So schenkst du besser
Keine Angst, das ist nicht der 100. Geschenkratgeber. Stattdessen weißt du nach diesem Text, welcher Denkfehler dich (noch) daran hindert, besser zu schenken. (Artikel aus dem Jahr 2018)
Vor mir liegt ein in braunes Papier eingeschlagenes Geschenk. Ich fühle etwas Weiches und friemele vorfreudig am Geschenkband. Meine Schwester rutscht aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. Sekunden später probiere ich mit einem breiten Lächeln eine übergroße, hellblaue Jeansjacke an. Vor mehr als einem halben Jahr hatte ich meiner Schwester erzählt, dass ich gern so eine Jacke hätte. Als ich meinen Wunsch selbst schon lange vergessen hatte, stieß sie in einem Secondhandladen in Amsterdam auf genau so eine Jacke – und musste an mich und meinen Wunsch denken. Seitdem trage ich – sobald es die Temperaturen zulassen – nichts anderes und freue mich immer wieder darüber.
Schlechtes Gewissen oder Staubfänger: Ein Denkfehler ist schuld
Viele Geschenke sorgen für ein gequältes Lächeln, hinterlassen ein schlechtes Gewissen und enden als Staubfänger. Umfragen zeigen: Fast 50% aller US-Amerikaner tauschen mindestens
Andere zu beschenken, stellt uns oft gleich vor mehrere Dilemmata; es ist anstrengend, irritierend und führt im schlimmsten Fall zu verletzten Gefühlen. Der Jurist Rainer Erlinger, der unter der Kolumne »Die Gewissensfrage« im SZ-Magazin Leserfragen beantwortet,
Diesen praktischen und moralischen Zwickmühlen widmen sich mittlerweile auch Psychologen, die versuchen, das Schenken besser zu begreifen und so abzuleiten, wie wir zu besseren Schenkern werden. Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass wir in der Rolle des Schenkers häufig einem bestimmten
Das ist doch ein Wunschkonzert!
Die Studien zum Schenken zeigen, dass wir als Schenker unsere eigene Perspektive nur schwer verlassen können. Wir nehmen uns und das, was wir erreichen wollen, zu wichtig. Psychologen sprechen dabei von der
Als Schenker dreht sich alles um den Moment der Übergabe. Wir wollen begeistern, überraschen, besonders
Einen Wunsch zu erfüllen, ist doch bequem und vorhersehbar. Diese Überzeugung muss der Beschenkte nicht teilen, wie auch die Studienautoren feststellen: »Tatsächlich berichten Geschenkempfänger eher, dass Geschenke, die sie sich gewünscht haben,
Werden meine Wünsche erfüllt – ob explizit geäußert oder feinfühlig aus Gesprächen herausgehört –, fühle ich mich gesehen und wertgeschätzt. Es lohnt sich also, aktiv nachzufragen, was sich die Mutter wünscht (und was sie auf keinen Fall braucht) oder ihr zumindest immer mal wieder gut zuzuhören. Und selbst offen zu äußern, worüber wir uns freuen würden. Auch wenn die Überraschung dann vielleicht ganz ausbleibt, entsteht etwas anderes: Vorfreude.
Selbstlos schenken
Weil wir den Moment des Schenkens überbewerten und wieder uns selbst darin zu wichtig nehmen, stellen wir uns weniger vor, wie viel Freude das Geschenk dem Beschenkten später machen wird – wenn wir nicht immer dabei sind. Wie meine Freundin auf das Geschenk reagiert, erlebe ich live. Dass sie den Mixer jeden Tag benutzt, das Buch überhaupt nicht mehr aus der Hand legt oder dank der Laufschuhe wieder regelmäßiger joggen geht, kann ich nicht (so gut) sehen. Als Schenkende haben wir mehr vom spontanen Freudentaumel als von den stillen, kleinen Glücksmomenten, die das Geschenk im Alltag des anderen auslöst oder begleitet.
Hinzu kommt das menschliche, aber nicht ganz selbstlose Bedürfnis, das Schenken als Gelegenheit zur Selbstdarstellung zu nutzen: »So aufmerksam, kreativ, großzügig … bin ich! So nah sind wir uns.« Eine Studie kam zu dem Ergebnis, dass wohlmeinende Schenker unpassendere Geschenke für die Menschen auswählen, die ihnen am nächsten stehen. Ihr Bedürfnis, sich selbst und der besonderen Beziehung zum Beschenkten Ausdruck zu verleihen, übersteigt das Ziel,
Genau dieses Bedürfnis kann auch zur sogenannten Überindividualisierung führen. Die äußert sich dann zum Beispiel darin, dass wir auf keinen Fall Mama und Oma dieselben Kuschelpantoffeln schenken wollen. Das wäre ja einfallslos. Wir greifen also zu unterschiedlichen Geschenken, die »ganz gut« passen, statt zu den gleichen oder ähnlichen Geschenken, worüber sich beide
Aus der Sicht des Beschenkten steht der Moment des Schenkens viel weniger im Vordergrund. Ihm geht es primär um den langfristigen Nutzen und damit um eine Antwort auf die Frage: »Was werde ich aus dem Geschenk ziehen, jetzt, wo es mir gehört?« Ein gutes Geschenk macht immer wieder Freude, erleichtert oder verbessert ein Hobby bzw. die Arbeit oder verschönert ganz einfach den Alltag. Daran sollten wir als Schenker bei der Geschenkplanung denken, statt stundenlang darüber zu grübeln, was das Geschenk über uns aussagt.
Ich schenke dir ein Erlebnis!
Der gemeinsame Ausflug ins Museum, Konzertkarten oder ein Tag Kurzurlaub: Viele Schenker gehen davon aus, dass Erlebnisgeschenke mit mehr Mühe und Aufwand für den Beschenkten einhergehen. Schließlich muss der Saunagutschein ja (rechtzeitig) eingelöst, der gemeinsame Ausstellungsbesuch zeitlich miteinander abgestimmt, die Hinfahrt zum Konzert geplant werden. Und während die meisten Schenkenden annehmen, dass ein immaterielles Geschenk genauso viel Freude bereitet wie ein materielles, sieht das auf der Seite der Beschenkten ganz anders aus:
Wir können den »Erlebniswert« eines Geschenks betonen
Natürlich haben auch Gegenstände das Potenzial, uns schöne(re) Erfahrungen zu bescheren. So können wir durch ein bestimmtes
Zeit statt Zeug
Ob Zeitschriften-Abo, Gesellschaftsspiel oder Jeansjacke: Auch der
Weitere Informationen zu dieser Förderung findest du hier!
Titelbild: Kira auf der Heide - CC0 1.0