Wie Satire das Internet rettet
Peinliche Politiker, abnormale Abgasnormen, falsche Freiheit im Netz? Humor hilft.
Sei ehrlich, welcher der beiden Beiträge spricht dich mehr an? Beide behandeln dasselbe Thema, sind im Mai 2014 erschienen. Sie erklären die Bedeutung von Netzneutralität in den USA und ihre Gefährdung durch die guten Beziehungen zwischen Politikern und Netzanbietern. 12 Millionen Youtube-Klicks gab es für den britischen Satiriker John Oliver und seinen
John Oliver, der kleine Engländer mit dem verkniffenen Steuerberatergesicht und der Besserwisser-Brille, verpackt in der amerikanischen Show Last Week Tonight Woche um Woche ernste Themen in witzige, klare Bilder. Doch er ist nicht allein. Weltweit wehren sich Satiriker mit scharfem Humor gegen absurde Politik und den Unsinn unserer Zeit – und das mit hoher Online-Reichweite. 6 Punkte, wie das wirkt und warum wir mehr davon brauchen.
1. Satire ist sexy
Im Netz kommt heute kaum jemand um
Doch gleichzeitig
Da sind wir hierzulande noch nicht, und die deutsche Medienwelt funktioniert anders. Doch Satire macht auch in Deutschland etwas grundlegend richtig und trifft in der Mischung des Lustigen mit dem Bitterernsten einen Nerv.
Die Versuchung über etwas einfach nur Witze zu machen ist groß. Wenn man sich aber Mühe gibt, zu erklären und einzuordnen – dann kann Satire etwas leisten.
2. Satire macht kritisch
Satire funktioniert anders als Nachrichten oder Comedy. Bei ihr wird der Zuschauer nicht mit Fakten oder Witzen berieselt, sondern mit einer Mischung aus beidem. Wer mithört, muss mitdenken – und bereits einiges Vorwissen mitbringen. Sonst bleiben der scharfe Witz und die Ironie darin unverständlich.
Gerade im ständigen Wechsel zwischen ernst und heiter und den immer neuen Gedankensprüngen und Perspektivenwechseln ist Satire für den Zuschauer Gehirnjogging. Satire leistet mehr als nur Informationsvermittlung, sie abstrahiert und regt zum Weiterdenken an.
Man kann natürlich Witze über Frauke Petry machen und was sie gerade wieder Doofes gesagt hat. Wesentlich spannender ist es zu fragen: Wie funktioniert Populismus? Satire ist dann zu fragen: ›Wie funktioniert eine populistische Kleingärtnerrede?‹
John Oliver beleuchtet in dieser Folge seiner Show die Rolle von Donald Trumps Kindern für die US-Politik.
Das Wissen, das Satire vermittelt, bleibt sogar besser hängen. Das belegt eine Studie der Universität von Minnesota: Zuschauer des Satirikers Stephen Colbert und seines
3. Satire schneidet einfach tiefer
Hinter jeder guten Geschichte steckt eine gute Recherche. Das trifft auch auf Satire zu: Während Festzelthumor à la Mario Barth noch mit Stereotypen und Witzchen auskommt, graben sich Satiriker und ihre Rechercheteams tief in ein Problem hinein. Aber kann sich Satire auch mit gut recherchiertem Journalismus messen?
Das Medienmagazin American Journalism Review sagte ja und forderte in einem Artikel US-amerikanische Medien auf, sich an den
Satire kann sich etwas trauen, was traditionellen Nachrichtenmedien fehlt:
4. Satire zeigt, wer keinen Spaß versteht
Wenn Jan Böhmermann hierzulande herabwürdigend über den türkischen Präsidenten dichtet und damit eine kleine Staatsaffäre
Und wo geht Satire zu weit? Darauf hat Till Reiners eine klare Antwort:
Die Bühne muss frei sein. Das ist halt Kunst und manchmal geht auch etwas in die Hose. […] Die Grenze ist, wenn keiner mehr lacht. Dann ist es keine Satire mehr.
Das Positive an solchen Skandalen: Jede Diskussion über Redefreiheit und Freiheit der Kunst bringt diese wichtigen Themen wieder auf die Tagesordnung. Diskussionen um die Grenzen von Satire zeigen deutlich die politische Haltung der Wortführer, die gegen diese Freiheiten wettern. Und das kann gerade in Zeiten des wachsenden Extremismus nicht verkehrt sein. Till Reiners behauptet sogar: »Der erste Weg in den Faschismus ist Humorlosigkeit.«
5. Satire bewegt etwas
Lachen, nicken, weitermachen? Gerade politische Satire hat sich weiterentwickelt:
Beim Old-School-Kabarett lachte man noch über die Mächtigen und ging dann nach Hause. So funktioniert Satire heute aber nicht mehr: Wir leben in einer Demokratie und haben alle ein wenig Macht. Wenn wir über »die Mächtigen« lachen wollen, müssen wir also zuerst über uns selbst lachen können.
Satire kann Menschen politisch aktivieren und ihre Unzufriedenheit in Bahnen lenken. Das bewies John Olivers Beitrag zur Netzneutralität. Der Satiriker rief seine Zuschauer dazu auf, ihre Empörung online bei der Federal Communications Commission (FCC) zu äußern. Das taten so viele
Auch in Deutschland funktioniert »Satire-Journalismus«:
Ersetzen kann Satire traditionellen Journalismus aber nicht. Schließlich picken sich Satiriker ihre Themen heraus und beißen sich an einzelnen, absurden Neuigkeiten fest – statt breit gefächert zu berichten. Doch in den wenigen Themen glänzt gute Satire dafür umso mehr und kann begeistern.
Im Kern geht es bei Satire darum: Mit aggressiver Rhetorik, Humor und Spott und bei ausgewählten Themen an einem Status quo zu rütteln, damit sich etwas zum Besseren ändert. Aber ist Satire dabei nicht auch einseitig? Tatsächlich hat Satire meist eine Schlagrichtung – nach oben, gegen die Mächtigen.
Satire ist traditionell eine linke Sportart, da sie von vielen Leuten betrieben wird, die so große Autoritätsprobleme haben, dass sie Satire zur Kunstform erhoben haben.
Doch auch für konservative Zuschauer ist Satire da.Schließlich vermittelt sie vor allem Grundlagen
Till Reiners fragt: Was darf Satire? Und antwortet mit Satire.
6. Satire ist ein Privileg
Was wir bei allem Lob für Satire aber nicht vergessen dürfen:
Nicht jeder ist für Satire gemacht. Satire ist auch nicht das Allheilmittel für alles.
Mit scharfer Zunge und Humor wird weder ein autoritäres Regime in die Knie gezwungen noch Frieden irgendwo auf der Welt geschlossen. Doch Satire gibt vielleicht denen Hoffnung, die in Krisen und Unterdrückung leben müssen. Wie etwa Bassem Youssef, der ägyptische Satire-Star, der
Satire – gute wie schlechte – lohnt sich also auch deshalb zu genießen, weil wir sie in Deutschland ausüben dürfen. In einer offenen Gesellschaft kann sie zudem aufklären, verändern und für die Freiheit eintreten – etwa die Freiheit des Internets.
Um das zu beweisen, trat Satiriker John Oliver vergangenen Monat erneut an und kritisierte in Last Week Tonight mit »Net Neutrality II« den neuesten Angriff des
Der britische Satiriker wiederholte den Aufruf des Protests und stellte gleich eine
Wirksam und witzig.
Deutschland ist trotz einiger Ambitionen beim Thema Humor noch Entwicklungsland. Wie Humor effektiv in einer Gesellschaft wirkt und sie verändert, verraten wir dir demnächst anhand des Beispiels Südafrika.
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