Klimaaktivist:innen greifen Kunst an? Genial!
Wir schlittern immer weiter in die Klimakatastrophe und ihr findet es übertrieben, wenn Gemälde zum Wachrütteln herhalten müssen? Ein anderer Blickwinkel.
Nun also Kartoffelbrei. Nachdem Aktivist:innen der britischen Gruppe
Beide Aktionen ernteten eine große Portion Häme und eine noch größere Portion Wut. Menschen empören sich in Kommentarspalten und in Gesprächen darüber, wie lächerlich, unverhältnismäßig und kindisch es sei, Essen zu verschwenden, um auf die größte(n) Krise(n) unserer Zeit
Nein. Der Klimaprotest geht im Gegenteil
Denn Fakt ist: Wir bewegen uns mit der Erderhitzung nach wie vor auf kritische
Gleichzeitig hat allein das Vereinigte Königreich erst Anfang Oktober
Wer nun fordert, Klimaaktivist:innen mögen doch bitte weniger »extreme« Protestformen wählen, dann würde man ihnen auch zuhören, verkennt: Es gab zahlreiche andere Proteste, die das bereits versucht haben und dies bis heute tun, die aber trotzdem nichts änderten.
- Immer mehr Wissenschaftler:innen, die mit ihrer Forschung die Fakten wieder und wieder belegt und Lösungsvorschläge vollumfänglich ausgearbeitet haben, schlagen inzwischen auch außerhalb der Universitäten Alarm und
- Seit 2019 gehen regelmäßig teilweise Tausende Menschen mit Fridays for Future auf die Straße. Lange mussten sie sich anhören, sie sollten aufhören, die Schule zu schwänzen. Mit Beharrlichkeit konnten sie einen gewissen Wandel im Bewusstsein der Bevölkerung auslösen. Doch ihr Einfluss scheint inzwischen
- Extinction Rebellion wurde vorgeworfen, sie würden nur der arbeitenden Bevölkerung schaden, wenn sie Straßen blockierten.
- Als ein Aktivist vor 2 Wochen einen
- Im April setzte sich ein Mann vor dem Obersten Gerichtshof in den USA selbst in Brand, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen,
Es gibt viele weitere Beispiele für verzweifelten Protest. Doch kaum etwas vermag uns noch aufzurütteln. Wir sind zu abgestumpft.
Ist gemalte Natur wichtiger als reale Natur?
Gerade deshalb sind die Aktionen mit der Tomatensuppe und dem Kartoffelbrei brillant.
Sie haben es geschafft, Emotionen zu erzeugen. Und das auf eine friedliche Art und Weise, bei der weder Menschen noch Gemälde Schaden genommen haben. Die Kosten, die verursacht wurden, sind marginal: Die Tomatensuppe wurde einfach mit einem Stück Küchenrolle vom Glas gewischt, der Rahmen kurz gereinigt. Dafür wird sehr viel Aufmerksamkeit auf die Klimakrise gelenkt. Inzwischen hat das Video aus der Nationalgalerie in London mehrere Millionen Aufrufe auf Twitter. Ökonomischer und nachhaltiger geht es fast nicht.
Die Aktion irritiert und macht wütend, weil im ersten Moment kein Zusammenhang zwischen der Klimakrise und einem Bild von Sonnenblumen ersichtlich ist. Doch die Aktivist:innen haben sich sehr wohl Gedanken über die
Die Aktion soll als Türöffner dienen, um beispielsweise über den Wahnsinn neuer fossiler Projekte zu sprechen und darüber, was stattdessen passieren muss. So argumentierten die beiden Aktivist:innen im Museum in Potsdam:
Wir sind in einer Klimakatastrophe. Und alles, wovor ihr Angst habt, sind Tomatensuppe oder Kartoffelbrei an einem Gemälde. Wisst ihr, wovor ich Angst habe? Davor, dass die Wissenschaft sagt, dass wir 2050 unsere Familien nicht werden ernähren können. Braucht es Kartoffelbrei auf einem Gemälde, damit ihr zuhört? Dieses Gemälde wird nichts mehr wert sein, wenn wir uns um Essen streiten müssen.
Die Reaktionen auf die Aktionen untermauern also genau den Standpunkt, den Stop Oil und die Letzte Generation vertreten. Bleibt die Frage, ob solche disruptiven Taktiken der Klimabewegung als Ganzes nun eher dienlich oder abträglich sind.
Vollständig beantworten lässt sie sich nicht, denn solche Effekte sind schwer messbar. Tatsächlich besagt der in verschiedenen Studien untersuchte
Es kann sein, dass in den kommenden Wochen und Monaten noch mehr Suppe auf Gemälden landet. Und wenn das öffentliche Interesse daran abnimmt, werden sich Klimaaktivist:innen neue Protestformen überlegen – so lange, bis die Klimaziele für eine lebenswerte Zukunft auch wirklich eingehalten werden. Man muss nicht jede dieser Aktionen gutheißen. Wer aber wirklich für Klimaschutz ist, nimmt sie zum Anlass, über den eigenen Einsatz nachzudenken. Tue ich selbst in meinem Alltag genug? Kann ich mich einer Gruppe anschließen, mit deren Methoden ich mehr übereinstimme?
Eine weitere Möglichkeit wäre es, sich als Lobbyist:in für Klimaschutz zu engagieren – also die Anliegen direkt an Bundestagsabgeordnete heranzutragen. Wie das genau funktioniert, beschreibe ich in diesem Artikel:
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily