Warum 2017 Afrikas großes Jahr werden kann
Es braucht einen Marshall-Plan mit Afrika, um die großen Herausforderungen auf unserem Nachbarkontinent zu lösen. Die entscheidenden Weichen könnten noch dieses Jahr gestellt werden.
Stellen wir uns Marokko, Tunesien und Ägypten im Jahr 2050 als eine Region des Wohlstands und des Friedens vor, vergleichbar mit Teilen Europas auf der anderen Seite des Mittelmeers. Die meisten erwerbsfähigen Menschen in Nordafrika haben eine auskömmliche Arbeit, auch die junge Generation.
Die Staaten verfügen über ausreichend Energie, die zum Beispiel in Solarkraftwerken in der Sahara gewonnen wird, um künftige Industrie zu versorgen. Diese Energie hilft auch, mittels Entsalzung Wasser für die Landwirtschaft zu gewinnen. Nicht nur im Norden des afrikanischen Kontinents, auch an vielen anderen Orten in Afrika gibt es hoffnungsvolle Entwicklungen.
Das Solarkraftwerk Noor/Ouarzazate in Marokko (englisch)
Das klingt – angesichts der derzeitigen Lage des Kontinents und seiner vielen Probleme – utopisch? Ich bin überzeugt: Diese Vision ist möglich. Ein Marshall-Plan mit Afrika könnte die Weichen für eine solche Entwicklung stellen. Mehr noch: Vielleicht ist es die realistischste Chance für eine gedeihliche Zukunft. Das Ziel ist eine selbsttragende Entwicklung in Afrika – so wie in Asien.
»Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas.« – Bundespräsident a.D. Horst Köhler (2004)
Ich bin davon überzeugt, dass nur die Kräfte des Marktes und des Unternehmertums einen Kontinent
Ein Aufschwung Afrikas liegt in unserem Interesse
Stellen wir uns zum Vergleich eine andere Zukunft Afrikas als Verlängerung des Status quo vor. Wirtschaftliche und demographische Entwicklung laufen weiter auseinander. Jugendliche finden keine Jobs – der so genannte
Warum sollten die Afrikaner dann in ihrer Heimat bleiben – ohne Perspektive? Dabei reden wir nicht über einige Hunderttausende, sondern über hunderte Millionen Menschen.
In Afrika gibt es vielerorts
Können wir in dieser Situation tatenlos hinnehmen, was passiert? Spätestens seit der
Europa ist keine Insel wie Australien und kann sich mit derzeit 7% der Weltbevölkerung auf Dauer nicht einmauern, Deutschland mit 1% schon gar nicht. Und Afrika liegt direkt vor unserer Haustür. Aufgrund dieser gemeinsamen Interessen von Europa und Afrika argumentiere ich – wie viele andere auch – für die Idee des Marshall-Plans mit Afrika.
Regionale Unterschiede berücksichtigen
Das Ziel des Marshall-Plans ist eine Wohlstandsexplosion in Afrika. Nordafrika besitzt dabei als Brücke zwischen den »Welten« eine besondere Rolle, auch mit Blick auf die gemeinsame Historie mit Europa der letzten 2.000 Jahre. Diese Wohlstandsexplosion soll mit allen Nachhaltigkeitsanforderungen kompatibel gestaltet werden und damit den Beweis liefern, dass unser Wohlstandsmodell »liefern« kann, auch in Bezug auf die Agenda 2030 der Vereinten Nationen inklusive der
Die konkrete Politik in den 54 afrikanischen Staaten differiert allerdings erheblich. Wichtig ist daher: Die Pläne im Kontext des Marshall-Plans zielen nicht auf alle Staaten in Afrika, sondern nur auf solche, die bestimmte Anforderungen erfüllen, sich also zum Beispiel den Zielen von
»Die wichtigste Frage ist: Wie entstehen jedes Jahr 20 Millionen neue Jobs, um der Jugend eine Perspektive zu bieten, ohne dabei die Umwelt zu zerstören?« – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Die Forderung nach Good Governance bezieht sich dabei unter anderem auf das politische Grundsatzdokument
- (Relativ) gute Werte im sogenannten
- Die Einführung eines »Country-by-Country-Reportings«, das Auskunft über die Besteuerung großer Konzerne im jeweiligen Land gibt. So sollen langfristig höhere Steuereinnahmen gesichert werden.
Auch wenn Afrika – vor allem im Vergleich mit China – kein homogenes Umfeld bietet, hat der Kontinent den ein oder anderen Trumpf in der Tasche. Allen voran das gigantische
Eine gute Entwicklung in den afrikanischen Staaten hat viele Bedingungen. Genügend Finanzmittel ist eine davon: Wenn die Agenda bis 2030 umgesetzt werden soll, würden in den nächsten (etwa 10) Jahren jährlich zunächst
Wie funktioniert der Marshall-Plan mit Afrika?
Gelder sollten vor allem in 3 Bereiche fließen:
- Mit Blick auf unser Grundgesetz und unsere völkerrechtlichen Verpflichtungen (zum Beispiel aus der Genfer Flüchtlingskonvention) soll ein Ausbau unseres humanitären Programms für Flüchtlinge in Not gekoppelt werden mit einer gesteuerten Einwanderung zum Vorteil aller. Dies soll unabhängig von den Mitteln für den Marshall-Plan finanziert werden, da es sich um eine originäre staatliche Verpflichtung handelt.
- Etwa die Hälfte soll als Zuschuss an Sozialversicherungssysteme in Partnerländer gehen und dort helfen, die Bevölkerungsexplosion zu stoppen und
- Die andere Hälfte soll immer neue Projekte finanzieren und damit erst ermöglichen. Diese Investitionen sollen ein Vielfaches an privaten Investitionen nach sich ziehen, da Privatanleger ein geringeres Risiko haben, wenn die öffentliche Hand eine
Hinzu kommen Bildungsmaßnahmen,
Wo anfangen?
In den ersten Jahren ist vor allem die Förderung von Projekten sinnvoll, die die Versorgungs-Infrastruktur verbessern.
- Viel kostengünstige und umweltfreundliche Energie ist ein wichtiger Schlüssel für Entwicklung. Die riesige Sahara ist ideal dafür mit ihrer geringen Bevölkerungsdichte und
- Genauso wichtig ist eine Infrastruktur für Wasser. Dieses kann zum Teil durch klimaneutrale Wasserentsalzung gewonnen werden. Sowohl Grundwasser als auch Meerwasser sind dafür geeignet. Dieses
- Parallel dazu schafft die Aufforstung degradierter Böden vor allem in den Tropen Arbeitsplätze, die auch nach der Aufforstung bei der Nutzung der Rohstoffe erhalten bleiben. Neue Bäume im Umfeld von Regenwäldern dienen als Schutz dieser wichtigen Naturressourcen. Landwirtschaft (in Verbindung mit Humus-Anreicherung in Böden) und Aufforstung binden massiv CO2 aus der Atmosphäre und sind als
Nicht zuletzt muss ein Marshall-Plan mit Afrika mit einem Programm für Flüchtlinge in Not und einer gesteuerten Einwanderung gekoppelt werden. Afrika braucht eine neue, verantwortungsbewusste Elite. Ein breiter Austausch junger Menschen im Bildungsbereich und eine großzügige Visapraxis für junge Afrikaner, Wissenschaftler, Kulturschaffende, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten ist nicht nur hilfreich, sondern lohnt sich für alle Seiten. Geldüberweisungen durch Migranten in ihre Heimat sind in vielen Ländern eine der wichtigsten Elemente der
Es kommt Bewegung in die Afrika-Politik – und jeder kann beitragen
Keine Frage: Die Liste der Herausforderungen für Afrika – und uns – ist lang. Finanzzusagen über hunderte Milliarden Dollar, die detaillierte Festlegung geeigneter Förderungskriterien, der große Wurf bei Energieversorgung, Wasser- und Bodenaufbereitung und die Überwindung kultureller Schwierigkeiten – kurz: eine Jahrhundert-Aufgabe liegt vor uns.
»Und ein einziger Plan soll all dies richten?«, fragen Kritiker und verweisen darauf, dass das Konzept derzeit noch viel zu abstrakt und
Dennoch sprechen einige jüngere Entwicklungen dafür, dass auf zentralen Ebenen Bewegung in die Sache kommt:
- Die
- Das Thema Afrika hat außerdem einen hohen Stellenwert auf der
- Ein
- Der neue
Die Welt steht vor großen Herausforderungen. Erfolg und Zielerreichung sind, zum Beispiel bezüglich der Agenda 2030, nicht gesichert. Afrika und Europa befinden sich an einem entscheidenden Punkt der Zukunftsentwicklung. Es liegt im Interesse beider Seiten, zu einer klugen Form der Kooperation zu finden. Der vom Club of Rome und dem Senat der Wirtschaft vorgelegte und vom BMZ aufgegriffene Marshall-Plan mit Afrika hat das Potenzial, maßgeblich zu einer guten Zukunftsentwicklung beizutragen.
Noch ist der Marshall-Plan recht abstrakt. In diesem Jahr wird sich dies ändern – und jeder, der sich fachlich dazu berufen fühlt, kann laut BMZ beitragen:
Unsere afrikanischen Partner, alle Experten der Zivilgesellschaft – aus Wirtschaft, Wissenschaft, Medien, Kirchen und Verbänden – sowie aus den Politikfeldern, die gefordert sind zum Gelingen des Marshall-Plans beizutragen, sind eingeladen, im […] Afrikajahr 2017 die hier aufgezeigten Vorschläge und Lösungsansätze zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Wir werden dazu eine Vielzahl von Veranstaltungen anbieten und alle Interessierten zu einem Online-Dialog einladen.
Dieser Artikel bezieht sich auf eine Denkschrift für die Bundesregierung unter dem Titel
Hinweis: Professor Radermacher ist derzeit auf Reisen und wird sich daher zeitverzögert an der Diskussion beteiligen.
Titelbild: NASA - CC0 1.0