Warum wir Facebooks Masterplan nicht ins Netz gehen sollten
Mark Zuckerberg verspricht die schöne neue Netzwelt. Das steckt wirklich dahinter.
Stelle dir vor, du lebst in der Zukunft, genauer gesagt im Jahre 2022 in
Diese Zukunft ist durchaus möglich. Schließlich reden wir hier nicht von irgendeiner Firma, sondern von Facebook, einem der mächtigsten Unternehmen des Internets. Bereits heute vereint es knapp
Drehen wir die Uhr zurück auf letzte Woche. Dort fand Facebooks jährliche Entwicklerkonferenz
Phase 1: Alle Menschen sollen online sein
»Wir wollen den ganzen Planeten abdecken.« – Mark Zuckerberg, F8 2017
Das Zauberwort in Phase 1 heißt »Connectivity«. Und Facebook meint es ernst: Alle Menschen sollen die Chance auf einen Zugang zum Internet erhalten. Doch das ist gar nicht so einfach, denn vor allem in Entwicklungsländern hapert es bei der dafür notwendigen Infrastruktur. Selbst in Schwellenländern wie Indien haben nur etwa
Ist das nicht eine gute Absicht?
In der Theorie schon, doch es gibt Probleme. Um diese zu verdeutlichen, habe ich Facebooks Masterplan zusammen mit Julia Krüger von Netzpolitik.org analysiert. Die Sozialwissenschaftlerin und Netzaktivistin findet für die Drohnen ein paar deutliche Worte:
Facebook hätte mit seiner Vorstellung von Connectivity das Monopol über die Infrastruktur in den Regionen und auch über die Inhalte.
Anders formuliert: Wer als Einziger Internet in einem Winkel der Welt
Schreibt Facebook tatsächlich vor, was sich die Nutzer von »Free Basics« anschauen?
In der Tat. Im abgespeckten Internetangebot sind neben Facebook nur ausgewählte Firmen wie Wikipedia oder AccuWeather zugelassen. Dann heißt es: Die Angebote akzeptieren oder eben gar kein Internet haben – ein Dilemma, dem sich bereits heute die 40 Millionen Nutzer von »Free Basics« stellen müssen. Bereits heute beliefert Facebook Menschen zum Beispiel in Bolivien, Kenia oder dem Irak – allerdings noch nicht per Drohne, sondern
Nach heftiger Kritik von Netzaktivisten
Was bezweckt Facebook denn mit der Aktion?
Mark Zuckerberg versicherte, dass »Free Basics« vor allem dazu dient, Menschen den »Wert des Internets näherzubringen« und dass dieses ihr Leben bereichern kann. Doch Facebook dürfte es mit »Free Basics« auch und vor allem darum gehen, sich neuen potenziellen Mitgliedern als zentrale Internet-Plattform zu
Es ist hochproblematisch, wenn ein einzelnes Unternehmen mit so viel Macht im Bereich von Information, Meinung und Kommunikation nun auch noch Infrastruktur anbieten möchte.
Misstrauen und Vorsicht sind angebracht. Schließlich hat Facebook bisher kein Problem damit, das Angebot für den Nutzer undurchsichtig zu
Okay, zurück zu den Menschen ohne Netz. Wie sollen die denn ohne Facebook ins Internet kommen?
Zugegeben, Silicon Valley und die Wirtschaft sind schneller als die Politik. Doch gerade wenn es um die Infrastruktur geht, sollte der Staat der Anbieter sein – oder zumindest dafür sorgen, dass kein Monopol entsteht. Schließlich hat der Staat eine Verantwortung für den Bürger und kann politisch zur Rechenschaft gezogen werden. Statt also einem Tech-Unternehmen aus den USA einen Alleingang durchgehen zu lassen, sollten die betroffenen Menschen ihren Internetzugang besser demokratisch mitbestimmt gestalten. Wie das geht, zeigt Indien.
Phase 2: Off- und Online sollen verschmelzen
Geht es nach Mark Zuckerberg und seinen Kollegen bei Facebook, gibt es kaum noch Grenzen zwischen dem »echten Leben« und der virtuellen Realität. Dahinter steckt keine Science-Fiction, sondern ein tiefsitzender Technikglaube. Konkret setzt Facebook auf 2 technologische Entwicklungen:
- Künstliche Intelligenz (KI) meint
- Virtuelle Realität (VR) bezeichnet eine von Computern generierte Simulation oder Nachbildung der Realität. Diese nimmt der Leser über Endgeräte wie die Oculus
Klingt nach Zukunft. Und was will Facebook jetzt genau?
Virtuelle Realität und künstliche Intelligenz sind die Ziele. Als nächsten Schritt präsentierte Mark Zuckerberg auf der F8-Konferenz eine »Augmented Reality Plattform« für jedermann – ganz bequem durch das eigene Smartphone. Dabei wird das durch die Kamera aufgenommene Bild mit digitalen Elementen überblendet. Konkret könnten zum Beispiel Restaurant-Rezensionen direkt und automatisch über einem anvisierten Gebäude schweben, auf das man die Handykamera richtet, ohne dass man extra etwas suchen muss.
Klingt nützlich – oder gibt es dabei Probleme?
Die gibt es. In Mark Zuckerbergs Vision soll jeder Mensch alle Informationen mit jedem teilen können. Doch damit werden vor allem neue Möglichkeiten geschaffen, Daten zu sammeln – ganz im Sinne des Unternehmens Facebook. Schließlich brauchen VR- und AR-Dienste immer den eigenen Standort, um zu funktionieren, und müssen auch das Ziel im Bild erkennen. So lassen sich etwa Bewegungsprofile erstellen und (mithilfe von
Die Macht sind immer noch die Daten. Facebook befindet sich dabei auch im Wettstreit mit anderen Unternehmen wie Google und hat aktuell mit einigen Imageproblemen zu kämpfen.
Mit den aktuellen Imageproblemen ist ein pikanter Fall gemeint, der kurz vor der Entwicklerkonferenz passierte.
Hat Facebook etwas dazu auf der F8-Entwicklerkonferenz gesagt?
Mark Zuckerberg erwähnte den Vorfall des Mordvideos kurz. Er bestätige, dass Facebook »noch viel Arbeit vor sich« habe und »alles tun werde«, um solche Tragödien in Zukunft zu verhindern. Das wirkt zumindest nicht so, als würde das Unternehmen die Sache aussitzen wollen. Doch es war
Zuckerberg beschwört hier Marketingversprechen, um ein gutes Bild zu bieten und die Nutzeraktivität zu erhöhen. Die neuen Gadgets sind schließlich nicht für alle Nutzer interessant. Dabei sollte die Plattform lieber dazu beitragen, reale Probleme zu lösen.
Dabei muss Facebook nicht einmal das Internet verändern, allein auf der eigenen Plattform gibt es genug ungelöste Baustellen: Da wären etwa der
Zurück zu den Daten: Warum soll ich die denn nicht an Facebook geben?
Alles im Internet kostet etwas. Wer nicht mit Geld für einen Service zahlt, zahlt mit seinen Daten – die für Internet-Unternehmen viel wert sind. Wenn nun das Leben durch neue Gadgets noch digitaler wird und Facebooks Rolle als Anbieter dieser Gadgets zunimmt, dann kann das Unternehmen umso mehr Daten zusammentragen und abgleichen.
Die zentrale Frage ist: Wie viele Daten und wie viel Privatsphäre wollen wir für schwebende Restaurant-Rezensionen freiwillig hergeben? Mark Zuckerberg würde wohl wetten: eine ganze Menge. Und genau hier sollten wir es Facebook nicht allzu einfach machen. Unbesorgtheit ist eine schlechte Antwort auf den wachsenden Datenhunger von Unternehmen. Die Lösung heißt »Datenschutz«.
Phase 3: Facebook bastelt die Global Community
Ein wichtiger Teil des Lebens – vor allem Kommunikation – findet heute digital statt. Und genau da möchte Facebook als zentrale, virtuelle Heimat der Benutzer auftreten. Das ist nicht zu hoch gepokert:
Das Unternehmen Facebook agiert zunehmend als transnationale Organisation, die anfängt, mit verschiedenen Regierungen semi-formell zu interagieren.
Bei der engeren Kooperation geht es vor allem um Regulierungen und den
»Unser nächster großer Fokus ist es, eine Gemeinschaft zu erschaffen.« – Mark Zuckerberg, F8 2017
Was kann denn daran schlecht sein, Menschen zu verbinden?
Die Absicht ist weniger altruistisch, als es klingt. Zuerst einmal dürfte der Teil mit dem politischen Gegengewicht eine direkte Reaktion auf die Vorwürfe nach der Trump-Wahl sein. Im Oktober und November 2016 geriet Facebook in die Kritik,
Facebook entwickelt aktuell wie Google und Co. intensiv Algorithmen, um Content zu verwalten. Doch dabei lassen sie sich nicht in die Karten schauen.
Bis zum nächsten Whistleblower.
Also, was ist wirklich dran an der Global Community?
Mehr als man vielleicht vermutet, aber mit einem großen Haken: Bei der Global Community spielen alle Phasen von Facebooks Masterplan zusammen: Je mehr Menschen die Plattform nutzen (»Connectivity«) und je mehr Daten Facebook zur Verfügung stehen, desto mehr kann das Unternehmen auch als Infrastruktur auftreten und sogar einige Funktionen eines Staates ersetzen.
Nehmen wir etwa den Safety Check. Passiert ein Terroranschlag, kann man sich bei Facebook per Klick sicher
In einem
Die Bundesregierung stört sich daran wenig und scheint mit dem neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetz sogar gewillt zu sein,
Facebooks Global Community wäre also eine Diktatur?
Folgt man dem Bild also bis zum Schluss, ja. Die Algorithmen zur Content-Kontrolle sind Werkzeuge, über die sich jeder Diktator wohl freuen würde. Facebook muss nun aber keine Wahlen abhalten, schließlich hat das Unternehmen gar nicht vor, ein digitales Land zu gründen, sondern will eine universelle Infrastruktur
Global Community ist vor allem ein
Brauchen wir ein Gegengewicht zu Facebook?
Spätestens seit dieser F8-Entwicklerkonferenz sind 2 Dinge klar: Mark Zuckerberg plant, dass Facebook eine größere soziale Rolle im Leben der Nutzer spielt. Und zweitens: Das Ziel von Zuckerbergs Masterplan ist Unersetzbarkeit. Nehmen wir Ambitionen, Mitgliederzahlen, Wachstumsraten dazu, werden wir in Zukunft wohl kaum an Facebook vorbeikommen.
»Ich bin optimistisch, dass wir die Welt verändern können.« – Mark Zuckerberg, Entwicklerkonferenz F8 2017
Immerhin könnten aus Zuckerbergs Ausrichtung des Unternehmens tatsächlich etwas Gutes erwachsen: Er kündigte vollmundig an, »100-prozentige Verantwortung« für die eigene Rolle zu übernehmen. Falls Facebook damit die eigene Funktion als Medienunternehmen meint und endlich akzeptiert, wäre viel gewonnen.
Zuckerbergs restliche Lösungen sind aber unzureichend. Sie lauten schlicht: mehr Facebook. Um das Unternehmen zum Einlenken zu bewegen und in der Richtung zu beeinflussen, braucht es gerade jetzt beständige Kritik und eine harte Haltung – so wie in Indien. Dort scheiterte Facebooks Masterplan schon in Phase 1 an kritischen Aktivisten in ihrem Kampf gegen Konzerninteressen und für eine gute Netzpolitik.
Es tut Not, Facebook in die Verantwortung zu nehmen, aber in die richtige. Dazu gehört auch, Facebook nicht mehr entgegenzugehen und keine Verantwortlichkeiten mehr zu übertragen, bis akute Probleme geklärt sind – oder sich das Unternehmen zumindest gesprächsbereit zeigt. Für den einzelnen Nutzer ist es sicher auch nicht verkehrt, sich nach Alternativen umzusehen, damit Facebook erst mal nicht unersetzbar wird.
Titelbild: Facebook - copyright