Seit 4 Jahren berichtet Tillmann Prüfer in seiner Kolumne »Prüfers Töchter« Woche für Woche im Zeit Magazin aus dem Leben einer seiner 4 Töchter. Zuletzt erschien sein Buch »Vatersein«. Ich habe gerade mal eine Tochter – und jede Menge Fragen an »Deutschlands bekanntesten Vater«.
Felix Austen:
Guten Morgen, Herr Prüfer. Wie sind Sie in den Tag gestartet?
Tillmann Prüfer:
Mein Morgen begann heute so um 6:30 Uhr. Da stehe ich auf und muss erst mal jede Tochter wecken. Außer der Großen, die 23-Jährige ist schon aus dem Haus. Ich habe mir angewöhnt, ihnen morgens das Frühstück ans Bett zu bringen und ihnen die Pausenbrote zu schmieren. Die Kinder sind nicht mehr klein, die verschwinden den Tag über bei ihren verschiedenen Aktivitäten oder Freunden. Deswegen ist es gut, wenn man morgens ein paar nette Worte gewechselt und sich mal kurz umarmt hat.
Frühstück ans Bett – das klingt nach Hotel Papa.
Tillmann Prüfer:
Ich finde das Hotel Papa gar nicht so schlecht. Die Kinder brauchen einen Maßstab dafür, wie es ist, wenn man wertschätzend miteinander umgeht. Wie es sich anfühlt, wenn jemand möchte, dass es einem gut geht. Wie sollen sie etwas, was sie selbst nicht gefühlt haben, später einem Partner oder den eigenen Kindern weitergeben? Für mich ist es kein sinniger Ansatz, die Kinder früh hart anzupacken, damit sie wissen, wie sich das Leben da draußen anfühlt. Das lernen sie ohnehin. Für mich geht das okay: Das Zuhause ist
, alles andere kommt später.
Meine Tochter ist jetzt 4 Jahre alt. Die Morgen sind manchmal eine Herausforderung, aber ich habe den Eindruck: Je zuvorkommender man ist, desto einfacher wird es. Legen sich die morgendlichen Kämpfe mit zunehmendem Alter?
Tillmann Prüfer:
Die Kämpfe gibt es gleich nach dem Frühstück. Wir haben ein Bad, durch das alle durchmüssen. Das kann niemand für sich blockieren und dort erst mal den ganzen Morgen mit der Boombox auf Straßenlautstärke Musik hören. Dann muss plötzlich der Turnbeutel gepackt werden, dieser oder jener Schrieb unterschrieben werden, eine nach der anderen muss aus der Tür geschoben werden. Aber weil ich weiß, dass dieser Stress kommt, finde ich es so wichtig, ein kleines Gegengewicht einzubauen und zu Beginn erst mal 10 gute Minuten zu haben.
Am Morgen geht es also ganz um Ihre Kinder. In Ihrem Buch schreiben Sie, wir alle trügen viele Identitäten in uns, die ihren Raum brauchen. Sie sind nun für Ihre Vaterkolumne bekannt, haben kürzlich ein Buch über das Vatersein veröffentlicht, und ein Kollege von Ihnen hat sie vor Kurzem als Deutschlands bekanntesten Vater bezeichnet. Wie dominant ist die Vateridentität inzwischen in Ihrem Leben? Ist noch Platz für andere Tillmann Prüfers?
Tillmann Prüfer:
Ich habe, wie Sie auch, neben der Vaterrolle noch einige andere Identitäten: als Autor, als Psychologiestudent, weil ich nebenbei im Fernstudium Psychologie studiere, als Ehemann und als Rumhänger. Wenn man die nicht pflegt, kommt man leicht in eine Art Selbstmitleid hinein. Das fällt Männern – und gerade Vätern – oft schwer. Dann heißt es: »Um Gottes willen, diese Rolle frisst mich auf, ich bin ständig gefordert.« Man kommt in eine Kraftlosigkeit rein, als würde man dauernd mit irgendwelchen Tasks und Anforderungen konfrontiert werden, denen man sich fügen muss. Das ist nicht gesund, auch nicht für die Kinder. Für ein Kind ist es keine schöne Aussicht, eine Anforderung im Leben des Vaters zu sein.
Aber vor allen Dingen ist es schlecht für einen selbst, wenn man nicht mehr in der Rolle ist, selbst zu bestimmen, wie man das Vatersein gestalten, was man positiv reinbringen möchte. Um wissen zu können, was man den Kindern weitergeben will, sollte man erst einmal feststellen, wer man ist.
Wie ist das bei Ihnen: Bekommen Sie Ihre Identitäten und das Gestalten der Vaterschaft gut unter einen Hut? Oder müssen Sie das Gleichgewicht immer wieder suchen?
Tillmann Prüfer:
Die meisten wissen ja gar nicht, ob sie in einem Gleichgewicht sind. Wenn ich weiß, wie sich ein Gleichgewicht anfühlt, wenn ich in einer guten Beziehung zu mir stehe, ist das ja schon mal super. Dann weiß ich, wo ich ansetzen kann.
Ich glaube, man muss aufpassen, wenn man Dinge, die für Frauen in ihrer Kommunikation und ihrer Selbstbetrachtung selbstverständlich sind, eins zu eins auf die Männerwelt überträgt. Meine Frau kann mir jeden Tag genau sagen, wie sie sich fühlt. Ob sie
, ob das jetzt ein super Sonntag war, weil man mit einer warmen Decke und einem Tee auf dem Sofa gelegen und Musik gehört hat. Mir fällt es nicht so leicht, einfach nur festzustellen: »Wie fühle ich mich denn gerade?« Fragen Sie mal einen Mann: »Na, wie fühlst du dich gerade?« Dann bekommen Sie meist als Antwort: »Ja, ist okay, geht.«
Wie fühlen Sie sich denn gerade, Herr Prüfer?
Tillmann Prüfer:
Ich fühle mich gerade eigentlich sehr gut. Ich habe die Kinder gut aus dem Haus gebracht und jetzt bleibt mir noch eine Stunde Zeit, bis es mit dem ganzen anderen Quatsch in meinem Leben losgeht. Ich freue mich heute auf das Abendessen, das mir meine Frau zu Weihnachten geschenkt hat. Wir gehen oben in der Kanzel des Berliner Fernsehturms essen, da waren wir noch nie. Alles andere, was ich heute vorhabe, scheint mir anregend, aber bewältigbar zu sein, sodass ich nicht das Gefühl habe: Um Gottes willen, ich werde untergehen. Das heißt, gerade erwischen Sie mich in einem sehr guten Moment.
Das freut mich für uns beide. Noch mal zu Ihrem Buch: Sie schreiben darin, dass Vatersein und Männlichkeit oft automatisch als dieselbe Sache betrachtet wird, es aber eigentlich ganz unterschiedliche Sachen sind. Warum ist Ihnen diese Trennung wichtig?
Tillmann Prüfer:
Wenn man das vermischt, wird man keiner dieser Rollen gerecht.
Mir geht es darum, eine gewisse Distanz von diesen Rollen zu bekommen, denn wir brauchen diese Distanz, um sie gestalten zu können.
Dann schauen wir doch mal aus der Distanz auf die Männerrolle.