Alternativen, um das 2-Grad-Limit einzuhalten. Der erste Beitrag zu wertlosen Kohle-, Gas- und Öl-Reserven ist am Montag (18.07.2016) erschienen.
Titelbild: Tomoaki INABA - CC BY-SA 3.0