In wessen Händen liegt deine Gesundheit?
Damit du wieder gesund wirst, müssen dein Arzt und du zusammenarbeiten. Wir verschreiben dir ein Mittel, das es in keiner Apotheke gibt.
Als Gregor eines Morgens aufwacht, hat er sich zwar nicht über Nacht in einen Käfer
Gregors erster Gedanke: »Sicher ein Bandscheibenvorfall! Ab zum Arzt …« Seine Erinnerungen an die letzten Arztbesuche sind jedoch nicht besonders positiv: lange Wartezeiten, kurze, unpersönliche Gespräche, schnell ausgefüllte Rezepte für Medikamente, die am Ende doch nicht viel helfen. Also tut er das, was man heutzutage macht, wenn man Rat in Sachen Gesundheit braucht:
45 Minuten später findet sich Gregor also zähneknirschend und mit schmerzverzerrtem Gesicht im Wartezimmer seiner Hausärztin wieder. Die Skepsis, ob sie sich wirklich Zeit für ihn nehmen wird, begleitet ihn.
»Geht ein Patient zum Arzt …«
Seine Skepsis ist begründet: Für Gespräche haben Hausärzte kaum Zeit. Das liegt auch daran, dass Kommunikation schlecht vergütet wird. Für ein normales Hausarztgespräch gibt es pro Behandlungsfall im Quartal 4,50 Euro. Für Gespräche, die länger als 10 Minuten dauern, zahlen Krankenkassen nur dann ca. 9 Euro, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt.
Auch wenn 10 Minuten ausreichen, um
Ein Arztgespräch: 4,50 Euro
»Viele waren der Meinung, eine Therapie findet erst dann richtig statt, wenn der Therapeut ›Hand anlegt‹, also etwas Konkretes tut. Das Gespräch wurde häufig nicht als fester Bestandteil der Therapie gesehen«,
Was eine Hausarztpraxis stattdessen zu einer gesundheitsfördernden Praxis macht, haben
»Kommunikation« auf den Lehrplan setzen
Die fehlende Anerkennung von guten Gesprächen rührt teilweise auch daher, dass das Fach »Kommunikation« auf dem Lehrplan nur weniger angehender Mediziner zu finden ist. Doch das ändert sich gerade. Bund und Länder haben am 30. März 2017 den »Masterplan Medizinstudium 2020« beschlossen, der unter anderem für mehr Praxisnähe und einen besseren Umgang mit Patienten sorgen soll.
Wie das praktisch funktionieren kann, machen einzelne Universitäten vor, zum Teil schon seit Jahren: In Heidelberg üben Medizinstudenten zum Beispiel mit Schauspielern Patientengespräche. Solche
So sollen Ärzte lernen, mit Patienten auf Augenhöhe zu reden. Am Ende soll eine gemeinsame Entscheidung über die medizinischen Maßnahmen stehen, die zum jeweiligen Patienten passen. Arzt und Patient sind Experten, deren Wissen gefragt ist
Denn Arzt und Patient sind Experten, deren Wissen gefragt ist: Der Arzt kennt sich mit der medizinischen Diagnostik und Therapie aus; der Patient weiß über seine eigene Lebenswirklichkeit Bescheid und muss entscheiden, welche Behandlung er in Anspruch nehmen möchte.
Auch wenn Ärzte aufgerufen sind, ihr Wissen aktuell zu halten und sogenannte
Gregor ist im Sprechzimmer angekommen und hat Glück: Seine Hausärztin beherrscht die
(Mit Klick auf die kleinen Pfeile im Text werden Beispiele für die vorgestellten Gesprächsmethoden angezeigt.) Die Hausärztin kann sehr schnell eine vorläufige Diagnose stellen:
Im Gespräch hält die Ärztin Augenkontakt zu Gregor und
Während der körperlichen Untersuchung vervollständigt sie den Befund, indem sie Gregor über seine Beschwerden befragt. So erhält sie einerseits wichtige Informationen über die Art des Problems und andererseits über Gregors Vorwissen. Die Ärztin
Diese sogenannte Anamnese engt den Kreis der möglichen Befunde ein. Die vorläufige Diagnose Lumbago gehört weiterhin dazu. Um auszuschließen, dass es sich um eine
Da Gregor keine Sensibilitätsstörungen, keine Blasen- oder Mastdarmstörungen und keine ausstrahlenden Schmerzen hat und zudem am Vortag stark körperlich gearbeitet hat, geht seine Ärztin davon aus, dass keine gereizte Nervenwurzel vorliegt. Alles deutet darauf hin, dass es sich um eine dauerhafte Muskelanspannung handelt, die durch ein zu hohes Maß an Beanspruchung entstanden ist. Sie erklärt Gregor ihren Befund. Damit geht die Befundphase in die Gesprächsphase über.
Vor 2 Monaten war die Ärztin auf einer Fortbildung und hat 3 weitere Methoden der Gesprächsführung gelernt:
- »Chunk and check«: Dabei werden Informationen in kleine Einheiten aufgeteilt, um die Verarbeitung auf Patientenseite zu
- »Teach-back-Verfahren«: Dabei wird der Patient gefragt, das Gesagte in eigenen Worten wiederzugeben. So werden Missverständnisse aus dem Weg geräumt, das Verständnis und die Erinnerung des Gesagten
-
- Was ist mein Hauptproblem?
- Was kann ich dafür bzw. dagegen tun?
- Warum ist es wichtig für mich, das zu tun?
Alle Menschen haben Fragen. Mit dieser Methode hat man einen guten Startpunkt, auch wenn sich Patienten mit einem Problem zum zweiten oder dritten Mal vorstellen oder wenn die Situation emotional besonders aufgeladen ist, zum Beispiel bei Gesprächen über schwere Krankheiten. Die Methode hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Mit ihr können Patienten das Arztgespräch aktiv mitgestalten und Einfluss nehmen.
Gerade in der Hausarztpraxis ist die »sprechende Medizin« wichtig: In der ersten Studie zur
Die »Ask-me-three«-Methode macht deutlich: Wie gut oder schlecht ein Behandlungsgespräch wird, liegt nicht nur am Arzt, sondern auch am Patienten. Ärzte können lernen, besser zu kommunizieren; für Patienten heißt das Schlüsselwort: Gesundheitskompetenz.
Gesundheit hat man oder auch nicht?
In anglo-amerikanischen Arztpraxen weisen zum Beispiel Poster an der Wand auf die »Ask-me-three«-Methode hin. Die Idee dahinter: Nur wenn Patienten und Mediziner zusammenarbeiten, können Patienten befähigt werden, gesundheitsrelevante Entscheidungen zu treffen.
Wie gut – oder schlecht – es aktuell um die Kompetenz auf Patientenseite bestellt ist, verrät die bereits erwähnte erste Studie zum Thema aus Deutschland. Dabei geht es, wie der leicht sperrige Begriff bereits verrät, nicht nur um das Wissen über Krankheiten:
Wer gesundheitskompetent handelt, ist motiviert, sein Wissen praktisch anzuwenden. Dazu muss er geeignete Gesundheitsinformationen finden, verstehen und beurteilen, damit er Krankheiten vorbeugen und sie bewältigen kann. Das Ziel: die Lebensqualität erhalten und
Gregors Gesundheitskompetenz ist nicht besonders ausgeprägt. Sonst hätte er direkt erkannt, dass er seine Schmerzen nicht allein bewältigen kann. Vielleicht hätte er sogar gewusst, welches die wichtigsten Symptome eines Bandscheibenvorfalls sind oder zumindest wo er schnell erfahren kann, wie groß die Chance ist, dass er einen hat. Gregor ist kein Einzelfall.
In Deutschland haben mehr Menschen als bisher angenommen eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz:
Mangelnde Gesundheitskompetenz hat weitreichende Folgen: Menschen mit niedrigen Werten schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein, leiden häufiger unter chronischen Erkrankungen, wissen oft nicht, wohin sie sich mit einem gesundheitlichen Problem wenden sollen, nehmen häufiger Medikamente ein, gehen öfter ins Krankenhaus und nutzen häufiger den ärztlichen Notfalldienst. Das wirft Fragen nach gesundheitlicher Ungleichheit auf.
Und bringt Suchmaschinen sind keine zuverlässigen Ratgeber
Schon jetzt geben
Als Gregor seine Suchbegriffe im Browser eingibt, stammen die ersten 5 Ergebnisse von Pharmaunternehmen –
Ein
Auch hier will das Bundesgesundheitsministerium Abhilfe schaffen: Das
Müssen wir jetzt alle Medizin studieren?
Nein, wir müssen nicht alle Medizin studieren, aber eine höhere Gesundheitskompetenz bringt auch langfristig Vorteile: Je mehr wir über Gesundheit wissen, desto gesünder leben wir und können im Krankheitsfall die richtigen Sofortmaßnahmen ergreifen. Wir gehen seltener zum Arzt.
Führend bei Gesundheitskompetenz: Die Niederländer
Klassenprimus in Sachen Gesundheitskompetenz sind auf europäischer Ebene die Niederlande. Nicht nur dort gehören
Ansporn genug also. Nicht nur deshalb soll im Frühjahr 2018 der
Titelbild: Oles kanebckuu - CC0 1.0