Bist du erschöpft und funktionierst trotzdem weiter? Dann lies diesen Text
Das Burn-out ist bekannt – das Burn-on-Syndrom noch kaum. Auf welche Anzeichen Betroffene achten sollten und was helfen kann.
Ein gut bezahlter Job im mittleren Management, eine kleine Familie, ein Eigenheim: Eigentlich hat
Und trotzdem sitzt Meier eines Tages dem Psychologen Timo Schiele und dem Psychiater Bert te Wildt in ihrer psychosomatischen Klinik gegenüber. Als sie Meier aufnehmen, ist er erschöpft, sagt, dass er nicht mehr könne und nichts mehr gut sei. »Im Außen performe ich immer noch«, erzählt er Schiele und te Wildt. Er erledigt seine Aufgaben bei der Arbeit, wird von seinem Umfeld als jemand wahrgenommen, der zu 100% bei der Sache ist.
Doch im Inneren, so erzählt er es in der Klinik, sehe das ganz anders aus. Dinge, die ihm immer Freude bereitet hätten, lösten plötzlich nichts mehr in ihm aus. Sein Leben, berichtet Meier, fühle sich an wie ein einziges Schauspiel. Er habe das Gefühl, niemandem mehr richtig gerecht zu werden, weder dem Job noch Familie und Freund:innen.
Obwohl er sich überfordert fühlt, funktioniert Meier weiter. Sein Arbeitgeber merkt nichts von seinen Problemen, wohl aber seine Partnerin. Als seine Ehe in Gefahr gerät, sucht sich Meier Hilfe – und landet schließlich mit der Diagnose Erschöpfungsdepression bei Schiele und te Wildt. Die beiden beschreiben Meiers Fall in ihrem Buch »Burn On: Immer kurz vorm Burn Out«, worin sie erstmals ein Wort dafür finden, was laut ihnen immer mehr Menschen betrifft:
»Burn-on« – das habe ich auch! Oder?
Als ich in der Redaktion vom Burn-on-Syndrom berichte, können sich einige Kolleg:innen direkt mit dem Begriff identifizieren – ohne im Detail zu wissen, worum es geht. Auch Meiers Geschichte kennen sie da noch nicht. »Burn On«, das klingt zunächst nach »für etwas brennen«. Eine Formulierung, die bei uns in der Redaktion hin und wieder fällt und die für die meisten eine positive Bedeutung hat.
Schiele und te Wildt sehen das Burn-on-Syndrom jedoch nicht als eine positive Form der Verausgabung, sondern als einen Risikozustand, eine Form chronischen Stresses, der uns dazu treibt, immer weiterzumachen. Im Ernstfall kann dieses Verhalten in einer Erschöpfungsdepression münden – wie bei Meier.
Doch wie erkenne ich die Warnzeichen für eine solche Überlastung? Und kann eine Diagnose wie »Burn-on-Syndrom« Betroffenen helfen?
Burn-on ist keine offizielle Krankheit – trotzdem sollten wir darüber sprechen
Schiele und te Wildt definieren das Burn-on-Syndrom als einen Zustand permanenter Spannung, vergleichbar mit einem Spagat über einem Abgrund. »Beim Burn-on ist unser Verhalten geprägt davon, dass wir gleichzeitig hyperaktiv sind und uns wie gelähmt fühlen bei Handlungen im beruflichen wie privaten Alltag«, schreiben die beiden.
Der eiserne Wille, der uns in diese Situation gebracht hat, lässt uns weiter an dem Gedanken festhalten, dass wir das schon noch schaffen werden. Und auf der affektiven, also unsere Gefühle betreffenden Ebene zeigt sich ein Widerstreit zwischen verbissenem Optimismus und matter Freudlosigkeit. Um im Bild zu bleiben: Während wir weiter schmerzverzerrt zu lächeln versuchen, steht der gequälte und ermüdete Körper bereits kurz vor der Kapitulation.
Aus dieser paradoxen Situation können Betroffene nur schwer ausbrechen. Das macht das Beispiel einer Patientin – nennen wir sie
In der Therapie stellte sich heraus, dass Müller ihre gesamte Energie in ihre Arbeit steckte – sich jedoch danach sehnte, Zeit mit den Menschen zu verbringen, die ihr wichtig sind. Nach ihrer Entlassung aus der Klinik schaffte es Müller nicht, diesen Wunsch umzusetzen: Stattdessen erlitt sie kurz nach ihrem Wiedereinstieg in ihren – nach wie vor arbeitsintensiven – Alltag einen Schlaganfall.
Für Müller nur eine weitere Aufgabe, die es zu überwinden galt: 4 Wochen später absolvierte sie bereits eine Radtour mit dem Rennrad von über 120 Kilometer Distanz. Die Freundin, die sie den Therapiegesprächen zufolge besonders vermisste, hatte sie aber noch immer nicht besucht. »Wer jahrzehntelang so mit sich umgeht, wie es die beschriebene Patientin tat, braucht in der Regel eine längere Behandlung, damit der radikale Schritt gelingt, den Selbstbetrug zu überwinden und Selbstfürsorge walten zu lassen«, schreiben Schiele und te Wildt. Der erste Therapieversuch war gescheitert.
Der Unterschied zwischen Burn-on und Burn-out
Das Beispiel von Müller zeigt, wie sich Menschen im Burn-on dazu treiben, immer weiterzumachen – selbst wenn die körperlichen Konsequenzen schon spürbar sind. Das ist der zentrale Unterschied zum Burn-out-Syndrom, das eher dazu führt, dass sich Betroffene energielos zurückziehen. »Während Menschen mit Burn-out sich nach Ruhe sehnen, haben Burn-on-Betroffene Probleme damit, herunterzufahren und zur Ruhe zu kommen, sie können Pausen kaum aushalten und können nichts mit sich selbst anfangen«, sagt mir Schiele im Interview.
Es gibt aber noch einen weiteren Unterschied zwischen Burn-out und Burn-on: Während das Burn-out-Syndrom nach jahrelanger Diskussion mittlerweile in der aktuellen Version der »Internationalen Klassifikation der Krankheiten«,
Wie sinnvoll ist es da, sich mit einem solchen Begriff zu beschäftigen? Über diese Frage spreche ich mit Stressforscherin Hannah Schade. Sie forscht und arbeitet am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund.
»Tatsächlich finde ich es total sinnvoll, über das Burn-on-Syndrom zu sprechen«, sagt Schade. Sie kannte den Begriff vor meiner Anfrage nicht, hat sich für unser Gespräch ins Thema eingelesen und sieht eine Burn-on-Diagnose als Möglichkeit, noch spezifischer auf die Beschwerden Betroffener einzugehen. Vielen Menschen könne es dabei helfen, ihre Probleme ernst zu nehmen, wenn sie einen Namen für das hätten, was sie belaste.
»Ich finde es gut, die Aufmerksamkeit auf dieses Phänomen zu lenken und klarzumachen: Du kannst schon ein Problem haben, auch wenn du noch funktionierst. Es kann schon etwas im Argen liegen, auch wenn du deinen Job noch erfüllst«, erklärt die Sozialpsychologin. Die Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss, kommt Betroffenen oftmals erst, wenn es schon fast zu spät ist. Etwa dann, wenn ein gesundheitlicher Schicksalsschlag – möglicherweise sogar ausgelöst durch die Überlastung – sie dazu zwingt, einen Schritt zurückzutreten.
So war es im Fall des Psychotherapeuten
Schiele und te Wildt hoffen, Fällen wie die von Schneider mit ihrer Arbeit vorbeugen zu können. »Wenn es Menschen dazu ermutigt zu sagen: Ich muss nicht erst schwer oder diagnostiziert depressiv sein, bevor ich mich um mich kümmere, um meine psychische, aber auch meine körperliche Gesundheit, dann wäre das ein großer Erfolg«, sagt Schiele.
Ein »sozial erwünschtes« Leiden
Geschichten wie die von Julian Meier, Lena Müller und Martin Schneider haben gemeinsam, dass sich alle Betroffenen völlig für ihren Job verausgabt haben. Dabei war es in jedem der Fälle die »Erwerbsarbeit«, die sie krank gemacht hat. Doch was ist mit Menschen, die sich überlasten, ohne dafür bezahlt zu werden?
Gesellschaftlich scheint es anerkannter, sich für ein vermeintlich höheres Gut wie die Arbeit aufzuopfern. Das zeigen die Erkenntnisse aus der Erforschung des Burn-out-Syndroms, das die WHO sogar explizit als Leiden definiert,
Die Fokussierung auf Erwerbsarbeit wird dem Alltag vieler betroffener Menschen nicht gerecht. Unbezahlte Arbeit, Pflege, Care-Arbeit hat genauso, an manchen Stellen sogar viel mehr das Potenzial, die Menschen zu überlasten.
Auswertungen verschiedener Krankenkassen zeigen, dass die Belastung von Frauen in den letzten Coronajahren besonders stark zugenommen hat. Besonders sie waren es, die während Schul- und Kitaschließungen
Das richtet chronischer Stress im Köper an
Ein zentraler Auslöser des Burn-on-Syndroms ist Stress, der über eine lange Zeit anhält. Dieser Stress entsteht dann, wenn wir das Gefühl haben, dass wir mehr leisten müssen, als wir schaffen können. Auf Dauer macht dieser Zustand ständiger Anspannung krank.
Dabei ist Stress an sich ein durchaus sinnvolles Produkt der Evolution. Akuter Stress bereitet uns auf Situationen vor, worin es um unser Überleben geht. Alle Ressourcen unseres Körpers werden darauf eingestellt, dass wir entweder flüchten oder kämpfen müssen.
In solchen Situationen schüttet unser Organismus verschiedene Hormone aus: Adrenalin und Cortisol zum Beispiel. Die Durchblutung wird angeregt, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt. Mehr Blut fließt in unsere Muskeln, weniger in die Haut, die Gerinnungsfähigkeit des Blutes erhöht sich – unser Körper macht sich für mögliche Verletzungen bereit. Im Ernstfall kann diese Reaktion unseres Körpers unser Leben retten. Bei einem Autounfall oder Überfall beispielsweise.
Das Problem: Das körpereigene Alarmsystem sieht nicht immer einen Unterschied zwischen Deadlines, unbeantworteten E-Mails und wirklich lebensbedrohlichen Situationen, worin eine extreme Stressreaktion sinnvoll wäre.
Die andauernde Alarmbereitschaft hat Folgen. Das Immunsystem überlastet, wir werden häufiger krank. Die Muskeln verspannen sich, Autoimmunerkrankungen werden begünstigt, ebenso Magengeschwüre, Gefäß- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. »Auch das Lernen wird schwieriger, Stress macht das Gehirn weniger plastisch«, sagt Schade, die mir die möglichen Folgen von Stress ausführlich erklärt.
Man kann sehen, wie der Hippocampus beschädigt wird. Es wird schwieriger, neue Erinnerungen zu formen und Erinnerungen abzurufen. Auch Alterungsprozesse werden beschleunigt.
Im Ernstfall können schwere Erkrankungen die Folge sein, wie Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine Erschöpfungsdepression. Damit uns die körperlichen und psychischen Folgen von chronischem Stress nicht dauerhaft schaden, gibt es Möglichkeiten gegenzusteuern – solange wir das Problem rechtzeitig erkennen und ernst nehmen. Die Beispiele aus der Arbeit von Schiele und te Wildt zeigen, dass das besonders im Burn-on-Zustand eine Herausforderung sein kann. Wie merke ich, ob ich ein Problem habe?
Haben wir alle zu viel Stress?
Wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, gibt es wenige Menschen, von denen ich sagen würde, dass sie gar keinen Stress haben, und noch weniger Menschen, die das von sich selbst behaupten würden. In einer Befragung der Techniker Krankenkasse im Jahr 2021
»Man kann nicht sagen: Nur weil es viele Leute betrifft, ist es kein Problem oder gar normal«, sagt Schade. Natürlich gebe es Menschen, die gut mit stressigen Situationen zurechtkämen. Die zwar viel zu tun hätten, aber trotzdem geringe Stresslevel aufwiesen. Doch das Gesamtbild zeigt, dass immer mehr Menschen überlasten. »Wir sehen, dass psychische Erkrankungen, die Diagnosen und die Fehltage diesbezüglich kontinuierlich und teilweise rasant steigen«, sagt die Sozialpsychologin.
Laut einem Bericht der DAK, für den die Krankenversicherung die Daten von 2,4 Millionen Arbeitnehmer:innen auswertete,
Die steigenden Zahlen liegen zum Teil daran, dass mehr Menschen ihre psychischen Probleme endlich ernst nehmen und sich Hilfe suchen. Eine positive Entwicklung. Doch nach wie vor intervenieren viele Betroffene erst dann, wenn es bereits zu spät ist und sie schwer erkranken.
So merkst du, dass du ein Problem hast
Doch wie finde ich den richtigen Zeitpunkt, um gegenzusteuern? »Das erste Kriterium ist immer der Leidensdruck«, sagt Schiele. Schaffen es Betroffene nicht allein, ihr Problem zu erkennen, kann das Umfeld helfen. Schiele rät, sich regelmäßig mit engen Freund:innen oder in der Partnerschaft auszutauschen. Das empfiehlt auch Sozialpsychologin Schade. »Wer selbst die Ressourcen dazu hat, kann auch bei Freund:innen nachhaken«, rät sie. »Dabei helfen typische Check-in-Fragen wie: Kannst du gut schlafen? Kannst du dich freuen? Kannst du dich auf Menschen und deine Umgebung einlassen?«
Hat eine Person in mehreren Bereichen Probleme, ist das ein Alarmsignal. Natürlich kann man sich die Fragen auch hin und wieder selbst stellen. »Wenn ich zynisch werde gegenüber den Bedürfnissen anderer Leute, wenn meine Werte sich verändern, mir Sachen, die vorher wichtig waren, einfach nicht mehr wichtig sind, dann sind das typische Anzeichen dafür, dass jemand zu überlasten droht«, sagt Schade.
Sich das eigene Leiden bewusst zu machen, ist dabei besonders für Menschen im Burn-on-Modus gar nicht so einfach. »Wir wissen, dass Menschen mit Burn-on nicht selten äußern, dass ihr Leben großartig sei, dass sie sich nicht als depressiv erleben und die Dinge eigentlich zuallererst positiv sehen«, schreiben Schiele und te Wildt.
Paradoxerweise zeigen sie sich im gleichen Atemzug tief verzweifelt über ihre bodenlose Erschöpfung und nicht selten sogar hoffnungslos oder lebensmüde. Diesen Widerspruch aufzuzeigen, negative Gefühle anzusprechen und (wieder) zuzulassen, sie zu spiegeln, damit die Patient:innen diese im Verlauf der Therapie wahrnehmen können, ist eine unserer Hauptaufgaben.
In ihrem Buch haben Timo Schiele und Bert te Wildt einige Übungen zusammengefasst, die helfen, das Ausmaß einer Belastung zu ergründen und erste Schritte zu unternehmen, um etwas an der eigenen Situation zu ändern.
Eine davon ist die Akzeptanz- und Commitment-Methode. »Diese Übung hilft dabei, herauszufinden, ob die Dinge, die mir wichtig sind, in meinem Leben verankert sind«, sagt Schiele. Für die Übung gleicht man persönliche Werte mit der eigenen Lebensführung ab – und schaut dann, wie sich etwas ändern lässt, wenn beides nicht übereinstimmt.
Damit sei nicht gemeint, dass man alles erreichen müsse, was man sich wünsche, betont der Psychologe. Denn das liege nicht immer in unserer Hand. »Es geht darum, dass ich den Teil der Energie, der mir zur Verfügung steht, für die Bereiche einsetze, die mir wichtig sind«, erklärt er. Burn-on-Betroffenen würde diese Übung in der Therapie oft helfen, sie lässt sich aber auch abseits davon einfach durchführen.
Anleitung: So funktioniert die Methode
So funktioniert die Akzeptanz- und Commitment-Methode:
- Schaffe dir einen Freiraum mit Zeit und Ruhe.
- Male eine Tabelle mit 10–12 Zeilen und 4 Spalten auf.
- Schreibe nun in die linke Spalte eine Liste von wertvollen Lebensbereichen, zum Beispiel Partnerschaft, Beruf/Karriere, Kinder, Familie, Erholung, Gesundheit, Freunde, soziales Engagement usw.
- Bewerte nun in der Spalte daneben, wie wichtig die verschiedenen Punkte für dich sind. Dabei kannst du Punktzahlen von 0 (unwichtig) bis 10 (sehr wichtig) verteilen. Trage in der nächsten Spalte ein, wie viel Energie du in den jeweiligen Bereich tatsächlich stecken konntest. Die Punkte reichen auf der Skala von 0 (habe mich überhaupt nicht in diesem Bereich betätigt) bis 10 (habe mich stark engagiert).
- Dann folgt die Auswertung: Passen deine Werte und dein Engagement zusammen? Wo gibt es Unterschiede? Was folgt daraus? Welchen ersten Schritt kannst du machen, um heute oder morgen daran etwas zu ändern? Gab es zum Beispiel Unterschiede im Bereich Freunde, kann das bedeuten, das Smartphone in die Hand zu nehmen und jemanden anzurufen.
Diese Veränderungen können helfen, wieder herunterzufahren
Wer erkennt, dass er ein Problem hat – oder droht eines zu bekommen –, kann zunächst selbst versuchen, etwas an der eigenen Situation zu verändern. Ist das Problem tatsächlich die Erwerbsarbeit, kann es etwa helfen, dem Arbeitgeber zurückzumelden, wenn eine Aufgabe nicht schaffbar ist, statt sie unbedingt erledigen zu wollen.
»Es ist ein Trugschluss zu denken, dass ich der Arbeit besonders gut gerecht werde, indem ich immer mehr Zeit in sie investiere«, sagt Schade. »Mir persönlich hat es geholfen zu sehen, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich eine Deadline verpasse.«
Im Ernstfall, wenn sich nichts bessert und der Stress immer größer wird, raten alle 3 Stressexpert:innen dazu, über eine Kündigung nachzudenken – egal wie unmöglich einem diese Option gerade erscheint. Oft gebe es Alternativen.
Menschen, die überlastet sind, ziehen eine Kündigung oft gar nicht in Erwägung, weil der Stress sie alle Ressourcen kostet. Die Vorstellung einen neuen Job zu suchen, Bewerbungen zu schreiben, überfordert sie so sehr, dass sie lieber unter schlechten Bedingungen weiterarbeiten.
Und was ist mit Menschen, die im Privaten unter Stress leiden, unter einer Arbeit, die sich nicht einfach kündigen lässt? »Man sollte alle möglichen Hilfsangebote annehmen«, sagt Schade.
»Wer unter Dauerstress ausbrennt, kann auch nicht für andere da sein.« – Hannah Schade, Sozialpsychologin
»Man muss die eigene Gesundheit und das eigene Wohlergehen unbedingt priorisieren, auch wenn das nicht einfach ist. Wer unter Dauerstress ausbrennt, kann auch nicht für andere da sein«, sagt die Sozialpsychologin. Auch das Umfeld kann unterstützen: »Eine Möglichkeit ist es, überlasteten Eltern anzubieten, auf die Kinder aufzupassen oder zu fragen, wie man sie unterstützen kann«, rät Schade. Zudem müssten offizielle Hilfsangebote für alle Menschen leichter zugänglich sein.
Mehr Pausen, weniger Arbeit
Damit sich die Situation auch langfristig verbessert, muss sich die Gesellschaft wandeln. Es muss noch akzeptierter werden, Pausen zu machen und auf sich zu achten, auch wenn man nicht von seiner Arbeit »ausgebrannt« und dem Totalausfall nahe ist.
Die Frage sollte sein, ob brennen überhaupt so ein wünschenswerter Zustand ist.
»Der Idealfall ist: Ich habe eine Aufgabe, die mich begeistert, aber nicht überfordert und von der ich auch abschalten kann«, sagt Schade. Die Wissenschaftlerin ist zudem eine Verfechterin von reduzierter Arbeitszeit.
An Argumente wie »Das können sich Unternehmen nicht leisten« glaubt sie nicht. »Das Teuerste, was Unternehmen treffen kann, sind Mitarbeiter:innen, die so erschöpft sind, dass sie ausfallen«, sagt sie. Die Berichte von Krankenkassen wie DAK und TK zeigen: Menschen, die wegen psychischer Erkrankungen ausfallen, sind oft lange krank, im Schnitt 40–50 Tage. Oft würden Betroffene anschließend den Job wechseln, manchmal sogar die Branche. »Unternehmen sollten deshalb ein deutlich größeres Interesse daran haben, dass ihre Mitarbeiter:innen nicht ausbrennen«, sagt Schade. Arbeitszeit und -belastung zu reduzieren, da ist sich Schade sicher, würde sich auf Dauer für alle lohnen.
Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken, kann einen ersten Anstoß zur Veränderung geben, sowohl für Einzelne als auch für die Gesellschaft – das haben auch Schiele und te Wildt gemerkt. »Seit das Buch erschienen ist, haben wir immer mehr Patient:innen erlebt, die sich Hilfe gesucht haben, weil sie sich im Burn-on wiedererkannt haben«, sagt Schiele. Und nur wer erkennt, dass ihm etwas fehlt, kann etwas daran ändern.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily