Einmal Kanalisation und zurück: Recyceltes Abwasser wird für Deutschland immer wichtiger
Abwasser ist mehr als eine stinkende giftige Brühe. Es steckt voller Ressourcen und könnte die Lösung für zunehmende Dürren sein.
Sind die Astronaut:innen auf der Internationalen Raumstation (ISS) durstig, können sie nicht einfach einen Wasserhahn aufdrehen. Rund 400 Kilometer über der Erdoberfläche ist jeder Tropfen kostbar, Wasser ein knappes Gut. Nichts wird verschwendet, sondern möglichst in einem geschlossenen Kreislauf wiederverwendet. Im Klartext heißt das:
In Deutschland sind wir zwar meilenweit davon entfernt, Abwasser aufbereitet direkt wieder in das Trinkwassernetz einzuspeisen. Doch spätestens seit den
Dass
Besonders dort,
Abwasser
- kann als Lieferant für Nährstoffe dienen: Neben Schadstoffen enthält das, was durch unsere Kanalisationen fließt, auch größere Mengen an Stickstoff, Kalium und Phosphor. Würde man diese Nährelemente aus allen Abwässern weltweit zurückgewinnen, könnten sie rund
- steckt voller Energie: Zum einen fällt in Kläranlagen viel Klärschlamm an, aus dem durch Bakterien Biogas entsteht. Das wird bereits heute in vielen Kommunen benutzt, um Strom und Wärme zu erzeugen. Zum anderen könnte die in Abwasser enthaltene Wärmeenergie auch direkt in den Häusern, wo es entsteht, mithilfe einer Wärmepumpe zum Heizen genutzt werden. Diese Möglichkeit nutzen bisher wenige Haushalte.
- ist reich an Informationen: Über Proben aus Kläranlagen lassen sich unter anderem Rückschlüsse auf Krankheiten ziehen, die gerade in einer Region zirkulieren. Während der vergangenen 3 Jahre wurde so beispielsweise
- kann selbst zur Wasserquelle werden: Je nachdem wie gut Abwasser gereinigt wird, kann es in lokalen Kreisläufen als Nutzwasser für Toilettenspülungen und Bewässerung oder – wie auf der ISS – sogar als Trinkwasser wiederverwendet werden.
Wenn du mehr über die anderen in Abwasser enthaltenen Schätze erfahren möchtest, lies diesen Artikel meines Kollegen Felix Austen aus dem Jahr 2017:
Heute soll es vor allem um den letzten Punkt gehen. Doch bevor wir uns den Möglichkeiten des Wasserrecyclings widmen, werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichte: Wieso existieren Kanalisationen und Kläranlagen in ihrer aktuellen Form überhaupt?
Wie aus Schmutzwasser wieder klares Wasser wird
In Deutschland läuft die Reinigung von Abwasser in Kläranlagen bislang in 3 Stufen ab:
- Mechanische Reinigung: Zuerst strömt das Wasser durch eine Art Rechen, der groben Unrat (Flaschen, Konserven, Papier, Äste) abfängt. Grobe Stoffe wie Kies oder Sand sinken im sogenannten Sandfang, in dem das Wasser langsamer fließt, nach unten. Im Vorklärbecken setzen sich feinere Schwebstoffe innerhalb weniger Stunden auf dem Boden ab, Fette und Mineralöle hingegen schwimmen an der Oberfläche. Beides wird abgepumpt.
- Biologische Reinigung: Im Belebtschlammbecken pumpen die Betreiber einer Kläranlage zusätzlichen Sauerstoff in das Wasser. Das schafft günstige Bedingungen für Kleinstlebewesen, die sich von Abwasserstoffen ernähren. Auch Schadstoffe wie Schwermetalle bauen sie in ihren Organismus ein. Die Organismen selbst sinken in den Klärschlamm ab. Nach den beiden ersten Stufen ist das Abwasser zu rund 90% gereinigt.
- Weitergehende Reinigung: Der letzte Schritt umfasst die chemische Behandlung des Abwassers und läuft je nach Land und Kläranlage unterschiedlich ab. In Deutschland werden hier hauptsächlich Stickstoff und Phosphor gebunden und entfernt.
Das gereinigte Abwasser wird anschließend in ein natürliches Gewässer wie einen See eingeleitet. Von dort fließt es zum Beispiel ins Meer, Teile versickern aber auch über das Flussbett und bilden das Grundwasser neu. Der Schlamm wird in Biogasanlagen vergärt, wodurch ein Gemisch aus Methan und Kohlendioxid entsteht.
Hat das bisherige Abwassersystem bald ausgedient?
Über 150 Jahre hat sich das derzeitige Abwassersystem bewährt. Die Technik von Kläranlagen verbesserte sich in den letzten Jahrzehnten, sodass auch die
In kleinen Mengen stellt das kein Problem dar, da das Flusswasser die Stoffe auf eine für die Natur unbedenkliche Konzentration verdünnt. Allerdings steigt die Nutzung bestimmter Medikamente und Chemikalien an, die sich über den Umweg über die Kläranlagen in der Natur anreichern und im schlimmsten Fall ins Grundwasser gelangen können.
Die zweite, unlängst größere Herausforderung für unsere Wasserver- und -entsorgung stellt die Klimakrise dar. Und zwar sowohl in Form von gehäuften Trockenphasen als auch durch Starkregenereignisse. Die meisten Abwasserkanäle in Städten sind nicht auf lang anhaltende Niederschläge ausgelegt. Regnet es in kurzer Zeit sehr viel, können sie die Wassermassen nicht mehr aufnehmen. In der Folge quellen die Kanäle über. Regen vermischt mit
In Trockenperioden hingegen, wenn Grundwasserspiegel in weiten Teilen Deutschlands sinken, wirkt unser Abwassersystem verschwenderisch, fast dekadent. Ist Wasser nicht viel zu kostbar, um als Transportmittel für Fäkalien zu dienen? Ist es noch zeitgemäß, das große und kleine Geschäft hauptsächlich mit
Wasserrecycling als Teil einer Kreislaufwirtschaft
Hier setzt das Prinzip des Wasserrecyclings an. Es will lokale Wasserkreisläufe schaffen, entkoppelt vom globalen Wasserkreislauf.
Stark vereinfacht gesagt bedeutet das: Von Deutschland aus fließt das aufgereinigte Wasser von der Kläranlage bislang in Flüsse, versickert dort teilweise, der Rest landet im Meer. Irgendwann verdampft das Wasser und kehrt als Niederschlag (Regen oder Schnee) an Land zurück. Dort versickert es entweder und füllt Grundwasserspeicher auf oder speist als Gletscher im Sommer die großen Flüsse. Das Wasser entnehmen wir dann wieder direkt dem Fluss oder über einen Brunnen dem Grundwasser. Und so weiter und so fort.
Das Problem: Mit fortschreitender Klimakrise wird dieser Kreislauf immer unzuverlässiger. Der Rhein speist sich beispielsweise zu einem großen Teil
Ein lokaler Wasserkreislauf denkt deshalb in kleineren Systemen. Statt den Umweg über Flüsse, Meere und Niederschlag zu nehmen, soll geklärtes Wasser direkt zurück in die Städte fließen und erneut genutzt werden.
Von Haus aus wasserarme Regionen haben dieses Vorgehen bereits perfektioniert. Namibias Hauptstadt Windhoek liegt auf 2.000 Metern Höhe, zwischen 2 Wüsten. Im Jahr 1968 entwickelte das im Südwesten Afrikas gelegene Land ein System, womit
Trinkwasser aus Toilettenwasser zu gewinnen, sei die »Champions League« der Wasseraufbereitung, sagt Jörg Drewes. »Mehr geht nicht.« Er ist Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der Technischen Universität München und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Nutzung von Abwasser. Mitgebracht hat er das Thema aus seiner Zeit in den USA.
Wenn Sie aus Toilettenwasser wieder Trinkwasser gewinnen wollen, dann müssen Sie wissen, was Sie tun. Die Qualität muss absolut zuverlässig sein. Da können Sie sich keine Fehler erlauben. Und das zu tun, ist auch nur zu rechtfertigen, wenn man keine anderen Ressourcen mehr hat. In Deutschland stehen wir in diesem Bereich zum Glück noch nicht so unter Druck.
Wofür statt woher
Doch es muss nicht gleich die Champions League sein. Für Drewes ist ein generelles Umdenken darin, wie wir Wasser nutzen, nötig. Statt eine Leitung für Frischwasser zu haben, plädiert er beim Neubau von Wohnhäusern für 2 separate Leitungen: Eine für Trinkwasser (das nach wie vor aus dem Grundwasser stammen könnte) und eine für aufgereinigtes Wasser aus dem Klärwerk, mit dem die Toilette gespült oder der Garten gewässert werden könnte. »Es wäre so einfach, das als Vorschrift in die Baugesetze der Länder aufzunehmen. Ob man die zweite Leitung tatsächlich nutzt, ist eine andere Frage. Aber dann ist sie schon einmal da«, erklärt Drewes.
Infrastrukturen sind träge, teuer und meist auf viele Jahre angelegt. Wenn die nächsten großen Sanierungen der Kanalisationen anstehen, sollten sich Planer:innen deshalb genau überlegen, wie ein Plan B aussehen kann. Wie sie die Wasserver- und -entsorgung krisensicher machen.
Abseits der Abwasserentsorgung privater Haushalte gibt es andere, teils einfachere Lösungen. Aktuell leitet Jörg Drewes ein
Die Zukunft des Abwassers in Deutschland
Der Wasserbedarf der Landwirtschaft ist in Deutschland im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt noch gering. Doch auch er
Drewes und seine Kolleg:innen schicken das Wasser, nachdem es die 3 Stufen eines normalen Klärwerks durchlaufen hat, durch eine eigene weitere Anlage:
- Zuerst wird es durch eine Ultramembran – einen sehr, sehr feinporigen Filter – gepresst. Dieser fängt Viren und Bakterien ab.
- Dann folgt die Ozonung, also die Behandlung des Wassers mit Gas. Das Ozon zerlegt unter anderem Medikamentenrückstände und Chemikalien. Auch eine Bestrahlung mit UV-Licht, das desinfiziert, ist Teil der Behandlung.
- Schließlich muss das Wasser durch einen Aktivkohlefilter. Bakterien auf der porösen Oberfläche der Kohle fressen die Rückstände der Mikroorganismen und Chemikalien auf.
Drewes möchte zeigen, dass das Ganze nicht aufwendig sein muss. Ein ähnliches Verfahren wird bereits seit Längerem standardmäßig in Kläranlagen in der Schweiz angewandt.
Tatsächlich tut sich in puncto Wasserrecycling gerade etwas in der Europäischen Union: Erstmalig
Um einiges früher, bereits in diesem Sommer, tritt eine andere EU-Verordnung in Kraft. Mit einem Regelwerk über die
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