Blutig, saftig, leidfrei: Diese Technologie befreit das Fleisch vom schlechten Gewissen
In Singapur kann man Hühnchen aus dem Bioreaktor bereits im Restaurant bestellen. Der Rest der Welt könnte bald folgen. Das könnte Milliarden Tieren Leid ersparen, das Klima schützen – und unsere Ernährung für immer verändern.
Ich sitze im Bauch des Wals und verdaue. Es ist weder dunkel noch feucht. Vielmehr hocke ich gemütlich im Trockenen unter der geschwungenen Konstruktion aus Glas und Stahl, die an das Skelett eines gigantischen Meeressäugers erinnert. In meinem Bauch brodeln Erbsen-, Soja- und Weizenproteine, die von findigen Lebensmittelingenieur:innen so verarbeitet wurden, dass sie annähernd so aussahen und schmeckten wie Schinkenwurst, Shrimps, Rinderfilet und Parmesan. Zumindest bevor sie in meinem Magen landeten. Ich verdaue also Fleisch, das keines ist, in einem Walfisch, der auch keiner ist.
Doch obwohl irgendwie alles Fake ist, herrscht eine handfeste Ran-an-die-Bouletten-Stimmung auf der »New Food Conference«, zu der der Verein Proveg International Ende September in Berlin geladen hat. Hier sollen all jene zusammenkommen und sich austauschen, die mitmischen in der noch jungen, aber rasant wachsenden Branche der Fleischalternativen. Start-up-Gründer:innen präsentieren ihre Bacon-Kreationen, mit denen sie Klima und Regenwälder retten wollen; Branchenanalyst:innen zitieren Zahlen, die zeigen, wie offen die Menschen für vegane Würstchen und wie gesund diese sind.
Das Axico Kongresszentrum liegt eingepfercht zwischen der US-amerikanischen Botschaft und dem Adlon-Hotel am Pariser Platz in Berlin, das Brandenburger Tor steht einen Frisbeewurf entfernt schräg gegenüber. Eine exklusive Adresse, die etwas über einen Teil der Häppchen verrät, die hier aufgetischt werden: Mit pflanzlichen Fleischersatzprodukten lässt sich bereits ordentlich Geld verdienen. Das Traditionsmetzgerunternehmen Rügenwalder Mühle etwa –
Doch es gibt auch den anderen Teil der Häppchen, über den hier viel gesprochen wird, von dem es aber nichts zu sehen und nichts zu probieren gibt. Und mit dem tatsächlich noch kein einziger Euro verdient wurde in Europa. Es geht um kultiviertes Fleisch. Echtes Fleisch also, das im Prinzip ohne Nutztiere auskommt und im Labor heranwächst statt im Stall oder auf der Weide.
Nach den pflanzlichen Fleischalternativen soll auch dieses »Laborfleisch« in den kommenden Jahrzehnten massentauglich werden und – wenn es nach den Start-up-Gründer:innen im Axico, Vereinen wie Proveg sowie Klima- und Tierschützer:innen auf der ganzen Welt geht – Stück für Stück echte Wurst aus der Theke verdrängen. Die
Was ist kultiviertes Fleisch?
Man könnte sagen: Fleischalternativen sind für die Ernährungswende das, was das E-Auto für die Verkehrswende ist. Eine technologische Lösung, die das Bestehende einfach in »grün« und nachhaltiger weiterführt. Die der breiten Masse keinen Verzicht abverlangt, keine Gewohnheiten infrage stellt. Und wie beim E-Auto liegt trotz aller bleibenden Kritikpunkte genau darin die Stärke der Fleischalternativen. Das Good Food Institute – eine spendenfinanzierte Nichtregierungsorganisation – hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Erforschung alternativer Proteine und ihre Verbreitung auf dem Markt zu fördern. Im
Uns wird mehr Fortschritt gelingen, indem wir die erste Wahl ändern, als wenn wir versuchen, die Meinung jeder einzelnen Person zu
Technologischer Fortschritt also anstelle von Appellen ans gute Gewissen und das Hoffen auf Einsicht. Um mich in der noch jungen Branche zu orientieren, spreche ich mit Ivo Rzegotta vom Good Food Institute (GFI), den ich auf der New Food Conference über einem Schälchen Kokosjoghurt kennenlerne und der mir später nochmals im Videocall Rede und Antwort steht. Rzegotta habe früher in der Luftverkehrsbranche gearbeitet, erzählt er mir. Vielleicht auch deshalb kann er sich gut mit diesem eher pragmatischen, an Technologie und Marktwirtschaft orientierten Ansatz zur Reduktion von Klima- und Umweltauswirkungen unserer Ernährung anfreunden.
Weil im Moment noch so viele unterschiedliche Begriffe für im Bioreaktor gewachsenes Fleisch kursieren – kultiviertes Fleisch, In-vitro-Fleisch, Clean Meat (Sauberes Fleisch) oder Laborfleisch –, will ich von ihm erst mal wissen, ob es in der Branche schon einen Favoriten gibt. Jeder Begriff habe Vor- und Nachteile, sagt er. »Manche sagen Clean Meat. Das ist zwar einfach, suggeriert aber, dass tierisches Fleisch schmutzig sei, und macht es schwierig, damit zu allen durchzudringen.« In-vitro- und Laborfleisch klingen nach einem künstlichen Produkt und sind irreführend, weil das Produkt später ja nicht mehr in einem Labor gefertigt werde, sondern in einem Tank, der eher mit dem Braukessel einer Brauerei vergleichbar ist. »Im Englischen setzt sich immer mehr der Begriff ›cultivated meat‹ durch, den wir auch für geeignet halten.« Auch im Deutschen haben verschiedene Studien gezeigt, dass der Begriff kultiviertes Fleisch am ehesten die vielfältigen Anforderungen an einen passenden Begriff erfüllt.
Glaubt man den Verheißungen der Start-ups, ist kultiviertes Fleisch tatsächlich eine vielversprechende Technologie. Doch ähnlich groß wie das Potenzial sind die Herausforderungen, die die Branche in den nächsten Jahren noch überwinden muss.
Zunächst hilft es, zu verstehen, wie das Fleisch kultiviert wird. Das geschieht in sogenannten Bioreaktoren, großen Edelstahlkesseln, worin Bedingungen herrschen, unter denen sich lebende Zellen richtig wohlfühlen. Im Falle von kultiviertem Fleisch sind das vor allem Muskel- und Fettzellen. Die Bedingungen ähneln denen, wie sie auch im Körper eines Lebewesens herrschen, etwa in einem Rind: Temperaturen von rund 37 Grad Celsius, dazu eine Nährstofflösung, in der Glucose als Energieträger sowie weitere Bauteile wie Proteine, Vitamine und andere Nährstoffe
In dieser Lösung wachsen nun Muskelzellen, die im Prinzip identisch sind mit dem Fleisch auf den Knochen einer Kuh, eines Schweines oder eines Huhns. Nur eben ohne das Tier, auf dem es reift. Der Prozess läuft in 2 Schritten ab:
- Zunächst vermehren sich die Stammzellen, also wenig ausdifferenzierte Zellen, die sich gut teilen und vermehren können, immer weiter und wachsen zu einer Biomasse heran.
- Ändern die Fleischzüchter dann die Chemie der Nährlösung auf eine bestimmte Art und Weise, senden sie den Zellen damit das Signal, mit der Teilung aufzuhören und sich stattdessen zu differenzieren, also sich von Stammzellen zu den entsprechenden Muskel- oder Fettzellen auszubilden, aus denen Fleisch besteht.
Nach 2–8 Wochen ist das Fleisch so zur Reife herangewachsen und kann geerntet werden.
Kultiviertes Fleisch ist (fast) tierfrei
Ein offensichtlicher Vorteil der Technik gegenüber der klassischen Fleischproduktion ist, dass sie fast ohne Tiere auskommt. Die ethischen Probleme aus der Massentierhaltung entfallen nahezu komplett. »Fast« und »nahezu«, da die Stammzellen, die am Beginn des Vermehrungsprozesses stehen, lebenden Tieren entnommen werden müssen.
Der niederländische Konzern Mosa Meat, das wohl größte Kult-Fleisch-Unternehmen Europas, gibt an, aus einer Zellprobe in der Größe eines Sesamkorns am Ende
Eine entscheidende Rolle spielt zudem die Nährstofflösung, worin sich das Zellfleisch vermehrt. Ähnlich wie bei vielen Anwendungen in der Pharmaindustrie kam hierfür lange Zeit sogenanntes Kälberserum zum Einsatz; eine Flüssigkeit, die den Herzen ungeborener Kälber entnommen wird. In diesem Serum sind Nährstoffe enthalten, mit denen sich Stammzellen optimal vermehren können. Dass es weder nachhaltig noch ethisch überlegen ist, mit solchem Kälberserum im großen Stil kultiviertes Fleisch herzustellen, liegt auf der Hand. Doch inzwischen geben mehrere Unternehmen glaubhaft an,
Wie umweltfreundlich ist kultiviertes Fleisch?
Wie groß die tatsächlichen Vorteile von kultiviertem Fleisch für Umwelt und Klima sein werden, wenn die Produktion in größerem Stil beginnt, hat das Good Food Institute vom unabhängigen niederländischen Forschungsinstitut CE Delft untersuchen lassen. In der
- Um möglichst realistische Ergebnisse zu erhalten, haben die Forscher:innen auf die Datengrundlagen verschiedener Unternehmen zurückgegriffen, die diese in der Laborpraxis bei der Produktion von kultiviertem Fleisch in den vergangenen Jahren gesammelt haben.
- Um die potenziellen Vorteile der Technologie darzustellen, haben die Macher:innen der Studie die Produktion von kultiviertem Fleisch mit der von Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch aus konventioneller Tierhaltung verglichen.
- Um Werte für einen industriellen Maßstab zu erhalten, haben sie dabei Bedingungen simuliert, wie sie voraussichtlich herrschen werden, wenn ein Unternehmen im Jahr 2030 10.000 Tonnen des Produkts herstellt.
- Industrielle Fleischproduktion wirkt sich problematisch auf zahlreiche Umweltfaktoren aus, unter anderem den Wasserverbrauch, die Landnutzung und Feinstaubemissionen. Um einen besseren Vergleich zu ermöglichen, fassen die Wissenschaftler:innen die Umweltauswirkungen in einer einzelnen Größe zusammen, die all diese Werte in sich
- Weil der Energieverbrauch von Bioreaktoren recht hoch ist, haben die Forscher:innen die Klima- und Umweltauswirkungen sowohl für komplett erneuerbaren Strom aus Wind-, Solar- und Wasserkraft als auch für einen Strommix mit mehr fossilen Energieträgern untersucht.
Im Ergebnis schlägt sich nieder, dass vor allem die Produktion von Rindfleisch
Was an dieser Stelle wichtig ist: Für die Emissionswerte und Umwelteinflüsse der konventionellen Fleischproduktion werden in der Studie deutliche Verbesserungen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu heute vorausgesetzt. Sollten diese Verbesserungen in der Land- und Viehwirtschaft nicht eintreten, wäre kultiviertes Fleisch mit erneuerbaren Energien »normalem« Fleisch in fast jedem Fall überlegen.
Es gibt einen dritten großen Vorteil neben ethischen und Umweltaspekten, den kultiviertes Fleisch gegenüber der Tierhaltung hat: Die Produktion kommt voraussichtlich fast ohne den Einsatz von Antibiotika aus, da es in den laborartigen Bedingungen deutlich einfacher ist, eine keimfreie Umgebung zu schaffen. Das dürfte die
Ob die Anlagen tatsächlich ganz ohne Antibiotika auskommen werden, wird wohl auch von deren Größe abhängen. Und da gibt es im Moment ganz unterschiedliche Ansätze. Das US-Start-up Eat Just etwa setzt voll auf Größe: In Singapur baut das kalifornische Unternehmen derzeit die weltweit größte Fabrik für ihren
Andere Start-ups sehen eher eine Chance darin, die Bioreaktoren in kleineren Einheiten dezentral verteilt zu betreiben. So könnte ein Supermarkt oder auch ein Wohnhaus eine eigene kleine Fleischfabrik haben, in der lokale Spezialitäten herangezüchtet werden und die Einnahmen ebenfalls mehr Menschen zugutekommen als in großen zentralen Anlagen. Ganz ähnlich wie bei der Energiewende.
Diese Hürden trennen das kultivierte Fleisch noch vom Massenmarkt
In der Frage, welches die größte Herausforderung für kultiviertes Fleisch auf dem Weg zum Massenmarkt darstellt, ist sich die Branche größtenteils einig: der Preis. Zeitgleich zur Umweltstudie gab das Good Food Institute beim Forschungsinstitut CE Delft ebenfalls eine
Im besten Szenario sehen die Macher:innen der Studie den Preis für ein Kilogramm kultiviertes Fleisch bis zum Jahr 2030 auf 6,43 US-Dollar fallen, womit es durchaus konkurrenzfähig zu herkömmlichem Fleisch wäre.
Die Prognosen zum Marktvolumen von kultiviertem Fleisch gehen weit auseinander. Wir rechnen damit, dass kultiviertes Fleisch in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts auf die Märkte kommt, dass es aber bis in die 2030er-Jahre dauern wird, bis kultiviertes Fleisch einen größeren Anteil am Gesamtmarkt erreichen wird. Aber wenn dieser Kipppunkt der Kostenparität einmal erreicht ist, dann kann es auch exponentiell wachsen und sehr, sehr schnell gehen.
Um diese Kostenreduktion zu erzielen, muss die Industrie laut der Studie vor allem an 4 Stellschrauben drehen:
- Die Produktionskosten und die Kosten für die Nährlösungen senken. Dabei hängt vieles von der Skalierung ab, also davon, dass die Kosten für eine bestimmte Menge mit Zunahme der Produktion automatisch fallen. Dieser Teil macht im Moment den mit Abstand größten Anteil der Kosten aus und wird folglich die größten Einsparungen erzielen.
- Die Investitionskosten müssten fallen, Investor:innen ihre typischen Renditeerwartungen senken.
- Die Preise für die Bioreaktoren und die zugehörige Technik müssten weiterhin fallen, was mit wachsendem Markt ebenfalls eintreten dürfte.
- Da die Energiekosten wiederum einen hohen Teil der Produktionskosten ausmachen, wirkt sich die günstige Verfügbarkeit von erneuerbarem Strom und Wärme auf den Preis des Endprodukts aus. Die Verbindung mit eigenen Erneuerbare-Energien-Anlagen könnte sich für Produzent:innen von kultiviertem Fleisch lohnen, glauben die Wissenschaftler:innen.
Nötig seien
Wenn Fleisch aus dem Labor künftig einmal so viel kosten sollte wie aus dem Stall – wofür würden sich Verbraucher:innen entscheiden? Laut Umfragen des Marktforschungsunternehmens Innova Market gibt es viele Indizien, die dafür sprechen, dass eine Mehrheit der Menschen kultiviertem Fleisch offen gegenübersteht. Schon heute konsumiert laut einer Umfrage jede:r dritte Befragte der 10–25-Jährigen täglich Fleischalternativen, derzeit also vor allem pflanzliche Ersatzprodukte.
Nach dem Preis gelten Gesundheit, Umweltfaktoren und Geschmack als die wichtigsten Faktoren für die Kaufentscheidung. Während die Alternativen bei der Umwelt meist deutlich besser abschneiden, geben sich bei Gesundheit und Geschmack derzeit noch differenziertere Bilder ab, wobei die Chancen gut stehen, dass die kultivierten Alternativen in einigen Jahren auch hier die Nase vorn haben.
Das liegt auch daran, dass die Kultivierung von tierischen Geweben nicht nur kultivierte Burger oder Schnitzel als neue Produkte ermöglicht, sondern vielmehr den Baukasten der Lebensmittelingenieur:innen um eine ganze neue Palette erweitert. »Kultiviertes Fleisch werden wir sehr wahrscheinlich am Anfang nicht in reiner Form erleben, sondern in Hybridproduken – zum Beispiel Fleisch auf pflanzlicher Basis mit kultiviertem Fett als Geschmacksträger«, sagt Ivo Rzegotta.
Das hat viele Vorteile: Pflanzliche Proteine sind günstiger, oftmals gesünder und in der Regel auch ökologisch überlegen. Doch daraus Fleisch nachzubasteln, kann zuweilen ziemlich schwierig sein. Gerade wenn es um kompliziertere Konsistenzen und Aromen geht als in Wurst oder Burgern. An dieser Stelle könnten zum Beispiel kultivierte Tierfette ein ansonsten pflanzliches Produkt ergänzen und für den typischen Geschmack und das vertraute Mundgefühl sorgen, das man vom echten Fleisch kennt. Ein Frühstücksspeck wäre denkbar, dessen Fleischkomponente etwa aus Weizen- oder Erbseneiweiß besteht, dessen weiße Speckschicht aber »echtes«, kultiviertes Schweinefett ist.
Gerade am Speck beißen sich die Veggie-Start-ups schon länger die Zähne aus. Einen neuen Anlauf startet das spanische Gründerteam von
Blick über den Tellerrand: Wo die Fleischrevolution beginnt
Wer bei Google »Cultured Chicken« eingibt, landet mit hoher Wahrscheinlichkeit bei Berichten und Nachrichten aus Singapur. Das liegt daran, dass sich das kleine asiatische Land in den letzten Jahren zum Reallabor für kultiviertes Fleisch entwickelt hat; bereits Ende 2020
Hier kannst du einer Journalistin dabei zusehen, wie sie die 50 US-Dollar teuren Chicken Nuggets probiert:
Dass sich die Regierung so schnell und so früh für Fleisch aus dem Reaktor geöffnet hat, liegt auch daran, dass der Stadtstaat Singapur derzeit einen Großteil seiner Lebensmittel importieren muss. Das soll sich ändern: Bis zum Jahr 2030 möchte das Land 30% seiner Lebensmittel selbst herstellen, um weniger abhängig von anderen Ländern und anfällig für Unterbrechungen in den Lieferketten zu sein. Kultiviertes Fleisch ist ein Puzzlestück des Vorhabens
In den USA hat das Unternehmen Upside Foods, in das unter anderem
Und in Europa? Hier könnten die Schweiz und Großbritannien die Pioniere sein, die zeitnah den nötigen Rahmen schaffen, in dem Unternehmen erste Erfahrungen sammeln können, wie ihre Kunden auf kultiviertes Fleisch reagieren. Doch warum ausgerechnet diese beiden Länder? Natürlich, sie sind nicht oder nicht mehr in der EU. Denn in der EU
Das ist also auch der Grund, warum auf der New Food Conference alle über kultiviertes Fleisch reden, es jedoch nichts davon zu essen gibt. Es ist nicht erlaubt! Doch einige Neuheiten, die es noch nicht in jedem Supermarkt zu kaufen gibt, dürfen wir trotzdem probieren – alles rein pflanzlich, versteht sich. Da wäre Parmesan aus Kartoffelstärke. Würzig schmeckt es, aber nach Käse? Interessant ist das »Rinderfilet« von
Doch natürlich wollen die Unternehmen, die kultiviertes Fleisch herstellen, gerne auch in Deutschland und der EU Fuß fassen. Dafür müssten Sie einen Zulassungsantrag für ihre Produkte stellen, »was jedoch teuer und aufwendig ist«, sagt mir Ivo Rzegotta. Die Unternehmen müssten dafür in der Regel Anwält:innen und Expert:innen einbeziehen und teure Gutachten in Auftrag geben. Zudem seien die Möglichkeiten, bei einem gestellten Antrag im Austausch mit der Zulassungsbehörde nachzujustieren, sehr begrenzt.
All das ist nötig, damit ein neues Lebensmittel zunächst von der EFSA, der »European Food Safety Authority«, begutachtet wird, die in erster Linie die Sicherheit des Produkts bewertet. Wenn das Produkt als sicher befunden wird, müssen auch Vertreter:innen der Mitgliedstaaten im sogenannten PAFF-Komitee zustimmen. Hier können auch andere Faktoren eine Rolle spielen: Von Seiten der italienischen und französischen Regierung waren bereits erste kritische Stimmen zu der Technik zu vernehmen, wohl eher aus kulturellen und traditionellen Beweggründen. Die Ampelkoalition hat in ihren
Wir stärken pflanzliche Alternativen und setzen uns für die Zulassung von Innovationen wie alternativen Proteinquellen und Fleischersatzprodukten in der EU ein.
Dass Deutschland bei diesen Fragen recht aufgeschlossen sei, »kann man auch bei pflanzenbasierten Produkten beobachten«, sagt Ivo Rzegotta. »Da waren die deutschen Verbraucher:innen immer offen, und Deutschland ist heute einer der weltweit größten Absatzmärkte für pflanzenbasierte Produkte. Frühere Regierungen haben pflanzenbasierte Optionen nicht gefördert, aber sie haben ihnen auch keine größeren Steine in den Weg gelegt – wenn man einmal davon absieht, dass pflanzliche Milchprodukte immer noch bei der Mehrwertsteuer benachteiligt werden.«
Im Moment sei in der EU noch kein Antragsverfahren im Gange, sagt Rzegotta. »Doch es gibt gegenwärtig eine ganze Reihe von Unternehmen, die sich darauf vorbereiten, Anträge bei der EFSA für den europäischen Markt einzureichen. Manche davon sind schon sehr weit, Mosa Meat aus den Niederlanden zum Beispiel, oder auch
Trotz des erfolgreichen Unternehmens Bluu Seafood und einer Handvoll von anderen Unternehmen in dem Bereich hinke Deutschland bei der Anzahl der Start-ups insgesamt eher hinterher, was auch an mangelnden Fördergeldern liege. Doch gerade in einem Bereich, der mit dem Markt für kultiviertes Fleisch künftig kräftig mitwachsen dürfte, wäre für deutsche Unternehmen künftig viel Geld zu verdienen; viele gut bezahlte Jobs seien denkbar. Es geht um den Maschinenbau. Deutsche Unternehmen wie Merck aus Darmstadt verdienen mit dem Bau von Bioreaktoren und Nährstofflösungen längst viel Geld, allerdings in der Pharmazeutik. Dass diese Sparte viele Gemeinsamkeiten mit der des kultivierten Fleisches hat, hat Merck längst bemerkt –
Dieser Artikel ist Teil unserer Serie
This project was funded by the European Journalism Centre, through the Solutions Journalism Accelerator. This fund is supported by the Bill & Melinda Gates Foundation.
Dieses Projekt wurde vom European Journalism Center im Rahmen des Solutions Journalism Accelerator gefördert. Die Förderung wird von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily