Stell dir vor, aus dir wächst nach deinem Tod ein Baum
Eine neue Bestattungsmethode verwandelt Menschen in 40 Tagen in fruchtbaren Kompost. Jetzt kommt sie nach Deutschland.
Die Welt hat sich in den vergangenen 150 Jahren technisch, politisch und gesellschaftlich drastisch gewandelt: Elektrizität und Telefonie verbanden Menschen über weite Strecken; Frauen in fast allen Ländern der Welt haben sich das Wahlrecht erkämpft; es wurde möglich, über Kontinente hinweg und zum Mond zu fliegen. Heute essen, wohnen, arbeiten wir völlig anders als damals. Nur ein Bereich hat sich kaum verändert: der Tod. Oder vielmehr das, was mit uns passiert, nachdem wir gestorben sind. In Deutschland hat man seit 150 Jahren die Wahl zwischen einer Erdbestattung des kompletten Leichnams und einer
Diese beiden Arten haben sich lang bewährt, doch nun ist auch die Bestattungskultur im Wandel. Immer mehr Menschen wünschen sich ein schlichteres, individuelleres oder ästhetischeres Begräbnis, auch die
Bei dieser neuen Bestattungsform zersetzt sich der Körper einer verstorbenen Person in kontrollierter Umgebung, aber auf natürliche Art innerhalb von 40 Tagen zu fruchtbarem Humus – ein Prozess, der bei einer konventionellen Erdbestattung mehrere Jahrzehnte dauern kann. Gleichzeitig fallen im Vergleich zu einer Feuerbestattung kaum Treibhausgasemissionen an. Die Erde bindet im Gegenteil CO2 und dient dann als Nährstoff für neues Leben: zum Beispiel für Blumen oder einen Baum. So schließt sich der Kreislauf der Natur.
Die erste Reerdigung fand im Februar dieses Jahres im schleswig-holsteinischen Mölln statt. Nach Ablauf der 40 Tage wurde die neue Erde in einem Grab auf dem evangelischen Friedhof beigesetzt. Seitdem gab es 4 weitere Reerdigungen.
Verantwortung für nachfolgende Generationen – auch über den Tod hinaus
Dass sich Pablo Metz heute beruflich mit dem Tod auseinandersetzt, ist eher Zufall. Der Betriebswirt hat bereits mehrere Start-ups mit aufgebaut, unter anderem im IT-Bereich. Nachdem er sein letztes Projekt beendet hatte, stand er vor der Frage, was als Nächstes kommt. Seine Kinder meinten: »Mach doch mal was Vernünftiges!«, erzählt er im Videointerview. Für Metz bedeutete das: seinen Beitrag dazu zu leisten, dass weniger Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt, und den kommenden Generationen einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen.
Ein Gespräch mit seiner heute 99-jährigen Großmutter gab den weiteren nötigen Anstoß. Auf die Frage, ob sie sich Gedanken über ihre eigene Bestattung mache, antwortete sie, sie habe sich zwar entschieden – finde aber weder die Erd- noch die Feuerbestattung schön.
»Sie findet es nicht schön? Da haben gleich mehrere Alarmglocken bei mir geklingelt«, sagt Pablo Metz. »Das ist doch dramatisch. Die Entscheidung über die eigene Bestattung ist so ein emotionaler Moment und man sollte etwas finden, das sich schön anfühlt. Wie verrückt ist es, dass es nur 2 Wahlmöglichkeiten gibt – in einem Schritt im Leben, der uns alle irgendwann betrifft?« Gemeinsam mit Max Huesch, der studierter Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieur ist, machte er sich also auf die Suche, was man anders machen könnte.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland bislang tatsächlich nur diese beiden Möglichkeiten: Wer stirbt, kann sich entweder
Nach der Feuerbestattung gibt es allerdings verschiedene Optionen, was mit der Asche passieren soll. So kann die Urne ganz klassisch auf einem Friedhof in einer Urnenwand beigesetzt werden. Jedoch
Sowohl die Feuer- als auch die Erdbestattung können jeweils eigene Probleme mit sich bringen. Wenn du wissen möchtest, welche das sind, klicke hier.
Was passiert bei der »Reerdigung« mit dem Körper?
In den USA gibt es mit der gemeinnützigen
In Deutschland und Europa war das Thema bis vor Kurzem hingegen unbetretenes Terrain. Vor der ersten Reerdigung war deshalb viel Forschungs- und Pionierarbeit nötig. Er habe zahlreiche Paper zum Thema gelesen, sagt Pablo Metz. 2 Jahre lang entwickelte sein Unternehmen zusammen mit Wissenschaftler:innen ein eigenes Verfahren. Die Kosten sind ähnlich denen einer Feuerbestattung. Für die Reerdigung veranschlagt »Meine Erde« 2.100 Euro – dazu kommen wie bei einer Kremation weitere Kosten, unter anderem für die Trauerfeier und die Grabstelle.
Doch was passiert bei einer Reerdigung genau? Zunächst müssen ganz bestimmte Bedingungen erzeugt werden, damit der biologische Prozess der organischen Transformation – also der Umwandlung von organischem Material in Humus – optimal ablaufen kann. »Wenn du einen Menschen reerdigen möchtest, musst du sicherstellen, dass der Prozess wiederholbar, verlässlich, planbar, kontrollierbar ist«, sagt Metz. Mit einem ersten Prototyp reerdigten sie zunächst Schweine, die Fachhochschule Oberösterreich begleitete den Prozess wissenschaftlich und half ihn zu verbessern, bis schließlich alles so funktionierte, wie sie es sich vorgestellt hatten.
Metz erklärt die einzelnen Schritte einer Reerdigung:
- Die Einbettung: Die Reerdigung spielt sich in einem speziellen Sarg aus Metall ab. »Meine Erde« bezeichnet ihn als »Kokon«. Anders als Holzsärge ist er wiederverwendbar. In diesen Kokon wird der Körper der verstorbenen Person auf ein Substrat gebettet, das aus Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle besteht. Chemikalien, Insekten oder Ähnliches werden nicht zugesetzt. Außer den Mikroorganismen, die ohnehin auf und im Körper sowie in dem zugegebenen Substrat leben, ist laut Metz nichts weiter nötig. Wenn von den Angehörigen oder Freund:innen gewünscht, dürfen sie bei der Einbettung helfen und den Körper selbst mit dem Stroh oder Blumen bedecken. Dann wird der Sarg verschlossen und für 40 Tage nicht mehr geöffnet.
- Die Mikroorganismen: »Während wir leben, verstoffwechseln die Mikroorganismen unsere Nahrung. Nach dem Leben verstoffwechseln sie unseren Körper, wenn die Voraussetzungen stimmen«, sagt Pablo Metz. Zunächst heizen die sogenannten mesophilen Mikroorganismen das Innere des Kokons auf 40 Grad Celsius auf, die thermophilen später auf über 70 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen beginnt die Zersetzung des Leichnams auf molekularer Ebene. Die Organismen zerlegen Gewebe und kleinere Knochen in anorganisches Material, auch Krankheitserreger und Medikamentenrückstände bauen sie ab.
- Die Technik: Die Zersetzung an sich läuft ganz natürlich ab. Um bei jeder Reerdigung die optimalen äußeren Bedingungen zu garantieren, ist der Kokon allerdings mit allerlei Technik ausgestattet. Über Schläuche gelangt frischer Sauerstoff in den Sarg. Sensoren messen die Temperatur, den pH-Wert, die Feuchtigkeit. Damit sich kein Wasser am Boden des Sarges absetzt, ist er an einer Vorrichtung befestigt, die ihn über mehrere Stunden hinweg von einer Seite auf die andere schwenkt. »Das passiert ganz, ganz langsam. So wie ein Baby langsam gewiegt wird, wird man am Ende des Lebens wieder langsam gewiegt – pietätvoll und ohne die Totenruhe zu stören«, betont Metz.
- Das Verfeinern: Ob der Zersetzungsprozess abgeschlossen ist, erkennen die Mitarbeitenden von »Meine Erde« an den von den Sensoren gemessen Werten. Erst dann öffnen sie den Kokon und entnehmen die Erde. Durch das zugesetzte Substrat hat sie etwa das 1,5-fache Gewicht der verstorbenen Person. Bei einer 80 Kilogramm schweren Person sind also rund 100–120 Kilogramm neue Erde entstanden. Künstliche Hüftgelenke, Herzschrittmacher oder Ähnliches sortieren die Mitarbeiter:innen aus und recyceln sie. Größere Knochen wie Teile des Schädels, die sich nicht zersetzt haben, werden wie nach einer Einäscherung in einer Knochenmühle gemahlen und wieder unter die Erde gemischt.
- Die Bestattung: Im letzten Schritt schlagen die Mitarbeiter:innen die Erde in ein biologisch abbaubares Tuch aus Naturfasern und übergeben es an das Bestattungsunternehmen, das
Die neu entstandene Erde lässt sich nicht von Humus aus anderem organischen Material unterscheiden. »Es ist gute Erde. Aber sie ist weder besser noch schlechter«, erklärt Hannah Horten. Sie hat Umwelt- und Bodenwissenschaften in Helsinki studiert und arbeitet seit ungefähr einem halben Jahr bei »Meine Erde« in Berlin. Als sogenannte »Soil Scientist« überwacht sie den Prozess der Reerdigung und versucht, das Verhältnis von Körper zu Substrat weiter zu verbessern.
Kritiker:innen der neuen Bestattungsform stellen infrage,
Nach Rücksprache mit den Familien und dem örtlichen Gesundheitsamt ließ das Unternehmen nach einer der ersten Reerdigungen den neu gewonnenen Humus auf mögliche Schadstoffe untersuchen. Das Ergebnis: Bei allen potenziell gefährlichen Stoffen, darunter Quecksilber, Blei und Chrom,
Viel Zuspruch von Kirchen und Friedhöfen
Neben Hannah Horten gehören inzwischen rund 20 weitere Angestellte zum Team der beiden Gründer. Parallel zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung sind noch einige juristische und politische Fragen zu klären. So haben Pablo Metz und Max Huesch etwa ein Rechtsgutachten von einem in Deutschland führenden Friedhofs- und Bestattungsrechtler erstellen lassen. Sie haben mit den Kirchen gesprochen, dem Ethikrat, mit Bestattungsunternehmen und Friedhöfen.
Daraus habe sich ein gemeinsamer Interessenskreis aufgebaut: »Sie alle sagen, dass es eine wertvolle Alternative für die Menschen, aber auch für den Planeten ist. Damit sind wir auf die ersten Bundesländer zugegangen«, sagt Metz.
Denn genau hier liegt die derzeit größte Hürde für die Reerdigungen: in den 16 teils unterschiedlichen Bestattungsgesetzen der 16 Bundesländer. Zwar ist eine Reerdigung im Grunde genommen auch eine Erdbestattung, wird aber eben nirgends explizit als erlaubte Bestattungsform genannt. Sowohl
Schleswig-Holstein war das erste Bundesland, das sofort positiv auf das Vorhaben reagierte. Momentan können alle geplanten Reerdigungen nur dort stattfinden. Darum müssen Pablo Metz und sein Team die meisten Anfragen derzeit noch ablehnen. Doch andere Gemeinden haben bereits Interesse bekundet, darunter Aschersleben in Sachsen-Anhalt. Im kommenden Jahr ist außerdem eine Novellierung des dortigen Bestattungsgesetzes geplant – »Meine Erde« hofft, dass Reerdigungen darin aufgenommen werden. Wenn alles nach Plan läuft, möchte das Unternehmen dann eine große Anlage eröffnen, worin mehrere Kokons Platz finden.
Wir sind ganz am Anfang dieser Reise. Unser Auftrag ist, dass es die Alternative überall in Deutschland geben kann – egal ob wir der Anbieter sind oder irgendwann auch andere Unternehmen. Dafür kämpft dieses Team jeden Tag. Denn wir glauben, dass wir die Bestattungskultur im besten Sinn des Wortes nachhaltig verändern können.
Die Welt hat sich in den vergangenen 150 Jahren technisch, politisch und gesellschaftlich drastisch gewandelt: Elektrizität und Telefonie verbanden Menschen über weite Strecken; Frauen in fast allen Ländern der Welt haben sich das Wahlrecht erkämpft; es wurde möglich, über Kontinente hinweg und zum Mond zu fliegen. Heute essen, wohnen, arbeiten wir völlig anders als damals. Nur ein Bereich hat sich kaum verändert: der Tod. Oder vielmehr das, was mit uns passiert, nachdem wir gestorben sind. In Deutschland hat man seit 150 Jahren die Wahl zwischen einer Erdbestattung des kompletten Leichnams und einer
Diese beiden Arten haben sich lang bewährt, doch nun ist auch die Bestattungskultur im Wandel. Immer mehr Menschen wünschen sich ein schlichteres, individuelleres oder ästhetischeres Begräbnis, auch die
Bei dieser neuen Bestattungsform zersetzt sich der Körper einer verstorbenen Person in kontrollierter Umgebung, aber auf natürliche Art innerhalb von 40 Tagen zu fruchtbarem Humus – ein Prozess, der bei einer konventionellen Erdbestattung mehrere Jahrzehnte dauern kann. Gleichzeitig fallen im Vergleich zu einer Feuerbestattung kaum Treibhausgasemissionen an. Die Erde bindet im Gegenteil CO2 und dient dann als Nährstoff für neues Leben: zum Beispiel für Blumen oder einen Baum. So schließt sich der Kreislauf der Natur.
Die erste Reerdigung fand im Februar dieses Jahres im schleswig-holsteinischen Mölln statt. Nach Ablauf der 40 Tage wurde die neue Erde in einem Grab auf dem evangelischen Friedhof beigesetzt. Seitdem gab es 4 weitere Reerdigungen.
Verantwortung für nachfolgende Generationen – auch über den Tod hinaus
Dass sich Pablo Metz heute beruflich mit dem Tod auseinandersetzt, ist eher Zufall. Der Betriebswirt hat bereits mehrere Start-ups mit aufgebaut, unter anderem im IT-Bereich. Nachdem er sein letztes Projekt beendet hatte, stand er vor der Frage, was als Nächstes kommt. Seine Kinder meinten: »Mach doch mal was Vernünftiges!«, erzählt er im Videointerview. Für Metz bedeutete das: seinen Beitrag dazu zu leisten, dass weniger Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt, und den kommenden Generationen einen bewohnbaren Planeten zu hinterlassen.
Ein Gespräch mit seiner heute 99-jährigen Großmutter gab den weiteren nötigen Anstoß. Auf die Frage, ob sie sich Gedanken über ihre eigene Bestattung mache, antwortete sie, sie habe sich zwar entschieden – finde aber weder die Erd- noch die Feuerbestattung schön.
»Sie findet es nicht schön? Da haben gleich mehrere Alarmglocken bei mir geklingelt«, sagt Pablo Metz. »Das ist doch dramatisch. Die Entscheidung über die eigene Bestattung ist so ein emotionaler Moment und man sollte etwas finden, das sich schön anfühlt. Wie verrückt ist es, dass es nur 2 Wahlmöglichkeiten gibt – in einem Schritt im Leben, der uns alle irgendwann betrifft?« Gemeinsam mit Max Huesch, der studierter Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieur ist, machte er sich also auf die Suche, was man anders machen könnte.
Grundsätzlich gibt es in Deutschland bislang tatsächlich nur diese beiden Möglichkeiten: Wer stirbt, kann sich entweder
Nach der Feuerbestattung gibt es allerdings verschiedene Optionen, was mit der Asche passieren soll. So kann die Urne ganz klassisch auf einem Friedhof in einer Urnenwand beigesetzt werden. Jedoch
Sowohl die Feuer- als auch die Erdbestattung können jeweils eigene Probleme mit sich bringen:
Erdbestattungen
Eine:n Tote:n in rund 2 Metern Tiefe zu begraben, klingt zunächst sinnvoll: Ist die Erdschicht über dem Sargdeckel hoch genug, steigen keine Gerüche aus dem Grab auf und locken keine Aasfresser an.
Gleichzeitig läuft der Zersetzungsprozess hier aber deutlich langsamer ab. Unterhalb der Humusschicht gibt es wenig bis keinen Sauerstoff, die Zahl der Bakterien und anderen Lebewesen nimmt stark ab. Dadurch dauert die Verwesung je nach Bodenbeschaffenheit 15–40 Jahre,
Das führt dazu, dass in manchen Ländern wie
Bei der Entscheidung gegen eine Erdbestattung spielen häufig persönliche Gründe eine Rolle. Manche Menschen gruselt es bei dem Gedanken, dass sich auf dem eigenen – wenn auch toten – Körper Maden und Käfer tummeln. »Das ist vielleicht irrational, weil es nur noch um die äußere Hülle geht. Aber das Gefühl ist da und jedes Gefühl ist berechtigt«, meint Pablo Metz. Andere möchten ihren Hinterbliebenen die Zeit, Mühe und das Geld für die Grabpflege ersparen.
Nicht zuletzt sind die Kosten für die Bestattung an sich für viele ein entscheidender Faktor.
Feuerbestattungen
Dass das Sterbegeld im Zuge der Modernisierung der Krankenkassen weggefallen ist, hat vermutlich einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Zahl der Kremationen so stark gestiegen ist. Denn mit 3.000–8.000 Euro sind sie deutlich günstiger als eine Erdbestattung. Auch die Grabpflege entfällt.
Dafür haben Krematorien einen um ein Vielfaches höheren Energieverbrauch als Erdbestattungen und produzieren mehr CO2. Je nach Anlage werden
Was passiert bei der »Reerdigung« mit dem Körper?
In den USA gibt es mit der gemeinnützigen
In Deutschland und Europa war das Thema bis vor Kurzem hingegen unbetretenes Terrain. Vor der ersten Reerdigung war deshalb viel Forschungs- und Pionierarbeit nötig. Er habe zahlreiche Paper zum Thema gelesen, sagt Pablo Metz. 2 Jahre lang entwickelte sein Unternehmen zusammen mit Wissenschaftler:innen ein eigenes Verfahren. Die Kosten sind ähnlich denen einer Feuerbestattung. Für die Reerdigung veranschlagt »Meine Erde« 2.100 Euro – dazu kommen wie bei einer Kremation weitere Kosten, unter anderem für die Trauerfeier und die Grabstelle.
Doch was passiert bei einer Reerdigung genau? Zunächst müssen ganz bestimmte Bedingungen erzeugt werden, damit der biologische Prozess der organischen Transformation – also der Umwandlung von organischem Material in Humus – optimal ablaufen kann. »Wenn du einen Menschen reerdigen möchtest, musst du sicherstellen, dass der Prozess wiederholbar, verlässlich, planbar, kontrollierbar ist«, sagt Metz. Mit einem ersten Prototyp reerdigten sie zunächst Schweine, die Fachhochschule Oberösterreich begleitete den Prozess wissenschaftlich und half ihn zu verbessern, bis schließlich alles so funktionierte, wie sie es sich vorgestellt hatten.
Metz erklärt die einzelnen Schritte einer Reerdigung:
- Die Einbettung: Die Reerdigung spielt sich in einem speziellen Sarg aus Metall ab. »Meine Erde« bezeichnet ihn als »Kokon«. Anders als Holzsärge ist er wiederverwendbar. In diesen Kokon wird der Körper der verstorbenen Person auf ein Substrat gebettet, das aus Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle besteht. Chemikalien, Insekten oder Ähnliches werden nicht zugesetzt. Außer den Mikroorganismen, die ohnehin auf und im Körper sowie in dem zugegebenen Substrat leben, ist laut Metz nichts weiter nötig. Wenn von den Angehörigen oder Freund:innen gewünscht, dürfen sie bei der Einbettung helfen und den Körper selbst mit dem Stroh oder Blumen bedecken. Dann wird der Sarg verschlossen und für 40 Tage nicht mehr geöffnet.
- Die Mikroorganismen: »Während wir leben, verstoffwechseln die Mikroorganismen unsere Nahrung. Nach dem Leben verstoffwechseln sie unseren Körper, wenn die Voraussetzungen stimmen«, sagt Pablo Metz. Zunächst heizen die sogenannten mesophilen Mikroorganismen das Innere des Kokons auf 40 Grad Celsius auf, die thermophilen später auf über 70 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen beginnt die Zersetzung des Leichnams auf molekularer Ebene. Die Organismen zerlegen Gewebe und kleinere Knochen in anorganisches Material, auch Krankheitserreger und Medikamentenrückstände bauen sie ab.
- Die Technik: Die Zersetzung an sich läuft ganz natürlich ab. Um bei jeder Reerdigung die optimalen äußeren Bedingungen zu garantieren, ist der Kokon allerdings mit allerlei Technik ausgestattet. Über Schläuche gelangt frischer Sauerstoff in den Sarg. Sensoren messen die Temperatur, den pH-Wert, die Feuchtigkeit. Damit sich kein Wasser am Boden des Sarges absetzt, ist er an einer Vorrichtung befestigt, die ihn über mehrere Stunden hinweg von einer Seite auf die andere schwenkt. »Das passiert ganz, ganz langsam. So wie ein Baby langsam gewiegt wird, wird man am Ende des Lebens wieder langsam gewiegt – pietätvoll und ohne die Totenruhe zu stören«, betont Metz.
- Das Verfeinern: Ob der Zersetzungsprozess abgeschlossen ist, erkennen die Mitarbeitenden von »Meine Erde« an den von den Sensoren gemessen Werten. Erst dann öffnen sie den Kokon und entnehmen die Erde. Durch das zugesetzte Substrat hat sie etwa das 1,5-fache Gewicht der verstorbenen Person. Bei einer 80 Kilogramm schweren Person sind also rund 100–120 Kilogramm neue Erde entstanden. Künstliche Hüftgelenke, Herzschrittmacher oder Ähnliches sortieren die Mitarbeiter:innen aus und recyceln sie. Größere Knochen wie Teile des Schädels, die sich nicht zersetzt haben, werden wie nach einer Einäscherung in einer Knochenmühle gemahlen und wieder unter die Erde gemischt.
- Die Bestattung: Im letzten Schritt schlagen die Mitarbeiter:innen die Erde in ein biologisch abbaubares Tuch aus Naturfasern und übergeben es an das Bestattungsunternehmen, das
Die neu entstandene Erde lässt sich nicht von Humus aus anderem organischen Material unterscheiden. »Es ist gute Erde. Aber sie ist weder besser noch schlechter«, erklärt Hannah Horten. Sie hat Umwelt- und Bodenwissenschaften in Helsinki studiert und arbeitet seit ungefähr einem halben Jahr bei »Meine Erde« in Berlin. Als sogenannte »Soil Scientist« überwacht sie den Prozess der Reerdigung und versucht, das Verhältnis von Körper zu Substrat weiter zu verbessern.
Kritiker:innen der neuen Bestattungsform stellen infrage,
Nach Rücksprache mit den Familien und dem örtlichen Gesundheitsamt ließ das Unternehmen nach einer der ersten Reerdigungen den neu gewonnenen Humus auf mögliche Schadstoffe untersuchen. Das Ergebnis: Bei allen potenziell gefährlichen Stoffen, darunter Quecksilber, Blei und Chrom,
Viel Zuspruch von Kirchen und Friedhöfen
Neben Hannah Horten gehören inzwischen rund 20 weitere Angestellte zum Team der beiden Gründer. Parallel zur wissenschaftlichen Weiterentwicklung sind noch einige juristische und politische Fragen zu klären. So haben Pablo Metz und Max Huesch etwa ein Rechtsgutachten von einem in Deutschland führenden Friedhofs- und Bestattungsrechtler erstellen lassen. Sie haben mit den Kirchen gesprochen, dem Ethikrat, mit Bestattungsunternehmen und Friedhöfen.
Daraus habe sich ein gemeinsamer Interessenskreis aufgebaut: »Sie alle sagen, dass es eine wertvolle Alternative für die Menschen, aber auch für den Planeten ist. Damit sind wir auf die ersten Bundesländer zugegangen«, sagt Metz.
Denn genau hier liegt die derzeit größte Hürde für die Reerdigungen: in den 16 teils unterschiedlichen Bestattungsgesetzen der 16 Bundesländer. Zwar ist eine Reerdigung im Grunde genommen auch eine Erdbestattung, wird aber eben nirgends explizit als erlaubte Bestattungsform genannt. Sowohl
Schleswig-Holstein war das erste Bundesland, das sofort positiv auf das Vorhaben reagierte. Momentan können alle geplanten Reerdigungen nur dort stattfinden. Darum müssen Pablo Metz und sein Team die meisten Anfragen derzeit noch ablehnen. Doch andere Gemeinden haben bereits Interesse bekundet, darunter Aschersleben in Sachsen-Anhalt. Im kommenden Jahr ist außerdem eine Novellierung des dortigen Bestattungsgesetzes geplant – »Meine Erde« hofft, dass Reerdigungen darin aufgenommen werden. Wenn alles nach Plan läuft, möchte das Unternehmen dann eine große Anlage eröffnen, worin mehrere Kokons Platz finden.
Wir sind ganz am Anfang dieser Reise. Unser Auftrag ist, dass es die Alternative überall in Deutschland geben kann – egal ob wir der Anbieter sind oder irgendwann auch andere Unternehmen. Dafür kämpft dieses Team jeden Tag. Denn wir glauben, dass wir die Bestattungskultur im besten Sinn des Wortes nachhaltig verändern können.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily