Kiffen auf Kosten des Klimas? So herausfordernd wird die Legalisierung
Die Ampelregierung will Cannabis freigeben. Über die ökologischen Schwierigkeiten des Vorhabens wird wenig gesprochen. Hier schon.
Es ist kalt, windig, regnerisch. Sebastian Rießland aber ist guter Dinge. Herbst, das ist Erntezeit. Der 33-Jährige baut mit seinem Start-up Magu in Niederösterreich Bio-Hanf an. Auf einem kleinen Feld, ein gutes Stück nördlich der österreichischen Hauptstadt Wien, konnten seine Pflanzen in diesem Jahr viele Sonnenstunden genießen. »Das werden richtige Christbäume, manche werden 3 Meter hoch«, sagt Rießland.
Es ist Mitte September, in ein paar Tagen will er ernten. Viel Zeit lassen kann er sich nicht, das kalte und feuchte Wetter im mitteleuropäischen Herbst ist für die wertvollen Pflanzen gefährlich, im schlimmsten Fall könnten sie schimmeln oder faulen. Damit es nicht so weit kommt, fallen die Christbäume schon bald, werden kopfüber in einer Halle zum Trocknen aufgehängt und anschließend verarbeitet.
Aus dem Hanf, den Magu in Niederösterreich anbaut, entstehen
Magu baut den Hanf für die Produkte nicht nur auf dem Feld in Niederösterreich an, sondern auch in einer Produktionshalle in Wien. Im Gegensatz zu den widrigen Wetterbedingungen, womit die Pflanzen unter freiem Himmel zurechtkommen müssen, führen die Hanfpflanzen im Innenanbau ein behütetes Dasein. Kunstlicht, genau regulierte Belüftung und Bewässerung: Durch die standardisierten Wachstumsbedingungen entsteht ein standardisiertes Produkt in gleichbleibender Qualität.
»Der Nachteil von Innenanbau ist natürlich der große Energieaufwand«, erklärt Rießland. Damit seien hohe Kosten verbunden, besonders in diesen Zeiten. Der Anbau verbrauche auch viele andere Ressourcen: Lampen müssten gebaut, Töpfe produziert werden. Anders beim Outdoor-Anbau: »In der Natur ist schon alles da«, sagt Rießland. Und auch jenseits der Energie- und Ressourcenfrage habe der Outdoor-Anbau seine Vorzüge:
Eine Pflanze riecht ganz anders, wenn sie unter Kunstlicht angebaut wird als unter Sonnenlicht. Da passiert etwas anderes, man kann das nicht perfekt nachmachen.
Hanf sei für den Außenanbau prädestiniert, denn viele Sorten seien sehr widerstandsfähig, sodass ihnen auch Schädlinge, Krankheiten und Trockenheit wenig anhaben könnten, sagt Rießland.
Vielversprechende Nachrichten für alle, die auf die Legalisierung warten und auf ökologisches Cannabis hoffen? Das Eckpunktepapier der Bundesregierung zum Legalisierungsvorhaben betont, dass die »nationale Nachfrage« nach Cannabis aufgrund der internationalen Rahmenbedingungen wohl »durch Produktion in Deutschland«
Eine landwirtschaftliche Herausforderung
Ein Freund dieser Vorstellung ist offenbar der deutsche Landwirtschaftsminister. Cem Özdemir (Grüne) meinte schon Ende des vergangenen Jahres, viele deutsche Bäuerinnen und Bauern stünden bereits »in den Startlöchern, um Hanf anzubauen«.
Beim Deutschen Bauernverband klang das zuletzt etwas zurückhaltender. Dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken sieht bei passenden »rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen« in der Cannabislegalisierung eine mögliche »zusätzliche Marktnische für die Landwirte«. Und er verweist auf die Frage der Sicherheit der wertvollen Pflanzen. Man müsse sich »vermutlich ernsthaft Gedanken machen, wie wir den Aufwuchs auf den Feldern vor Übergriffen schützen«.
Auch der Bayerische Bauernverband (BBV) beschäftigte sich schon im letzten Jahr mit den recht spezifischen landwirtschaftlichen Anforderungen des Anbaus von THC-Hanf. Und auch dort thematisiert man Sicherheitsbedenken. Der Ackerbaureferent des BBV, Anton Huber, ist sich sicher, dass nach der Legalisierung der Zugang zu den Pflanzen eingeschränkt sein müsse. Er sagt: »Das gebietet zum einen schon der Jugendschutz, zum anderen stellt der Aufwuchs in der Blütezeit
Sebastian Rießland ist skeptisch, ob der Freilandanbau bei der deutschen Cannabislegalisierung eine größere Rolle spielen wird. Die Sicherheitsfrage sei das eine, die Komplexität des Anbaus das andere. Zwar sei Hanf eine robuste Pflanze, aber Wetter und Schädlinge brächten immer Unsicherheit in die Produktion.
Anders als beim Innenanbau sind die Umweltbedingungen auf dem Feld schlechter kontrollierbar, damit schwankt auch der Wirkstoffgehalt der Pflanzen. Als gewisses Problem entpuppt sich im Außenanbau auch der Fortpflanzungsdrang der Pflanzen: Wer möglichst THC- oder CBD-reiche Cannabisblüten ernten möchte, muss eine Windbestäubung der weiblichen Blüten durch die Männchen verhindern. Denn nur die unbestäubten Weibchen produzieren große Mengen der gewünschten Wirkstoffe.
»Wir setzen nur weibliche Pflanzen, gleichzeitig reden wir mit den Bauern rundherum«, erklärt Rießland. »Dass sie, wenn sie Nutzhanf anbauen wollen, es möglichst weit weg machen, oder zumindest nicht in die Hauptwindrichtung anpflanzen. Ganz verhindern kann man eine Bestäubung trotzdem nicht.«
Was Rießland sagt, weist auf ein wachsendes Problem für einen möglichen Outdoor-Anbau von THC-Hanf in Deutschland hin: Der Anbau von Nutzhanf nimmt stetig zu. Eine Bestäubung der weiblichen Blüten zu verhindern wird schwieriger.
Für unlösbar hält Sebastian Rießland die Schwierigkeiten, die mit dem Außenanbau von Hanf zur Produktion wirkstoffreicher Blüten verbunden sind, jedoch nicht. Auch mit der eigenen Ernte war man in diesem Jahr bei Magu wieder zufrieden, überdurchschnittlich sei sie gewesen. Rießlands Erwartungen aus den herbstlichen Septembertagen wurden nicht enttäuscht. Er ist sich sicher: Durch an das mitteleuropäische Klima angepasste Sorten, ökologischen Anbau und Absprache mit den Nutzhanf-Anbauer:innen sei auch in Deutschland eine gute Qualität machbar: »Es gibt definitiv Konsumenten, die die Outdoor-Blüte wollen. Wenn es erlaubt ist, wird es sie geben.«
Beim Deutschen Hanfverband (DHV) sieht man das ähnlich. Geschäftsführer Georg Wurth rechnet mit einer Nachfrage nach »Outdoor-Gras« – gerade weil dieses nicht ganz so stark sei wie vieles, was unter Kunstlicht gedeihe. Und er ergänzt: »Diese Wahl ist fast ein Muss für ökologisch orientierte Konsumenten. Denn der Energieverbrauch für den Anbau mit künstlicher Beleuchtung ist enorm. Gewächshäuser werden auch eine Alternative mit besserer CO2-Bilanz sein, aber die Ökobilanz von Outdoor-Anbau ist unschlagbar.«
Zweifel an der Qualität von THC-haltigem Outdoor-Hanf hat er keine. Cannabis werde seit Jahrtausenden im Freien angebaut und das gelte sicher immer noch für weit über 90% des auf der Welt konsumierten Cannabis. »Das hat offenbar gut genug funktioniert, um Hunderte Millionen Konsumenten zufriedenzustellen«, so Wurth.
Tatsächlich verschlingt der Anbau von »Indoor-Gras« enorme Mengen an Energie. Der
Wie stark wird der Rausch reguliert?
Gehört dem Außenanbau also trotz landwirtschaftlicher Herausforderungen die Zukunft? Die Skepsis bleibt, denn die schwankenden Umweltbedingungen unter freiem Himmel führen immer auch zu schwankenden Wirkstoffmengen in den einzelnen Hanfpflanzen. Jede Mulde im Ackerboden kann dazu führen, dass eine Pflanze anders wächst als ihre Nachbarin. So können sich die Pflanzen auf einem Feld deutlich voneinander unterscheiden und damit auch ihre Blüten und ihr Wirkstoffgehalt.
Bei einem streng regulierten, normierten Produkt ist das ein Problem – und wer das Eckpunktepapier der Bundesregierung liest, kann kaum einen Zweifel haben, dass das deutsche Freizeitcannabis ein solches Produkt sein wird.
Sebastian Rießland und Magu müssen bei ihrem österreichischen CBD-Gras, das sie quer durch Europa vertreiben, schon heute genau auf die strengen gesetzlichen Grenzwerte achten: Die CBD-Produkte dürfen kaum berauschendes THC enthalten. Auf eine chemische Nachbehandlung der Blüten, wie sie andere in der Branche vornehmen würden, verzichte Magu, so Rießland. Auch deshalb verarbeitet das Unternehmen die eigenen Outdoor-Blüten immer weiter.
Aus dem Indoor- und aus dem Outdoor-Anbau entstehen ganz unterschiedliche Produktgruppen. Aus dem Indoor-Anbau entstehen, weil er perfekt kontrolliert ist, die Blüten, die wir wirklich als Blüten so verkaufen. Weil wir durch die kontrollierten Bedingungen sicherstellen können, dass die Cannabinoid-Werte immer gleich sind.
Der Hanf aus dem Outdoor-Anbau werde dagegen zum Beispiel zu Tee oder zu CBD-Öl verarbeitet – eben weil die Bedingungen auf dem Feld weniger kontrollierbar seien. »Die Pflanze, die am Rand steht und mehr Wind ausgesetzt ist, hat zum Beispiel eine ganz andere Cannabinoid-Zusammensetzung als die, die mitten im Feld steht«, so Rießland. Wer bei jeder einzelnen Blüte Grenzwerte einhalten und exakte Wirkstoffmengen angeben muss oder will, braucht standardisierte Blüten – und die gibt es ohne chemische Nachbehandlung nur im Indoor-Anbau.
Vieles deutet darauf hin, dass die teils strengen Grenzwerte und Vorgaben, die heute für den CBD-Markt – und in noch weit extremerer Form für das deutsche medizinische Cannabis – gelten, auch für das THC-haltige Freizeitgras gelten
Georg Wurth vom DHV hält allerdings wenig davon, dass die strengen deutschen Anbauvorgaben für Medizinalcannabis für den Freizeitbereich einfach übernommen werden. Insbesondere etablierte Anbauer aus dem medizinischen Bereich würden versuchen, Zweifel an der Qualität beim Outdoor-Anbau zu streuen. »Sie sehen sich in einer guten Ausgangsposition auch für den Anbau als Genussmittel. Outdoor-Anbau würde ihr Alleinstellungsmerkmal untergraben: Expertise und Erfahrung im hoch technisierten Reinraumanbau unter Lampen«, sagt Wurth.
Solch extreme Bedingungen seien für den Anbau von Cannabis als Genussmittel aber völlig unsinnig. Das zeige schon »der Anbau von Tabak auf freiem Feld«. Hier mache sich ja auch niemand Sorgen um die Gesundheit der Konsument:innen – jedenfalls nicht wegen der Anbaumethode.
Ohne Prohibition wäre wahrscheinlich bis heute niemand auf die Idee gekommen, Hanf in Häusern komplett unter Kunstlicht anzubauen.
Was sagen die Medizinalcannabis-Hersteller zum Vorwurf, gegen den Außenanbau anzuarbeiten? Aurora Cannabis, eines der 3 Unternehmen, das in Deutschland Cannabis als Medizin produziert, betont auf Anfrage, dass das Unternehmen nie Zweifel an der Rolle des Outdoor-Anbaus gestreut habe. Man sei Wurth und dem Hanfverband »für das großartige langjährige Engagement sehr dankbar« und setze sich selbst dafür ein, »jede Anbauform für den Cannabisanbau in Deutschland in Betracht zu ziehen«. Das schließe den Outdoor-Anbau ein. Die anderen beiden deutschen Medizinalcannabis-Produzenten ließen entsprechende Anfragen unbeantwortet.
Selbst wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Cannabisblüten am Ende sehr streng ausfallen sollten, müsse das kein Ausschlusskriterium für den Außenanbau sein. Wurth erwartet einen »höheren Anteil an weiterverarbeiteten Produkten, insbesondere Haschisch« beim Cannabis vom
Im Bundeslandwirtschaftsministerium dürften Herausforderungen und Chancen des Außenanbaus längst bekannt sein. Im Eckpunktepapier der Bundesregierung jedenfalls taucht er nicht auf, dort heißt es nur: »Als zulässige Anbauformen kommen insbesondere Indoor-Anbau unter Kunstlicht als auch der Anbau in Gewächshäusern in Betracht, um eine angemessene Qualitätskontrolle sicherzustellen.«
Setzt sich Özdemir innerhalb der Bundesregierung noch für den Außenanbau ein? Sein Ministerium will sich dazu auf Nachfrage nicht äußern. Georg Wurth vom DHV sieht den Grünen Landwirtschaftsminister in der Pflicht, die umwelt- und klimafreundlichste Anbaumethode zumindest möglich zu machen. Für diesen Teil der Eckpunkte sei sein Haus verantwortlich.
In Wien wünscht Sebastian Rießland den Deutschen eine Legalisierung, die den Hanf unter der Sonne gedeihen lässt. Und er würde sich freuen, wenn auch der private Eigenanbau erlaubt wäre: »Das kann die Leute vielleicht wieder näher an Pflanzen heranbringen.« Sein Wunsch könnte sich erfüllen: Das Eckpunktepapier sieht den privaten Eigenanbau im kleinen Rahmen bereits vor.
Wie sehr der Hanfanbau am Ende aber reguliert sein wird, ob die Legalisierung vielleicht noch ganz scheitert: Das werden nicht nur
Redaktionelle Bearbeitung: Maria Stich
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily