So klappt der Dialog mit Populisten
Journalisten aus dem Ausland zeigen, wie es gehen kann: vorbereiten und cool bleiben.
Ein
Mehr als 2 Stunden dauert zum Beispiel
Der Journalist David Pujadas stellt beispielsweise eine Frage zu ihrer Beschäftigung einer Assistentin auf EU-Kosten, die laut der EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf vor allem auf nationaler Ebene für den Front National tätig war. Er vergleicht diesen Fall mit dem des republikanischen Präsidentschaftskandidaten François
Le Pens Reaktion ist ein Lehrstück des Populismus. Zunächst zaubert sie eine Verschwörungstheorie aus dem Hut und beschuldigt das Europäische Parlament, den Front National gezielt zu bekämpfen: »Die Wahrheit ist, dass sich das Europäische Parlament diese Affären, die weder Hand noch Fuß haben und auch keine Beweise, zunutze macht, um uns in unserem Mandat zu behindern. Warum? Weil wir die Europäische Union bekämpfen, und das erträgt es nicht.«
Als die Journalistin Léa Salamé auf den Vergleich zwischen Fillon und Le Pen zurückkommt und erwähnt, dass die FN-Spitzenkandidatin ihren Partner für 5.000 Euro brutto im Monat Halbzeit als Assistent beschäftigte, wählt Le Pen eine andere Taktik. Sie stellt sich als Vertreterin des Volkes dar, die Medien als ihre Gegner. »Im Gegensatz zu Ihnen unterscheiden die Franzosen durchaus zwischen Herrn Fillon und mir.« Auf weitere, detailliertere Nachfragen schließlich lenkt sie ab und das Gespräch in andere Bahnen: »Doch versuchen wir, zum eigentlichen Thema der Affäre Fillon zurückzukommen, das mir wesentlich wichtiger erscheint.«
Marine Le Pen, das muss man ihr lassen, beherrscht die Töne und Untertöne der populistischen Farbpalette meisterhaft und schafft es über weite Teile des Interviews, keine echte Kommunikation aufkommen zu lassen. Wie kann man unter diesen Bedingungen überhaupt mit jemandem sprechen? Ist ein Dialog möglich? Was können Journalisten tun, um damit umzugehen?
Warum fällt eine echte Diskussion so schwer?
Zunächst ist es wichtig, im Hinterkopf zu haben,
Die rechtspopulistische Argumentationsebene ist zumeist eine ganz andere als bei den Politikern anderer Parteien. Paula Diehl, die an der Universität Bielefeld »Theorie, Geschichte und Kultur des Politischen« lehrt und unter anderem zur politischen Kommunikation des Populismus forscht, erklärt das so:
Rechtspopulisten senken die Komplexität der Debatte. Sie steigern die Emotionalisierung, um die Defizite auf der rationalen Ebene zu kompensieren. Das macht es sehr schwierig, einen Dialog mit ihnen zu führen, weil man nur für oder gegen sie sein kann.
Populisten appellieren dabei gezielt an die Emotionen, insbesondere an Ressentiments und Vorurteile der Leser oder Zuschauer. Fakten dagegen stellen sie häufig falsch dar, ignorieren oder leugnen sie oder stempeln sie als Verschwörungstheorie des »Systems« ab. Der österreichische Fernsehjournalist Armin Wolf, stellvertretender Chefredakteur der TV-Information bei ORF, berichtet aus seiner langjährigen Erfahrung in Interviews mit der rechtspopulistischen FPÖ: »Wirklich neu bei den Populisten ist ihre Art, mit Fakten umzugehen.« Häufig zitiere er aus früheren Interviews oder Reden des Politikers und konfrontiere ihn mit Aussagen daraus, denen dieser nun widerspricht. »Die allermeisten Politiker würden diese Aussagen interpretieren, sich rechtfertigen. Aber FPÖ-Politiker sagen immer öfter einfach: Das stimmt nicht. Sie bestreiten die Fakten und behaupten, sie hätten das nie gesagt. Sie kalkulieren damit, dass ihr Publikum den Medien weniger vertraut als ihnen selbst und ihnen deshalb glaubt.«
Manchmal arbeiten Politiker mit
Journalistischer Eiertanz
In den letzten Jahren gab es in Deutschland immer wieder Diskussionen darüber, wie und ob überhaupt mit AfD-Politikern gesprochen werden
Es gab verschiedene Phasen. Als wir [den FN] normal behandelten, warf man uns vor, ihn zu verharmlosen. Wenn wir ihn zu häufig behandelten, sagte man uns, dass wir für ihn werben würden. Und wenn wir ihn schließlich zu selten behandelten, warf man uns vor, ihn zu unterschätzen. Niemals wird irgendjemand damit zufrieden sein, wie wir den Front National behandeln, egal was wir tun.
Neben der Frage nach dem »Wie viel?« stellt sich für die Journalisten in dieser Situation noch mehr als sonst die Frage nach der Neutralität. Rechtspopulisten provozieren auch bei Journalisten ein engagiertes, parteiisches Verhalten, wodurch es leicht zu einem Duell »Politiker gegen Journalist« kommt. Es gehört sogar zum populistischen Kalkül zu zeigen, dass die Journalisten Teil der »Elite« sind und damit zu den »Bösen« gehören. Wenn Journalisten sich provozieren lassen, kann das nur Wasser auf den Mühlen der Populisten sein – sie klagen oft genug über parteiische Journalisten. Zwar kann man nicht verallgemeinern, doch wie der französische Medienwissenschaftler Patrick Eveno von der Sorbonne beschreibt, steckt im Vorwurf der inhaltlichen Voreingenommenheit der Journalisten auch ein Fünkchen Wahrheit:
Besser vorsorgen
Wie können Journalisten dem begegnen? Wie können Falschaussagen entlarvt und dem Zuschauer das populistische Verhalten transparent gemacht werden?
»Der wichtigste Tipp lautet: Vorbereiten, vorbereiten, vorbereiten!« Seit populistische Gesprächspartner im Interview mit Armin Wolf regelmäßig Fakten bestreiten, rückt er mit einem dicken Stapel an Ausdrucken von Artikeln an. Auch Videos oder Tonaufnahmen liegen bereit, um im Ernstfall Beweise zur Hand zu haben. »Dafür muss man den nötigen Aufwand betreiben. Ich habe beispielsweise bei einem Interview mit dem FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer schon damit gerechnet, dass er bestimmte Aussagen aus einem Zeitungsinterview bestreiten würde. Also habe ich vorab mit der Zeitung gesprochen, angefragt, ob das Interview autorisiert worden war, und mir die Original-Tonaufnahmen besorgt«, so Wolf.
Immer mehr Medien bieten auch Faktenchecks an. Manche Websites haben es sich sogar ausschließlich zum Ziel gesetzt, die Fakten in Interviews oder Reden zu überprüfen. Ein prominentes amerikanisches Beispiel ist die Site
Bloß nicht aufregen!
Ein in deutschen Medien häufig als positives Beispiel genanntes Gespräch ist
»Größtmögliche Nüchternheit und Sachlichkeit«
ORF-Journalist Armin Wolf sieht das kritischer: »Ich fand das Interview als Zuschauer eher unangenehm. Petry war ausgesprochen höflich, ganz ruhig, sprach ausgezeichnetes Englisch. Man konnte durchaus Mitleid mit ihr bekommen oder das Gespräch als unfair empfinden. Ich finde, ein Interview muss sich in der Tonalität auch danach richten, wie der Politiker auftritt.« Doch auch er betont, wie wichtig es sei, ruhig und so neutral wie möglich zu bleiben: »Empörung hilft nicht! Es bringt niemanden weiter, wenn sich der Journalist selbst aufregt. Cool bleiben, nüchtern, sachlich.«
Diesen Ratschlag gibt er auch, um nicht in die Falle zu tappen und sich provozieren zu lassen. »Streitgespräche sind sehr schwierig, weil man sich als Journalist damit in eine politische Rolle drängen lässt. Der Journalist sollte versuchen, sich darauf nicht einzulassen. Das ist schwierig, weil man auch auf eine emotionale Ebene kommt. Meine Erfahrung hat mir gezeigt: Je nüchterner man bleibt, desto besser funktioniert es.«
»Wenn man sich verteidigt, kann man nur verlieren!«
Doch was, wenn der Journalist persönlich angegriffen wird? In Frankreich wie in Österreich gibt es zahlreiche Beispiele dafür.
»Es hilft den Populisten, wenn man etwas dramatisiert!«
Vergleicht man die deutsche AfD heute mit dem französischen FN oder der österreichischen FPÖ in den 1990er-Jahren, lassen sich Parallelen feststellen. Wolf blickt derzeit zuweilen kopfschüttelnd auf Deutschland: »Deutsche Medien machen die gleichen Fehler wie wir in Österreich vor 25 Jahren. Einer besteht darin, auf jede Provokation einzusteigen. Es hilft den Populisten, wenn man etwas dramatisiert!« Als Beispiel nennt er
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