Denke mal über dein Leben nach! Diese 34 Fragen helfen dir dabei
Hast du genügend gute Freund:innen in deinem Leben? Wer hat dich zuletzt inspiriert? Und würdest du dein Leben ändern, wenn du plötzlich sehr viel Geld hättest? Auch wir haben uns einige dieser Fragen gestellt.
Vor einigen Jahren schenkte mir ein guter Freund das Büchlein »Fragebogen« des Schweizer Schriftstellers Max Frisch. Anders als in den meisten Büchern, worin große Schriftsteller:innen ihrer Kunst nachgehen, finden sich in diesem Buch kaum Punkte oder Ausrufezeichen. Stattdessen dominiert – der Titel zeigt es schon an – das Fragezeichen die Seiten in diesem Buch.
Es finden sich persönliche Fragen darin. Fragen, die die Gesellschaft betreffen, Fragen, die zum Nachdenken einladen, und auch ein paar Fragen, die einen stirnrunzelnd weiterblättern lassen. Ich schlage das Buch auch nach vielen Jahren immer mal wieder auf, um mich selbst zu verhören.
Von diesem Buch stammt die Idee für den heutigen Beitrag: Ich habe zum Anfang des Jahres eine Liste mit 34 Fragen erstellt, die zum Nachdenken und Sinnieren über dies und jenes anregen soll; die allein gelesen werden kann, aber auch zu zweit oder in größerer Runde. Natürlich darf beim Suchen nach Antworten auch gelacht werden.
Man kann es zum Beispiel so machen wie meine Kollegin Katharina Wiegmann und ich, die wir uns gemeinsam ein paar Fragen herausgepickt und gegenseitig gestellt haben, was ihr hier im Podcast hören könnt (oder weiter unten nach den Fragen im Transkript lesen könnt). Natürlich freue ich mich, wenn ihr nicht nur eure Antworten, sondern auch eure eigenen Fragen im Diskussionsforum teilt. Nun genug gepunktet, Bühne frei fürs Fragezeichen:
Bist du
Fällt es dir leicht, Small Talk zu führen?
Nimmst du regelmäßig an Gruppenaktivitäten teil, sei es in Person oder online?
Falls du eine:n Partner:in hast: Wie viele deiner sozialen Aktivitäten machst du gemeinsam mit ihr:ihm?
Wie häufig unterhältst du dich in deiner Nachbarschaft, bei der Arbeit oder in der Schule mit Bekannten?
Ärgerst du dich häufiger über Menschen, die sich nicht an die Regeln halten – oder über Menschen, die stur auf Regeln bestehen?
Wann und warum ist es dir zuletzt passiert, dass deine Selbst- und Fremdwahrnehmung stark voneinander abgewichen sind?
Wie oft nimmst du dein Handy in die Hand, ohne zu wissen, was du damit machen willst?
Wie hast du als Kind geglaubt würde dein Leben in deinem jetzigen Alter aussehen? Welche Gefühle kommen bei diesem Gedanken in dir hoch?
Hast du regelmäßig mit Tieren zu tun? Wenn nein: Vermisst du es? Wenn ja: Was gibt es dir?
Welchen guten Vorsatz hast du dir in deinem Leben wohl am häufigsten gesetzt, ohne ihn umzusetzen?
Was nervt dich eher: Menschen mit zu viel Idealismus? Oder Menschen mit zu wenig Idealismus?
Wann hast du zuletzt etwas mit deinen Händen erschaffen, was dich stolz gemacht hat?
Für Ratschläge welcher Art und zu welchen Themen wenden sich deine Freund:innen und Familienmitglieder gerne an dich?
Worüber weißt du sehr viel, ohne dein Wissen darüber zu teilen oder zu nutzen?
Wie häufig hast du ein schlechtes Gewissen, wenn du Produkte kaufst, die du nicht wirklich brauchst?
Welche Träume aus deiner Vergangenheit hast du inzwischen aufgegeben – und wie fühlt sich das an?
Wärst du ein:e gute:r Bundeskanzler:in?
Bestehen deine guten Vorsätze eher aus Dingen, die du künftig mehr tun möchtest, oder Dingen, die du gerne sein lassen würdest?
Würdest du in manchen Situationen gerne einem anderen Geschlecht angehören? Warum?
Wonach sehnst du dich zurzeit eher: Mehr Ruhe und Zeit für dich? Oder mehr Herausforderungen und neue Erlebnisse?
Wenn du dich entscheiden müsstest: Nie wieder Rad fahren, nie wieder Auto fahren oder nie wieder Bahn fahren?
Wenn du an einem fremden Ort in eine kleine Notlage gerätst: Hast du Skrupel, an einer wildfremden Türe zu klingeln und nach Hilfe zu fragen?
Könntest du dir eher vorstellen, ohne Hör- oder ohne Sehsinn zu leben?
Wenn du 500.000 Euro geschenkt bekämst: Würdest du etwas Grundlegendes ändern in deinem Leben?
Welche:r Künstler:in hat dich im letzten Jahr berührt?
Welche Person – egal, ob du sie persönlich kennst oder nicht – inspiriert dich aktuell am meisten?
Wann hat dich zuletzt eine zuvor unbekannte Stadt oder ein unbekannter Stadtteil positiv oder negativ überrascht?
Welche politische Organisation (Nichtregierungsorganisation, Partei, Bündnis oder Ähnliches) spricht dich am meisten an? Warum unterstützt du sie (nicht)?
Wenn du Bettler:innen Geld gibst, ist es dir manchmal ein wenig unangenehm? Warum (nicht)?
An welches Problem, worüber wir uns heute den Kopf zerbrechen, wird die Menschheit im Jahr 2050 wohl keinen Gedanken mehr verschwenden müssen?
Welches gesellschaftliche Problem machen sich deine Mitmenschen deiner Meinung nach zu wenig bewusst?
Was bedeutet erfolgreich sein für dich?
Glaubst du an etwas, was sich nicht wissenschaftlich erklären lässt?
Podcast-Transkript
Felix Austen:
Hallo und herzlich willkommen zu unserem ersten Podcast bei Perspective Daily im neuen Jahr. Ich bin Felix Austen, Autor für Nachhaltigkeit und Umweltfragen, und habe mir zum Anfang des Jahres etwas ausgedacht.
Um kurz herzuleiten, wo die Idee herkommt: Ich habe vor einigen Jahren von einem Freund ein Buch von Max Frisch geschenkt bekommen, »der Fragebogen«, in dem Max Frisch einfach eine ganze Reihe von schönen Fragen aufgelistet hat, die dazu anregen sollen, über das Leben nachzudenken, vielleicht auch über das Verhältnis zur Gesellschaft. Ich blättere immer wieder gerne durch dieses Buch und so war es auch zwischen den Jahren. Das hat mich dazu inspiriert, selbst ein paar Fragen aufzuschreiben, die mich umtreiben und die vielleicht auch euch anregen.
Und um das Ganze ein bisschen unterhaltsamer zu machen, habe ich mir noch jemanden dazu eingeladen, um ein paar dieser Fragen durchzusprechen und hoffentlich spannende Antworten zu hören. Und zwar habe ich Katharina eingeladen, unsere Autorin für Politik und Gesellschaft. Hallo Katharina.
Katharina Wiegmann:
Hallo Felix, danke für die Einladung. Ich freue mich auf ein bisschen deep talk. Möchtest du einmal kurz erzählen, woher du die Fragen hast?
Felix Austen:
Die Fragen habe ich mir zum Großteil ausgedacht. Einige der ersten Fragen stammen aus einem Test, der von amerikanischen Psychologinnen und Psychologen angewendet wird, um das soziale Netz von Menschen zu überprüfen. Ein kleiner Test, mit dem Menschen herausfinden können, ob sie ein gutes soziales Netzwerk um sich haben, ob sie genug Bekanntschaften haben, und der einem selbst dabei helfen kann, es ein bisschen einzuschätzen. Die andere Inspirationsquelle war eben dieser Fragebogen von Max Frisch. Meintest du das?
Katharina Wiegmann:
Genau. Und ich glaube, ich habe mir nämlich gleich eine geschnappt von diesen Fragen der Psycholog:innen zum sozialen Netz, die ich dir gerne stellen wollte. Und zwar die Frage, ob du zufrieden bist mit der Anzahl an engen Freunden, die du hast. Das fand ich sehr spannend.
Ich erkläre kurz, warum mich das angesprochen hat: Ich habe in letzter Zeit einiges dazu gelesen, dass es Männern schwerer fällt, tiefe Freundschaften einzugehen und die auch langfristig zu pflegen. Und zwar tiefe Freundschaften, die sie auch emotional auffangen. Ich habe ein paar Zahlen gefunden, dass Männer zwar statistisch mehr Freund:innen haben als Frauen, aber eben weniger diese tiefen Bindungen, in denen man auch über Probleme spricht, Gefühle und Emotionen teilt. Da sind Männer anscheinend nicht so gut drin. Das ist natürlich eine Frage der Sozialisierung. Psycholog:innen erklären sich das auch damit, dass Männer emotional nicht so einen guten Zugang zu sich selbst haben und deshalb das auch mit anderen nicht so gut können. Und genau deshalb würde mich einfach interessieren, wie das bei dir ist.
Felix Austen:
Ja, das ist eine gute Frage. Die kurze Antwort ist – glaube ich – ja. Ich habe genügend viele gute Freunde in meinem Leben. Mir fallen da direkt eine ganze Reihe von Leuten ein, viele aus der Studienzeit, auch aus der Jugendzeit. Und ja, ich sehe die regelmäßig. Mir fällt das auch nicht so schwer wie manch anderen, Kontakt zu halten. Ich mache das gerne und dieses typische »Okay, jetzt habe ich mich schon wieder 3 Mal gemeldet und es kommt nix zurück«, da sehe ich gerne drüber hinweg, weil ich einfach weiß, dass viele Leute, vielleicht auch gerade Männer, die Eigenschaft haben, sich einfach nicht zu melden. Mir ist es das nicht wert, eine gute Freundschaft oder Beziehung deshalb liegen zu lassen, ich verbuche das einfach so ein bisschen als schlechte Angewohnheit.
Was ich tatsächlich merke, ist, dass die einfach weit über das ganze Land verstreut sind und ich die einfach nicht in meinen Alltag integrieren kann. Was vielleicht auch ein Männerding ist, dass wir nicht regelmäßig lange telefonieren oder so. Aber das sind wirklich Freundschaften, die dann, wenn man sich 1-, 2-mal im Jahr sieht, dann auch wirklich leben und immer noch up to date sind, also die sich auch nicht irgendwie verstaubt anfühlen. Aber ich habe fürs neue Jahr auch mitgenommen, mich darum zu bemühen, mein soziales Netz hier vor Ort in Münster zu beleben, wo eben von meinen alten guten Freunden nicht viele wohnen und wo ich eher jüngere und weniger tiefe Bekanntschaften und Freundschaften habe.
Katharina Wiegmann:
Wenn ich dir noch eine Nachfrage dazu stellen darf: Du hast gesagt, du bist zufrieden mit der Anzahl an engen Freundinnen. Aber würdest du auch sagen, dass du mit der Tiefe zufrieden bist?
Felix Austen:
Ja doch, ich finde schon. Ich bin mit der Tiefe dann zufrieden, wenn ich das Gefühl habe, dass man regelmäßig auch neue Tiefen für sich ausschöpft. Wenn man in einer Freundschaft nicht in der Vergangenheit lebt, sondern bewusst auch neue Räume erschließt, neue Themen findet, über die man spricht, persönliche Themen. Das versuche ich teilweise bewusst und sage: »Hey, warum reden wir eigentlich nicht über Thema XY? Lass es uns doch mal probieren.« Es gibt auch einige, die mal eine Therapie gemacht haben und ganz gut im Reflektieren sind. Ich habe also auch Freunde, die es mir einfach machen, gemeinsam an einer Freundschaft zu arbeiten.
Katharina Wiegmann:
Okay.
Felix Austen:
Das ging jetzt doch schon mal gut los. Dann möchte ich jetzt die Gelegenheit nutzen und mich ein bisschen erholen und dir zuhören. Und zwar zu einer Frage, die ich ausgewählt habe, von der ich mir vorstellen kann, dass du eine spannende Antwort hast.
Ärgerst du dich häufiger über Menschen, die sich nicht an die Regeln halten? Oder über Menschen, die stur auf Regeln bestehen?
Katharina Wiegmann:
Du hattest mir die Frage ja schon vorher geschickt und für mich war sofort klar, dass ich mich auf jeden Fall mehr über Menschen ärgere, die stur auf Regeln bestehen. Dann habe ich aber versucht, darüber nachzudenken, was für die Regeln und die Regelverliebtheit spricht. Und ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich schon verstehe, dass Regeln unser Leben vereinfachen und wie sie unser Leben ja auch berechenbar machen. Viele Regeln haben einen praktischen Sinn, Verkehrsregeln zum Beispiel, auch viele andere Gesetze, denen wir folgen.
Auf der anderen Seite ist es natürlich so: Wenn alle immer stur auf den Regeln beharren, dann würden wir uns als Gesellschaft überhaupt nicht weiterentwickeln. Ich habe da sofort an zivilen Ungehorsam gedacht, an Leute, die im Sinne des Gemeinwohls – zum Beispiel, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen – bewusst die Regeln brechen und dann auch die juristischen Konsequenzen dafür in Kauf nehmen. Ich glaube, dass bewusst Regeln zu brechen und darüber nachzudenken, welche Regeln sinnvoll sind und welche nicht, ganz wichtig ist für eine Gesellschaft, .
Felix Austen:
Eine kleine Nachfrage: Kennst du diese Situation, dass man impulsiv vielleicht eher zum einen tendiert, aber dann, mit ein bisschen Zeit und wenn die Selbstkontrolle Einzug hält, man dann noch mal umschwenkt auf das andere? Zum Beispiel in diesen Situationen, wenn Leute meckern, wenn man mit dem Fahrrad auf dem Gehweg fährt. Dann kenne ich das von mir, dass man sich im ersten Moment ärgert, aber im zweiten Moment dann diese Regeln hinterfragt.
Katharina Wiegmann:
Also ich glaube ich habe wenig regulierende Ansprüche an meine Mitmenschen. Wenn mir jetzt jemand auf dem Gehweg entgegenkommt und gut Platz hat und mit dem Fahrrad an mir vorbeifahren kann, dann ärger ich mich nicht aus Prinzip. Aber ich möchte mich schon gerne auf Menschen verlassen können. Also auf Regeln, die wir gemeinsam aufgestellt haben, sei es im Arbeitsumfeld oder auch privat. Da möchte ich schon, dass sich daran gehalten wird.
Ich glaube, im gesellschaftlichen Raum habe ich vielleicht so ein Grundvertrauen, dass die meisten Menschen vernünftig miteinander umgehen. Es gibt natürlich immer Ausreißer, die die Regel bestätigen. Und sonst möchte ich, dass sich alle ihrer Vernunft bedienen und überlegen, ob Regeln sinnvoll sind oder nicht, und gegebenenfalls Regeln auch aktiv infrage stellen.
Felix Austen:
Ja, das finde ich eine schöne Zusammenfassung. Okay, ich würde vielleicht noch eine Frage hinterherschieben, weil du mir eine sehr persönliche Frage gestellt hattest und jetzt hast du mir eher die Antwort einer Politologin, natürlich mit einem persönlichen Touch, zurückgegeben. Es geht um das neue Jahr, wo sich Menschen neue, gute Vorsätze setzen.
Meine Frage ist: Bestehen deine guten Vorsätze in der Regel eher aus Dingen, die du künftig mehr machen möchtest? Oder eher aus Dingen, die du gerne sein lassen würdest?
Katharina Wiegmann:
Auf jeden Fall aus Dingen, die ich mehr machen möchte. Wir saßen Silvester mit ein paar Freunden und Freundinnen zusammen und mein guter Vorsatz war, dass ich im neuen Jahr jeden Monat eine neue Sache ausprobieren möchte. Es kann eine größere Sache oder eine kleinere Sache sein, aber etwas Neues sollte es sein. Das kommt so ein bisschen aus der Selbsterkenntnis, dass ich nicht so gut darin bin, Dinge anzufangen, die ich noch nicht gut kann. Ich habe ein bisschen Probleme damit, mich so ins ganz Unbekannte reinzuwerfen. Und das will ich auf jeden Fall mehr üben im neuen Jahr.
Ich habe das Gefühl, dass ich das mit zunehmendem Alter, mit zunehmenden Lebensjahren immer besser kann. Aber das möchte ich auf jeden Fall noch mehr üben. Sein lassen muss ich nicht viel oder möchte ich nicht viel, aber mehr machen, mehr ausprobieren! Es können Sportarten sein, das können Sachen sein, die mit unserem Beruf zu tun haben. Ich wollte zum Beispiel auch schon immer ein Buch schreiben. Es gibt eine ganze Liste von Dingen, die ich dieses Jahr abarbeiten möchte.
Felix Austen:
Aber was ist es denn für den Januar? Der hat jetzt schon angefangen. Was hast du dir da vorgenommen?
Katharina Wiegmann:
Okay, für den Januar steht Eisbaden auf der Liste. Das habe ich noch nie gemacht und das möchte ich machen.
Felix Austen:
In der Spree oder wie ist das geplant?
Katharina Wiegmann:
Eher in einem See im Berliner Umland. Hast du das schon mal gemacht?
Felix Austen:
Nee. Ich weiß gar nicht, ob das geht diesen Winter bei 15 Grad im Januar.
Katharina Wiegmann:
Das stimmt, es ist nicht wirklich Eisbaden, eher Winterbaden.
Felix Austen:
Ja, ist vielleicht umso besser für den Einstieg bei 15 Grad. Okay, da bin ich auf jeden Fall gespannt, wie es dir damit dann erging. Das ist ja auch wirklich ein Sprung ins kalte Wasser, sozusagen, um deinen neuen Vorsatz zu setzen. Hohoho.
Katharina Wiegmann:
Was auch auf der Liste steht, sind so ein paar Ängste zu überwinden, die ich in der Vergangenheit aufgebaut habe. Zum Teil so ganz dumme kleine Sachen, zum Beispiel hatte ich mal ein blödes Erlebnis beim Automatik-Autofahren und jetzt fühle ich mich so eingeschränkt, weil diese ganzen Mietautos, die in Berlin rumstehen, Automatikautos sind. Dieses Minitrauma möchte ich überwinden dieses Jahr, damit ich das besser nutzen kann.
Felix Austen:
Das ist gut, das schaffst du auf jeden Fall. Das ist wirklich ganz, ganz, ganz einfach mit Automatik. Dann mach du doch mal weiter.
Katharina Wiegmann:
Meine zweite Frage an dich ist eine, mit der hast du dich, glaube ich, schon relativ viel beschäftigt. Ich erinnere mich jedenfalls, dass du schon einige Texte zum Thema Kinderkriegen, Klimakrise, beides in Kombination geschrieben und darüber viel nachgedacht hast. Und in diesem Kontext hab ich auch diese Frage gesehen:
Wärst du lieber zur Zeit deiner Jugend oder heute Kind gewesen?
Felix Austen:
Ja, ich finde die Frage gut und wichtig und ich denke da natürlich auch im Hinblick auf die Kindheit meiner Tochter nach. Da vergleicht man natürlich, wie habe ich meine Kindheit verbracht und wie sie. Du hast es gesagt, ich habe ein paar Texte darüber geschrieben, wie . Ich sehe das inzwischen eigentlich nicht mehr so als größten Faktor, weil das trotz allem glaube ich immer noch eine abstrakte Sache ist und zumindest auch in dem Alter meiner Tochter noch keine Rolle für sie spielt. Es gibt trotzdem so ein paar Dinge, die mir irgendwie ein bisschen Schmerzen bereiten und wo ich das Gefühl habe, da gehen schon sehr wesentliche Dinge für Kinder verloren.
2 Punkte: Das eine ist der Verkehr. Das ist vielleicht ein bisschen verkürzt ausgedrückt, es ist eher das Spielen im öffentlichen Raum. Mir fällt immer wieder auf und es gibt viele Statistiken, die das bestätigen, . An Weihnachten haben wir auch wieder darüber gesprochen mit den Großeltern. Da war es normal, dass die Eltern die Kinder morgens auf die Straße rausgeschickt haben und es hieß, bitte nicht vor 18:00 nach Hause kommen. Dann sind die Kinder in großen Pulks um die Häuser gezogen, die Welt war der Abenteuerspielplatz. Heutzutage könnte es kaum weiter davon entfernt sein. Vielleicht ist es im ländlichen Raum noch ein bisschen anders, aber hier in der Stadt, man sieht wirklich sehr, sehr selten Kinder alleine rumlaufen. Wenn, dann sehr zielstrebig auf dem Weg zur Schule oder so, aber dass die einfach ihre Zeit im öffentlichen Raum verbringen, das kaum. Das ist schon eine krasse Entwicklung und das verändert das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt sehr, wie er so die Umwelt und seine Umgebung erfährt in früher Kindheit.
Katharina Wiegmann:
Du hattest den Eindruck, das war früher anders, als du Kind warst?
Felix Austen:
Ja, selbst zu meiner Kindheit war das noch anders. Ich erinnere mich, mit 7 Jahren oder so, mein Nachbarschaftsfreund und ich haben immer von der Weltreise gesprochen. Kleine Weltreise, große Weltreise. Das war ein Marsch von 2, 3 Kilometern durch die Nachbarschaft, über kleine Straßen, durch kleine Wälder und Wiesen und so, das war eine Selbstverständlichkeit. Ich habe das Gefühl, das passiert heute deutlich seltener.
Letztens meinte auch meine Tochter zu mir im Gespräch, als ich zu irgendeinem Thema meinte, dann kannst du dahin gehen: »Aber, ich kann doch nicht alleine ohne Eltern irgendwo hingehen?! Das geht doch gar nicht!« Das war für sie völlig außerhalb des Rahmens des Möglichen, dass sie sich alleine durch den öffentlichen Raum bewegt. Ich meine, sie ist jetzt erst am Ende des dritten Lebensjahrs, bald 4. Da ist das noch mal anders als mit 10 oder so! Lange Rede, kurzer Sinn: Ich glaube, da hat sich sehr krass was geändert und das empfinde ich einfach als einen großen Verlust.
Und noch ein zweiter Aspekt, den ich als sehr problematisch sehe: die Digitalisierung und die Handys. Da habe ich auch erst wieder gelesen, dass das Alter, mit dem Kinder ihr erstes Smartphone bekommen, immer noch weiter runtergeht. Selbst die offizielle Empfehlung (ab wann Kinder ein eigenes Handy haben sollten), geht alle paar Jahre noch mal um 1, 2 Jahre runter, einfach um die Realität ein bisschen abzufangen. Ich habe das Gefühl, dass es vielen noch nicht bewusst ist, wie krass das ist, wenn man einfach, statt in der physischen Welt zu leben, einen Großteil seines Lebens, gerade als Kind, in so virtuelle Welten auf dem Bildschirm starrt. Da habe ich schon einen gewissen Kulturpessimismus.
Katharina Wiegmann:
Hm.
Felix Austen:
Und ansonsten fällt mir auch wenig ein, wo ich sage, dass es heute deutlich besser ist für Kinder. Also mir hat es an nichts gefehlt und den Kindern heute auch nicht, okay. Die Eltern sind vielleicht freundlicher geworden zu ihren Kindern. Das kann ich mir schon so ein bisschen vorstellen. Ja, das muss man vielleicht auch sagen, doch, dass manche Sachen auch gut geworden sind.
Katharina Wiegmann:
Also, was ich mir schon vorstellen kann mit Blick auf deine Tochter, dass vielleicht das Bewusstsein für Stereotype und Geschlechterrollen heute inzwischen ein bisschen ausgeprägter ist und sie davon profitieren könnte oder davon, dass Diversität einfach eine größere Rolle spielt …
Felix Austen:
Ja, das stimmt mit Sicherheit.
Katharina Wiegmann:
… und ihr vielleicht noch mehr Freiheit gibt.
Felix Austen:
Ich kann mir auch vorstellen, das sind Themen, die mit zunehmendem Alter wichtiger werden. Aber klar, das spielt auch jetzt schon ein Stück weit eine Rolle. Das ist wahrscheinlich schon ein Stück weit ein Vorteil heute, das stimmt. Und was ich eben noch meinte, bei Eltern gibt es im Umgang mit den Kindern vielleicht mehr Sensibilität und es wird einfach auch mehr darüber gesprochen. Väter haben eine andere Rolle heutzutage. Da muss ich vielleicht doch ein bisschen zurückrudern. Da gibt es einige Sachen, die wohl besser geworden sind. Was frage ich dich dann als Nächstes? Lass uns doch vielleicht mal über das Geld sprechen: Wenn du 500.000 Euro geschenkt bekämst, würdest du etwas Grundlegendes ändern in deinem Leben?
Katharina Wiegmann:
Nein, etwas Grundlegendes nicht. Mir würde auch gar nicht so viel einfallen, was ich jetzt dringend brauche. Die sicherheitsorientierte Schwäbin in mir würde an Altersvorsorge denken und was zurücklegen. Aber eigentlich habe ich keine großen Konsumbedürfnisse. Konsumbedürfnisse entwickeln sich dann schon daraus, dass man Geld hat, denke ich. So funktioniert das System. Also sicher würde ich mehr konsumieren, was aber ressourcentechnisch nicht gut wäre, und was mein Leben wahrscheinlich nicht unglaublich bereichern, aber einfach das Wirtschaftssystem, in dem wir stecken, weiter befeuern würde.
Felix Austen:
Also die Gedanken, die ich zuerst hatte, waren, dass man vielleicht an der Wohnsituation oder der Jobsituation etwas ändert. Da würdest du an beidem nichts ändern?
Katharina Wiegmann:
Nein, ich glaube nicht.
Felix Austen:
Das musst du natürlich jetzt sagen. Aber trotzdem eine schöne Antwort.
Katharina Wiegmann:
Vielleicht die . Aber eigentlich fühle ich mich schon jetzt so privilegiert in meinem Leben, dass ich nicht das Gefühl habe, dass 500.000 Euro mein Leben wahnsinnig verändern oder verbessern würden. Es würde eine gewisse Sicherheit geben, einen großen Puffer. Aber da ich eh nicht so ein wahnsinnig sicherheitsorientierter Mensch bin, weiß ich gar nicht, ob das in meinem Gefühl einen großen Unterschied machen würde.
Felix Austen:
Das ist eine Antwort, die ist doch zufriedenstellend für dich.
Katharina Wiegmann:
Ja, eigentlich schon. Felix, dann habe ich auch noch eine persönliche Frage an dich. Und zwar: Für Ratschläge welcher Art und zu welchen Themen wenden sich deine Freund:innen und Familienmitglieder gerne an dich?
Felix Austen:
Natürlich würde man gerne als Experte für jegliche Dinge wahrgenommen werden. Wobei die erste Antwort vielleicht schon zeigt, dass das wohl gar nicht stimmt. Das Erste ist so ein bisschen dem entwachsen, dass ich in der Jugend schnell den ersten Computer zu Hause hatte, ich habe mich einfach gern mit Technik beschäftigt. Das hat sich dann überlebt, dass ich bei meiner Familie der Ansprechpartner bin für technische Sachen, fürs Handy, Computer. »Das Anti-Viren-Programm ist kaputt. Was muss ich machen?«, fragt die Mama, »Der Drucker druckt nicht«, solche Sachen.
Ich helfe da einerseits gerne, aber es ist auch eine Rolle, die ich nicht sehr gerne ausfülle, weil ich das inzwischen eher als lästig empfinde, mich mit irgendwelchen nicht funktionierenden technischen Sachen rumzuschlagen. Da muss man sich im eigenen Leben genug mit beschäftigen.
Katharina Wiegmann:
Aber was hättest du denn gerne? Für welche Ratschläge sollten sich deine Freunde und Familienmitglieder dann an dich wenden?
Felix Austen:
Mir sind noch 2 Sachen eingefallen. Das eine ist das Thema Geldanlage. Da hatte ich ja vor Nachhaltige Geldanlagen, grüne Geldanlagen, Altersvorsorge. Daraufhin haben sich einige Leute aus meinem Umfeld gemeldet und gefragt, ob sie mal eine Beratung haben können. Sie wollen ja irgendwie was machen, aber sie wissen nicht genau, was. Das finde ich schön, weil ich das wichtig finde und dazu sachlichen Rat geben kann, der auch gewünscht ist. Tatsächlich gibt man ja oft Ratschläge und die Leute wollen gar keine Ratschläge.
Das dritte Thema verbindet uns beide auch ein bisschen: das Thema Urlaub machen. Ich und meine Freundin, wir haben immer schöne und kreative Urlaube gemacht, und da kamen auch immer wieder Leute und haben gefragt: »Wo kann man denn hingehen, wie ist es dort?«, wenn sie irgendwohin fahren wollen, wo wir schon mal waren. Also: Ich habe das Gefühl, ich wurde als ein kompetenter Urlaubmacher wahrgenommen. Das fand ich schön.
Katharina Wiegmann:
Ja, das ist wirklich schön und beim Geldanlage-Thema habe ich auf jeden Fall auch schon von deiner Expertise profitiert.
Felix Austen:
Das freut mich. Okay, was hätten wir denn noch für dich? Vielleicht eine kleine Alltagssache: Wenn du Bettlern Geld gibst, ist es dir manchmal ein wenig unangenehm?
Katharina Wiegmann:
Das ist eine sehr spannende Frage, weil ich da auf jeden Fall immer relativ komplizierte Gefühle habe. Mir ist es schon manchmal ein bisschen unangenehm, weil sich darin ja auch ein Machtungleichgewicht zeigt. Ich erinnere mich an Situationen, in denen Leute das Gefühl hatten, sie müssen einem erklären, warum sie nach Geld fragen, und dann sehr weit ausholen. Das war in einem Fall besonders extrem. Dann habe ich die Frau irgendwann unterbrochen und gesagt: »Du musst dich vor mir nicht rechtfertigen.« So möchte ich da eigentlich herangehen, weil ich glaube, gerade in diesem Erklären, warum man das macht, manifestiert sich dieses Machtungleichgewicht noch viel mehr.
Es ist auch ein Thema, das mich in Berlin sehr viel beschäftigt. Gestern auf dem Heimweg aus dem Büro in der S-Bahn sind 5 Leute durchgelaufen, die nach Geld gefragt haben. Als ich nach Berlin gezogen bin vor 3 Jahren, da war ich sehr viel offener und diese Situationen haben mich echt ziemlich mitgenommen. Da habe ich wirklich jede einzelne Person wahrgenommen und das an mich rangelassen. Das macht mich ein bisschen traurig, dass ich mit den Jahren dann doch so einen Panzer ausgebildet habe und das ausblenden kann.
Ich versuche immer frei von irgendeinem Gedanken den Leuten was zu geben, wenn ich was in der Tasche habe. Aber ja, es ist auf jeden Fall mit einem unangenehmen Gefühl verbunden und auch mit einem unangenehmen Gefühl, dass wir in einem so reichen Land leben und es trotzdem so ist, dass so viele Leute sich so eine Blöße geben müssen, die sie sich 100%ig nicht geben wollen.
Felix Austen:
Ja, das sind so Situationen, die einen mit diesen Widersprüchen konfrontieren und auch mit dem Widerspruch, dass man vielleicht nur ein bisschen gibt, aber eigentlich viel mehr geben könnte. Mich lässt es immer in einer Situation zurück, die ich für mich nicht klären kann. Eine praktische Frage: Auf dem Weg zu unserem Rewe bei unserer alten Wohnung, da kam ich ganz häufig an einem jungen Obdachlosen vorbei, der da saß. Manchmal habe ich mich ein bisschen mit ihm unterhalten.
Irgendwann bin ich dann vorbeigegangen und meinte »Hey, ich gehe zu Rewe, brauchst du irgendwas?« Dann hat er ein paar Sachen gesagt. Sonst saß er aber auch öfters da mit einer Bierdose, aber er hat nicht gesagt Bier. Deshalb dachte ich: Hey, du kannst ruhig auch Bier sagen, wenn du willst. Aber ich wollte ihm jetzt auch nicht unterstellen, dass er jetzt eigentlich gerne Bier trinken will. Und generell dachte ich danach, ich hätte ihm auch einfach 10 Euro geben können und er hätte sich kaufen können, was er möchte. Wie findest du das denn, wenn man so Essen oder Dinge direkt gibt?
Katharina Wiegmann:
Ja, oft wird ja danach gefragt und das finde ich dann voll okay. Aber wenn man es anbietet zu machen, dann muss man auch mit dem Bier okay sein. Aber es ist mir jetzt auch noch nie passiert, dass jemand mich gefragt hätte: »Bringst du mir ein Bier oder einen Schnaps mit?« Aber wie ich eben gesagt habe, eigentlich habe ich das Gefühl, mich geht das jetzt nicht wirklich was an, was diese Person macht, was sie gerade braucht, was sie haben will.
Felix Austen:
Vielleicht ist das falsch angekommen. Er hat nicht gefragt nach dem Bier, aber ich dachte, er hätte vielleicht gerne eins, aber traut sich nicht zu fragen.
Katharina Wiegmann:
Also einmal um die Ecke.
Felix Austen:
Ja, genau. Aber da merkt man schon, vielleicht ist das auch alles ein bisschen zu verkopft.
Katharina Wiegmann:
Ja, vielleicht. Ich glaube, es ist okay, wenn Leute nach was fragen, ihnen das mitzubringen, aber es war jetzt vielleicht auch nicht deine Rolle, seine Bedürfnisse zu antizipieren. Er hat ja anscheinend seine Bedürfnisse, was er haben wollte, in dem Moment geäußert und du hast darauf reagiert.
Felix Austen:
Ja, gut. Hast du denn noch eine Frage?
Katharina Wiegmann:
Ich habe noch eine Frage an dich. Und zwar: Welches gesellschaftliche Problem machen sich deine Mitmenschen deiner Meinung nach zu wenig bewusst?
Felix Austen:
Qua meines Amtes müsste ich natürlich immer vom Klimawandel sprechen. Hätte ich wahrscheinlich auch noch gemacht vor 4, 5 Jahren. Aber das wäre jetzt vielleicht ein bisschen wenig überraschend. Und inzwischen machen sich das ja viel mehr Menschen bewusst. Deshalb habe ich mir 2 andere Punkte notiert.
Das eine ist nach wie vor, dass ich glaube, dass die Gesellschaft noch nicht einen guten Modus gefunden hat, mit der Digitalisierung umzugehen und mit unserer Aufmerksamkeit verantwortungsbewusst zu haushalten. Also Smartphones oder andere Dinge, die einfach so krass nach unserer Aufmerksamkeit schreien, und wir es nicht richtig hinbekommen und es auch nicht können, weil die ja wirklich dafür designt sind, uns permanent bei der Stange zu halten. Das liest man ja auch immer wieder, dass gerade auch globale Probleme wie der Klimawandel auch so schwer zu greifen sind, weil die Menschheit heutzutage so abgelenkt ist. Das nehme ich auch für mich sehr doll wahr. Es ist für mich immer ein Kampf, . Vielleicht passt der Vergleich zum Straßenverkehr. Da hat man am Anfang Autos gehabt und es war toll und es hat einfach ein paar Jahrzehnte gedauert, bis man ein gutes System hatte, das das geregelt hat. So, hoffe ich mal, wird es mit digitalen Medien auch mal sein.
Und noch eine etwas nerdigere Antwort: Die Luftqualität in Innenräumen. Das ist tatsächlich so ein Beispiel, das wir auch manchmal hier im Büro haben, dass mir einfach wichtig ist, dass gut gelüftet ist. Ich habe schon öfters gelesen, dass Aerosole aus Spraydosen gesundheitlich ziemlich belastend und krebserregend sind, aber da relativ wenig drüber nachgedacht wird. Auch andere künstliche Gegenstände haben ja oft Lösungsmittel und andere chemische Bestandteile, die halt auch so ein bisschen ausdünsten über die Zeit. Und wir verbringen den absoluten Großteil unserer Zeit indoors. Und ich glaube, das ist noch nicht so ganz auf dem Schirm, dass man da doch ein bisschen drauf achten muss, gute Luft um sich zu haben.
Katharina Wiegmann:
Okay, das war wirklich eine überraschende Antwort.
Felix Austen:
Freut mich, ich wollte überraschen. Dann würde ich dir vielleicht eine Abschlussfrage stellen: Was nervt dich eher? Menschen mit zu viel Idealismus oder Menschen mit zu wenig Idealismus?
Katharina Wiegmann:
Als ich die Frage gelesen habe, habe ich sofort an dieses Zitat gedacht, das ja oft Winston Churchill zugeschrieben wird: »Wer mit 20 kein Sozialist ist, hat kein Herz, und wer mit 40 Jahren noch Sozialist ist, hat keinen Verstand.« Das verstehe ich ein bisschen so, dass der Idealismus mit den Lebensjahren abnimmt, was ich eine sehr traurige Vorstellung finde. Ein ganz kleines bisschen beobachte ich das Nachlassen des revolutionären Potenzials aber auch bei mir, musste ich mir eingestehen.
Ich glaube, das hat damit zu tun, dass wir jetzt so mit 30, 40 in der Rushhour des Lebens stecken. Beruflich und privat ist super viel los. Viele Menschen gründen Familie, im Job ist es die Karrierephase. Um das alles zu vereinfachen und Komplexität zu reduzieren, ergibt man sich dann vielleicht doch den vorgegebenen Strukturen. Einfach weil es einfacher ist, in der Masse und in den Strukturen mitzuschwimmen und den Idealismus aufzugeben und an die Wand zu hängen. Da versuche ich schon aktiv gegenzusteuern und weiterhin darüber zu sprechen, was ich nicht als gesetzt und alternativlos akzeptieren möchte. Und da gibt es viele Bereiche. Es ist die Art, wie wir arbeiten, das Fremdbestimmte oder eben auch die Art, wie wir Beziehungen miteinander eingehen.
Felix Austen:
Jetzt hast du ein bisschen über deine Gedankenwelt zum Idealismus gesprochen. Aber gehen dir Menschen manchmal trotzdem auf die Nerven, weil sie zu viel Idealismus haben? Vielleicht ist das ja auch etwas, was zunimmt im Alter, weil du pragmatischer wirst? Oder weißt du es nach wie vor sehr zu schätzen, wenn Menschen immer noch sehr idealistisch sind?
Katharina Wiegmann:
Das weiß ich immer zu schätzen, wenn Menschen idealistisch sind. Ich glaube, es ist ein wirklich guter Charakterzug, davon auszugehen, dass Dinge besser werden können und dass Dinge anders sein können. Es ist ja auch ein bisschen das, was wir mit Perspective Daily versuchen zu machen, diese Gedanken anzustoßen, Alternativen aufzuzeigen. Genau das ist mir auf jeden Fall lieber als dieser Dämpfer: »Hey, das ist unrealistisch, das kann doch sowieso nicht funktionieren.«
Felix Austen:
Das ist doch ein wunderbares Schlusswort und ein wegweisendes Mantra für das neue Jahr, in das wir gehen. Dann bedanke ich mich ganz herzlich für diesen kleinen Austausch an Fragen und Antworten. An alle Zuhörer:innen: Ihr könnt auf jeden Fall gerne noch weitere Fragen ergänzen im Kommentarbereich. Da freuen wir uns und antworten vielleicht auch, wenn wir was Gutes dazu zu sagen haben. Natürlich könnt ihr auch gerne eure eigenen Antworten reinschreiben. Und Katharina, vielen Dank, dass du da warst.
Katharina Wiegmann:
Danke für die Einladung. Ich fand es schön.
Felix Austen:
Alles klar. Einen schönen Donnerstag wünsche ich dir noch. Ciao!
Der Physiker Felix begrüßt den Trend zu Hafermilch und fährt gern Rad. Er weiß aber auch, dass das nicht genügen wird, um die Welt vor der Klimakatastrophe und dem Ökokollaps zu bewahren. Deshalb schreibt er über Menschen, Ideen und Technik, die eine Zukunft ermöglichen. Davon gibt es zum Glück jede Menge!
von
Katharina Wiegmann
Als Politikwissenschaftlerin interessiert sich Katharina dafür, was Gesellschaften bewegt. Sie fragt sich: Wer bestimmt die Regeln? Welche Ideen stehen im Wettstreit miteinander? Wie werden aus Konflikten Kompromisse? Einer Sache ist sie sich allerdings sicher: Nichts muss bleiben, wie es ist.