Wenn die Wildnis zurück nach Europa kommt

Die Natur erholt sich (fast) von allein – wir müssen ihr nur den nötigen Raum geben. Ein neuer Bericht zeigt, welche ehemals bedrohten Tierarten bereits zurückgekehrt sind.

8. Oktober 2022  –  6 Minuten
Artikel anhören Gelesen von Torben Kessler

Nach der ersten Tagesetappe schmerzen die Beine, der ganze Körper ist erschöpft. Eigentlich will ich mich nur noch hinsetzen und zu Abend essen. Doch kurz bevor wir die Hütte erreichen, taucht er hinter einer Kurve plötzlich auf: ein Alpensteinbock, nur rund 20 Meter vom Wanderweg entfernt. Während mein Freund und ich abrupt stehen bleiben und ehrfürchtig auf seine spitzen Hörner blicken, setzt er seinen Weg über das Geröllfeld unbeeindruckt fort. Hier, in den Allgäuer Alpen auf rund 2.000 Metern Höhe, ist er im Gegensatz zu uns schließlich zu Hause.

Dass Wanderer mit wachsamen Augen und ein wenig Glück heute recht häufig Steinböcke in den Gebirgen Europas entdecken können, ist nicht selbstverständlich. Im Volksglauben galt der Steinbock lange als medizinisches Wundermittel. Durch die rücksichtslose Bejagung war er deshalb Anfang des 19. Jahrhunderts in Europa beinahe ausgerottet. Nur wenige Individuen im Nationalpark Gran Paradiso in Italien überlebten.

Gerade noch rechtzeitig zog der italienische König damals die Notbremse: Er führte strenge Jagdquoten ein und ließ die Tiere bewachen, um sie vor Wilderern zu schützen. Durch in anderen Gebieten . So haben sich die Bestände in den letzten 40 Jahren mehr als ver-4-facht. Über 53.000 Steinböcke leben heute insgesamt in Frankreich, Italien, der Schweiz, Österreich und Deutschland. Von der Liste der gefährdeten Tierarten ist der Steinbock längst verschwunden.