In wessen Händen liegt deine Gesundheit?
Damit du wieder gesund wirst, müssen dein Arzt und du zusammenarbeiten. Wir verschreiben dir ein Mittel, das es in keiner Apotheke gibt.
Als Gregor eines Morgens aufwacht, hat er sich zwar nicht über Nacht in einen Käfer Gerundete Angabe aus dem Bericht des Robert Koch-Instituts Ca. 80% der Deutschen kennen Gregors Gefühl, denn so groß ist der Anteil, der mindestens einmal im Leben an Rückenschmerzen leidet.
fühlt sich aber ähnlich eingeschränkt. Nur unter Schmerzen kann er sich langsam auf allen Vieren aus dem Bett rollen. Gerade stehen, große Schritte machen, strecken oder bücken – damit ist es vorbei.Gregors erster Gedanke: »Sicher ein Bandscheibenvorfall! Ab zum Arzt …« Seine Erinnerungen an die letzten Arztbesuche sind jedoch nicht besonders positiv: lange Wartezeiten, kurze, unpersönliche Gespräche, schnell ausgefüllte Rezepte für Medikamente, die am Ende doch nicht viel helfen. Also tut er das, was man heutzutage macht, wenn man Rat in Sachen Gesundheit braucht:
Ergebnis: Mehr als 4 Millionen Treffer. Inklusive einem bunten Mix aus Ratschlägen von »Winkle die Beine an und lege sie auf einen Getränkekasten« bis hin zu »Vorsicht, Querschnittslähmung!!! Gehe zum Arzt!!!«45 Minuten später findet sich Gregor also zähneknirschend und mit schmerzverzerrtem Gesicht im Wartezimmer seiner Hausärztin wieder. Die Skepsis, ob sie sich wirklich Zeit für ihn nehmen wird, begleitet ihn.
»Geht ein Patient zum Arzt …«
Seine Skepsis ist begründet: Für Gespräche haben Hausärzte kaum Zeit. Das liegt auch daran, dass Kommunikation schlecht vergütet wird. Für ein normales Hausarztgespräch gibt es pro Behandlungsfall im Quartal 4,50 Euro. Für Gespräche, die länger als 10 Minuten dauern, zahlen Krankenkassen nur dann ca. 9 Euro, wenn eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt.
Auch wenn 10 Minuten ausreichen, um
wird die Zeit bei psychischen, chronischen und schweren Krankheiten schnell knapp. Obwohl längst bekannt ist, dass das Gespräch zwischen Arzt und Patient der entscheidende Faktor für den Erfolg einer Behandlung sein kann, herrscht in vielen Köpfen medizinischen Personals weiterhin der Grundsatz:Ein Arztgespräch: 4,50 Euro
»Viele waren der Meinung, eine Therapie findet erst dann richtig statt, wenn der Therapeut ›Hand anlegt‹, also etwas Konkretes tut. Das Gespräch wurde häufig nicht als fester Bestandteil der Therapie gesehen«, in der sie ihre eigene Berufsgruppe unter die Lupe genommen hat.
Was eine Hausarztpraxis stattdessen zu einer gesundheitsfördernden Praxis macht, haben Studie zu gesundheitsfördernden Aspekten der Hausarztpraxis (englisch, 2016) Forscher der Universität Köln untersucht. Das Ergebnis: Patienten sind zufriedener, wenn der behandelnde Arzt Zusammenhänge verständlich erklärt, wichtige Punkte der Krankengeschichte kennt und genügend Zeit mit dem Patienten verbringt. Gute Kommunikation, also das Instrument, das besonders schlecht vergütet und von vielen Medizinern noch immer belächelt wird, spielt für die Patientenzufriedenheit Wie stark ein einziges Wort »wirken« kann, beschreibt Maren Urner hier eine entscheidende Rolle.
»Kommunikation« auf den Lehrplan setzen
Die fehlende Anerkennung von guten Gesprächen rührt teilweise auch daher, dass das Fach »Kommunikation« auf dem Lehrplan nur weniger angehender Mediziner zu finden ist. Doch das ändert sich gerade. Bund und Länder haben am 30. März 2017 den »Masterplan Medizinstudium 2020« beschlossen, der unter anderem für mehr Praxisnähe und einen besseren Umgang mit Patienten sorgen soll.
Wie das praktisch funktionieren kann, machen einzelne Universitäten vor, zum Teil schon seit Jahren: In Heidelberg üben Medizinstudenten zum Beispiel mit Schauspielern Patientengespräche. Solche Mustercurriculum für die Arzt-Patienten-Kommunikation der Universität Heidelberg Mustercurricula begrüßt auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Darüber hinaus gibt es andere Initiativen wie das Sozial-Unternehmen Hier geht es zur Website von Washabich.de Washabich.de. Dahinter steckt eine die Medizinstudenten darin schult, anderen Studenten gute Kommunikation beizubringen. Diese Kurse können von Universitäten gebucht werden. Finanziert wird das Ganze vom die Studenten arbeiten ehrenamtlich.
So sollen Ärzte lernen, mit Patienten auf Augenhöhe zu reden. Am Ende soll eine gemeinsame Entscheidung über die medizinischen Maßnahmen stehen, die zum jeweiligen Patienten passen. Arzt und Patient sind Experten, deren Wissen gefragt ist
Denn Arzt und Patient sind Experten, deren Wissen gefragt ist: Der Arzt kennt sich mit der medizinischen Diagnostik und Therapie aus; der Patient weiß über seine eigene Lebenswirklichkeit Bescheid und muss entscheiden, welche Behandlung er in Anspruch nehmen möchte.
Auch wenn Ärzte aufgerufen sind, ihr Wissen aktuell zu halten und sogenannte Das Bundesgesundheitsministerium informiert über die Rechte von Patienten und verlinkt auf Unterstützungsangebote Patientenrechtegesetz ein Recht auf Mitbestimmung. Die Aufgabe der Ärzte ist es, Patienten in die Lage zu versetzen, eine treffen zu können. Merkmale einer guten Arzt-Patienten-Kommunikation Schlüssel dafür ist das patientenorientierte Gespräch.
anzubieten, können sie natürlich nicht alles wissen, geschweige denn allen aktuellen medizinischen Entwicklungen folgen. Das sondern auch rechtlich fraglich: Patienten haben quaGregor ist im Sprechzimmer angekommen und hat Glück: Seine Hausärztin beherrscht die Weitere Regeln und Tipps finden sich in der Material- und Methodensammlung des BMJV Regeln des patientenorientierten Gesprächs.

(Mit Klick auf die kleinen Pfeile im Text werden Beispiele für die vorgestellten Gesprächsmethoden angezeigt.) Die Hausärztin kann sehr schnell eine vorläufige Diagnose stellen:
Gregor beschreibt seine Beschwerden und erzählt von seinen Befürchtungen. SoIm Gespräch hält die Ärztin Augenkontakt zu Gregor und
Sie reagiert empathisch auf Gregors Befürchtungen und beginnt mit der körperlichen Untersuchung. Während der Tests erklärt sie, was sie als Nächstes tun wird und warum. AußerdemWährend der körperlichen Untersuchung vervollständigt sie den Befund, indem sie Gregor über seine Beschwerden befragt. So erhält sie einerseits wichtige Informationen über die Art des Problems und andererseits über Gregors Vorwissen. Die Ärztin
Diese sogenannte Anamnese engt den Kreis der möglichen Befunde ein. Die vorläufige Diagnose Lumbago gehört weiterhin dazu. Um auszuschließen, dass es sich um eine
handelt, die häufig nach einem Bandscheibenvorfall auftritt, kann die Ärztin eine bildgebende Diagnostik anordnen. Sie weiß jedoch, dass die Wartezeiten dafür recht lang sein können, zudem ist die Untersuchung teuer. Deshalb sucht sie nach Hinweisen, die gegen einen BandscheibenvorfallDa Gregor keine Sensibilitätsstörungen, keine Blasen- oder Mastdarmstörungen und keine ausstrahlenden Schmerzen hat und zudem am Vortag stark körperlich gearbeitet hat, geht seine Ärztin davon aus, dass keine gereizte Nervenwurzel vorliegt. Alles deutet darauf hin, dass es sich um eine dauerhafte Muskelanspannung handelt, die durch ein zu hohes Maß an Beanspruchung entstanden ist. Sie erklärt Gregor ihren Befund. Damit geht die Befundphase in die Gesprächsphase über.
Vor 2 Monaten war die Ärztin auf einer Fortbildung und hat 3 weitere Methoden der Gesprächsführung gelernt:
- »Chunk and check«: Dabei werden Informationen in kleine Einheiten aufgeteilt, um die Verarbeitung auf Patientenseite zu
- »Teach-back-Verfahren«: Dabei wird der Patient gefragt, das Gesagte in eigenen Worten wiederzugeben. So werden Missverständnisse aus dem Weg geräumt, das Verständnis und die Erinnerung des Gesagten
- Hier wird die Ask-me-three-Methode ausführlicher erklärt (englisch) »Ask-me-three-Methode«: Dabei ermuntert der Arzt den Patienten gezielt vor allem 3 Fragen zu stellen, um die wesentlichen Punkte der Therapie besprechen zu können:
- Was ist mein Hauptproblem?
- Was kann ich dafür bzw. dagegen tun?
- Warum ist es wichtig für mich, das zu tun?
– Eva Denysiuk, Ergotherapeutin
Gerade in der Hausarztpraxis ist die »sprechende Medizin« wichtig: In der ersten Studie zur Das ist das Ergebnis der 1. Health-Literacy-Studie für Deutschland (deutsch, 2017) landet das Internet als Anlaufstelle für Gesundheitsfragen nur auf dem 4. Platz. Die erste Anlaufstelle bei Gesundheitsfragen bleiben die Hausärzte, gefolgt von Fachärzten und Familienmitgliedern auf Platz 2 und 3. Das persönliche Gespräch und Ratschläge stehen für die Befragten also ganz oben.
in DeutschlandDie »Ask-me-three«-Methode macht deutlich: Wie gut oder schlecht ein Behandlungsgespräch wird, liegt nicht nur am Arzt, sondern auch am Patienten. Ärzte können lernen, besser zu kommunizieren; für Patienten heißt das Schlüsselwort: Gesundheitskompetenz.
Gesundheit hat man oder auch nicht?
In anglo-amerikanischen Arztpraxen weisen zum Beispiel Poster an der Wand auf die »Ask-me-three«-Methode hin. Die Idee dahinter: Nur wenn Patienten und Mediziner zusammenarbeiten, können Patienten befähigt werden, gesundheitsrelevante Entscheidungen zu treffen.
Wie gut – oder schlecht – es aktuell um die Kompetenz auf Patientenseite bestellt ist, verrät die bereits erwähnte erste Studie zum Thema aus Deutschland. Dabei geht es, wie der leicht sperrige Begriff bereits verrät, nicht nur um das Wissen über Krankheiten:
Wer gesundheitskompetent handelt, ist motiviert, sein Wissen praktisch anzuwenden. Dazu muss er geeignete Gesundheitsinformationen finden, verstehen und beurteilen, damit er Krankheiten vorbeugen und sie bewältigen kann. Das Ziel: die Lebensqualität erhalten und
Gregors Gesundheitskompetenz ist nicht besonders ausgeprägt. Sonst hätte er direkt erkannt, dass er seine Schmerzen nicht allein bewältigen kann. Vielleicht hätte er sogar gewusst, welches die wichtigsten Symptome eines Bandscheibenvorfalls sind oder zumindest wo er schnell erfahren kann, wie groß die Chance ist, dass er einen hat. Gregor ist kein Einzelfall.
In Deutschland haben mehr Menschen als bisher angenommen eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz: Factsheet zur ersten Health-Literacy-Studie (2016) Mehr als die Hälfte der Deutschen hat Schwierigkeiten beim Umgang mit Gesundheitsinformationen.

Mangelnde Gesundheitskompetenz hat weitreichende Folgen: Menschen mit niedrigen Werten schätzen ihren Gesundheitszustand schlechter ein, leiden häufiger unter chronischen Erkrankungen, wissen oft nicht, wohin sie sich mit einem gesundheitlichen Problem wenden sollen, nehmen häufiger Medikamente ein, gehen öfter ins Krankenhaus und nutzen häufiger den ärztlichen Notfalldienst. Das wirft Fragen nach gesundheitlicher Ungleichheit auf.
Und bringt Suchmaschinen sind keine zuverlässigen Ratgeber
Schon jetzt geben
Statistik, die den Anteil von Gesundheitssurfern in den Jahren 2006 und 2016 in Europa darstellt
63%
der Befragten an, im Internet nach gesundheitlichem Rat zu suchen. Doch Suchmaschinen sind (noch) keine zuverlässigen Ratgeber. sind nicht zwangsläufig geprüft und stammen häufig von interessengeleiteten Angeboten. Das nutzen zum Beispiel Unternehmen, die bestimmte Medikamente oder Therapien an Mann und Frau bringen möchten.
Als Gregor seine Suchbegriffe im Browser eingibt, stammen die ersten 5 Ergebnisse von Pharmaunternehmen –
Ein
kann bei der Überprüfung der Glaubwürdigkeit helfen. Vermeintlich vertrauenswürdige Informationen im Internet – selbst wenn sie von Medizinpraxen und Krankenkassen veröffentlicht werden – können in die Irre führen und Werbebotschaften enthalten.Auch hier will das Bundesgesundheitsministerium Abhilfe schaffen: Das Informationen zur Gesundheitsversorgung vom IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) bietet schon jetzt gute Patienteninformationen an und soll ein nationales Gesundheitsportal erarbeiten, das die erste Adresse für vertrauenswürdige Informationen werden soll. Das Portal wird den Charakter einer Plattform haben, auf der einstellen können. Es soll sich nicht nur an Patienten richten, sondern auch an Mediziner, Therapeuten und Berater. Für sie wird es Materialien geben, Hier geht es zum Nationalen Gesundheitsportal mit denen sie die Patientenkommunikation verbessern können.
Müssen wir jetzt alle Medizin studieren?
Nein, wir müssen nicht alle Medizin studieren, aber eine höhere Gesundheitskompetenz bringt auch langfristig Vorteile: Je mehr wir über Gesundheit wissen, desto gesünder leben wir und können im Krankheitsfall die richtigen Sofortmaßnahmen ergreifen. Wir gehen seltener zum Arzt.
Der Zeitpunkt des Arztbesuchs im Krankheitsfall wird nach hinten verschoben; die Patientensicherheit bei Bagatellerkrankungen wird gestärkt (auch ohne ärztlichen Rat).Führend bei Gesundheitskompetenz: Die Niederländer
Klassenprimus in Sachen Gesundheitskompetenz sind auf europäischer Ebene die Niederlande. Nicht nur dort gehören Mehr als 70% der Bürger verfügen dort bereits über exzellente oder ausreichende Gesundheitskompetenz,
Ergebnisse aus dem European Health Literacy Survey (englisch, 2012, Seite 33)
weniger als 2% schneiden schlecht ab.
Das niederländische Gesundheitssystem ist zwar in etwa so teuer wie das deutsche, belegt im europäischen Vergleich aber
Hier geht es zum aktuellen Euro Health Consumer Index (englisch, 2016)
regelmäßig den 1. Platz.
Deutschland steht hier aktuell auf Platz 7.
Ansporn genug also. Nicht nur deshalb soll im Frühjahr 2018 der
fertig sein. Die Methode steht schon fest: sollen in Sachen Patienteninformation und -beratung an einem Strang ziehen.Titelbild: Oles kanebckuu - CC0
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