Dieser blinde Fleck bremst die Energiewende und treibt die Preise
Strom ist teuer wie nie. Das liegt nicht nur am Krieg in der Ukraine, sondern auch am Netzentgelt. Warum das so hoch ist – und wie wir die Kosten fairer verteilen könnten.
Stelle dir vor, du fährst mit dem Auto gemütlich über die Landstraße. Es herrscht wenig Verkehr; Felder, Hügel und Wälder ziehen gemächlich an dir vorüber. Doch etwas ist anders: Überall sind Stromkabel. So weit das Auge reicht. Sie erstrecken sich, an zahllose Masten gespannt, über dir, neben dir, quer über Wege und Felder.
Du drückst das Gaspedal durch, um der bizarren Landschaft zu entfliehen. Kaum zu Hause angekommen, meldet sich dein Handy. Die Akkuanzeige ist im tiefroten Bereich, also ab an den Strom. Nur welche Steckdose nehmen? 10 verschiedene Vorrichtungen reihen sich an der Wand auf, auf allen unterschiedliche Logos wie »Westnetz«, »Netz3000«, »CleverNetz«. Welchen Stromnetzbetreiber wirst du heute wählen?
So sähe unsere Welt aus, wenn jeder Energieversorger sein eigenes Stromnetz betreiben würde – überall wären Kabel, Leitungen, Anschlüsse. Das ergibt natürlich absolut keinen Sinn. Deshalb nutzen die Stromanbieter die gleichen Stromnetze. Egal welchen Energieversorger du wählst, der Strom kommt immer aus derselben Steckdose. Dorthin gelangt er durch das gleiche Stromnetz aus Kabeln, die unter- und überirdisch ganz Europa durchziehen und die Energie aus Hunderten Kraftwerken direkt bis in dein Wohnzimmer liefern.
Es wäre weder umweltschonend noch wirtschaftlich, würde jeder Stromanbieter auf die Idee kommen, sein eigenes Netz parallel zu dem seiner Konkurrenz zu verlegen. So wie es bei der Post, beim Handynetz und in vielen anderen Bereichen der Fall ist, wo viele Verteilungsnetze parallel bestehen.
Titelbild: Ricardo Gomez Angel | Unsplash - CC0 1.0