Putin will Europa spalten. Dieses Land macht ihm einen Strich durch die Rechnung
In Tschechien hat ein ehemaliger NATO-General die Präsidentschaftswahl gewonnen. Warum ausgerechnet das ein Sieg für die liberale Demokratie ist.
Prag ist erleichtert. In der Stichwahl der tschechischen Präsidentschaftswahlen Ende Januar setzte sich der ehemalige Vorsitzende des NATO-Militärausschusses Petr Pavel deutlich gegen den populistischen Ex-Premier Andrej Babiš durch. Auf
Unter den Wähler:innen gäbe es keine Gewinner und Verlierer, sagte Pavel jedoch in seiner Antrittsrede und bedankte sich explizit auch bei denjenigen, die für seinen Kontrahenten gestimmt hatten – dafür, dass ihnen die Zukunft des Landes und der Demokratie den Gang ins Wahllokal wert war. Gewonnen habe nicht er, gewonnen hätten Werte wie Wahrheit, Würde, Respekt und Demut.
Verloren, das kann man so klar sagen, hat Ex-Premier und Unternehmer Andrej Babiš, der von ausländischen Medien schon so manches mal als tschechischer Donald Trump bezeichnet wurde. Selbst von denjenigen, die ihn gewählt haben, würden ihn wohl nur die Wenigsten spontan mit den von Petr Pavel beschworenen Werten in Verbindung bringen.
Und noch einer hat bei dieser Wahl verloren: der russische Präsident Wladimir Putin.
Denn Putin hat nicht nur der Ukraine den Krieg erklärt, sondern auch der
Wie der Krieg in der Ukraine den Wahlkampf polarisiert hat
Der Krieg in der Ukraine war das bestimmende Thema im tschechischen Wahlkampf. Steigende Energiepreise, Inflation und die
Nationale Egoismen hat Babiš schon immer gern bedient. So schoss er während seiner Zeit als Regierungschef regelmäßig in Richtung EU und der Bürokratie in Brüssel. Nun ging es gegen europäische Solidarität gegenüber Russland. Wie wenig er sich in der Materie auskennt, bewies er in einer Fernsehdebatte vor der Wahl: Auf die Frage, ob Tschechien Truppen schicken sollte, wenn Polen oder die baltischen Staaten angegriffen würden, verneinte Babiš: »Nein, definitiv nicht. Ich will Frieden, ich will keinen Krieg.
Eine Antwort, die Putin sicher gefallen hat, sollte sie zu ihm durchgedrungen sein. Denn damit räumte Babiš indirekt das vielleicht wichtigste Prinzip der transatlantischen Sicherheitsstruktur ab: die
Ein solcher Fehltritt wäre dem erfahrenen Diplomaten Petr Pavel nicht unterlaufen. Bei Babiš überrascht er nicht. Ob der zur Schau gestellte Pazifismus überhaupt seiner politischen Überzeugung entspricht, ist fraglich – wahrscheinlicher ist, dass er gar keine hat. Der Milliardär, der das Ministerpräsidentenamt einst mit dem Versprechen antrat, das Land wie ein Unternehmen zu führen, ist ein
Kommt jetzt die Zeitenwende im östlichen Europa?
Der neue tschechische Präsident Petr Pavel wird dazu beitragen, diesen Riss zu schließen. Während sein Vorgänger Miloš Zeman auf Kuschelkurs mit China und Russland ging, wird sich Tschechien nun wieder stärker in Richtung Westen orientieren und sich um europäische Absprachen bemühen. Dass ein ehemaliger NATO-Funktionär auf der Prager Burg einzieht, dürfte Putin nicht gefallen. Sein Projekt der europäischen Spaltung wird zumindest hier kein Einfallstor mehr finden.
Auf Unterstützung kann Petr Pavel aus der Slowakei zählen. Dort gewann im März 2019 mit Zuzana Čaputová eine Frau und ehemalige Umweltaktivistin das Rennen um die Präsidentschaft, die ebenfalls für einen sachlichen und um Ausgleich bemühten Politikstil steht. Die Autorin Masha Gessen schrieb im Magazin New Yorker damals von
Es ist kein Zufall, dass es im Wahlkampfstab von Petr Pavel und Zuzana Čaputová personelle Überschneidungen gab und die slowakische Präsidentin zur Wahlparty nach Prag reiste, um Pavel persönlich zu gratulieren. Die Bilder dieses Abends signalisieren: Die Visegrád-Gruppe, die gemeinsam gen Brüssel stänkerte und irrationale Ängste vor einer »Überfremdung« durch Migration schürte, gibt es so nicht mehr. Dafür gibt es ein neues politisches Tandem zwischen Bratislava und Prag, das beweist, dass sachorientierte Kampagnen, die den Bürger:innen etwas zutrauen, erfolgreich sein und politischen Populismus besiegen können.
Auch innerhalb der tschechischen Gesellschaft will Pavel die Gräben schließen. Dafür bringt er gute Voraussetzungen mit. Denn der General a. D. holte mit dem Versprechen von »řád a klid« (Ordnung und Ruhe), seinen Werteappellen und dem seriösen Auftreten einerseits konservativ-bürgerliche Wählerschichten ab, bemühte sich aber andererseits auch um das gut ausgebildete, progressiv denkende Großstadtmilieu. Nach seinem Amtsantritt will er nun zuerst mit denjenigen in Kontakt kommen, die ihn nicht gewählt haben: Seine erste Reise soll ihn in eine der Regionen führen, in der die Menschen
Gräben schließen sich nicht von heute auf morgen, doch die tschechische Präsidentschaftswahl macht Hoffnung, dass sich Europa wieder ein Stückchen näherkommt – und Putin damit einen Strich durch die Rechnung macht.
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