Ein Crashkurs in Wahrheit und Lüge, den wir alle gerade brauchen
Soziale Medien und Talkshows sind voll von unzähligen Wahrheiten, die gegeneinanderstehen. Expert:innen sagen heute das eine, und morgen das andere. Wie können wir da noch wissen, was wirklich »wahr« ist?
Ist da etwas Wahres dran?
Dass Politiker:innen mit entgegengesetzten Positionen die »Wahrheit« für sich reklamieren und dem jeweils anderen »Unwahrheit« oder gar »Lüge« vorwerfen, ist zur Normalität geworden. In politischen Debatten und in sozialen Medien hat der Satz »Das ist die Wahrheit« Hochkonjunktur. Wer sich Talkshows ansieht oder einen Blick in soziale Medien wirft, der wird das Gefühl nicht los, als werde seit einiger Zeit heftiger denn je darum gestritten, was denn nun »wahr« sei und was nicht.
Der US-amerikanische Autor Ralph Keyes attestierte schon 2004 in seinem Buch »The Post-Truth Era«
Täuschung ist zur modernen Lebensweise geworden. Wo einst die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge klar und deutlich war, ist sie es nicht mehr.
Keys mangelte es damals an Quellen und Belegen.
Russland hat die Ukraine brutal überfallen – oder handelt es sich um eine Provokation durch die NATO, worauf Russland nur reagiert? Scheinbar für alle vermeintlich unstrittigen Aussagen finden sich im Netz zahllose Stimmen, die vehement genau das Gegenteil behaupten. Wie soll eine Gesellschaft da noch funktionieren?
Doch ganz so düster ist es nicht, mahnt die Forschung. Über die Konzepte »Wahrheit« und »Lüge« sind allerhand »Unwahrheiten« im Umlauf. Wir müssen dringend verstehen lernen, was Wahrheit wirklich ist, warum Menschen von ihr abweichen und wie wir besser mit ihr umgehen.
Die gute Nachricht: Menschen lügen viel weniger, als du denkst
30.573 – diese Zahl ist mittlerweile berühmt. So oft erzählte laut Washington Post der ehemalige US-Präsident Donald Trump während seiner 4-jährigen Amtsperiode die Unwahrheit –
Ein peinlicher Fehler, denn: Das hat Trump nie gesagt. Faktenchecker-Portale
Ist die Wahrheit uns mittlerweile so egal?
Nein, beruhigt Matthias Gamer, der an der Universität Würzburg Psychologie lehrt und sich auf die Psychologie der Lüge spezialisiert hat. »Man darf von der Prämisse ausgehen, dass sich jeder von uns ab und zu von der Wahrheit entfernt. Doch in der Gesamtheit passiert das nicht so häufig. Im Durchschnitt lügt jeder von uns etwa 2-mal pro Tag. Das ist nicht viel, wenn man bedenkt, wie viel wir jeden Tag kommunizieren.«
Lügt der Mensch 200-mal am Tag?
Die Zahl geistert immer wieder durch die Medien. Sie basiert auf der Behauptung des US-Psychologen Jerald Jellison, der Mensch hörte »jeden Tag 200 Unwahrheiten«. Das ist aber etwas grundlegend anderes. Für 100-faches Lügen im Durchschnitt gibt es keine haltbaren wissenschaftlichen Belege. Die populäre Lügenzahl ist also eine immer weiter transportierte Unwahrheit.
Doch der Psychologe schränkt auch ein, was dabei als Lüge zählt. Wichtig seien 2 Merkmale: Zum einen die Fehlinformation – also die Kommunikation einer falschen Information – und zum anderen die Intention, vorsätzlich zu täuschen – genau hier wird es schwierig. Denn theoretisch hätte Biden einfach Trumps Aussage falsch in Erinnerung haben können. Besonders trickreich wird es, wenn es um Überzeugungen geht. Eine Person, die felsenfest von einem falschen Fakt überzeugt ist, lügt eigentlich psychologisch nicht. Eine Absicht zur Täuschung liegt vor, wenn man anerkennt, dass eine andere Wahrheit existiert, von der man bewusst abweicht. »Ja, das ist ein Graubereich«, erklärt der Psychologe, »weil dieser oft bei Diskussionen um politische Lügen und Fake News ausgeblendet wird«. Und dieser Graubereich immunisiert in gewisser Weise die ideologischen Verbreiter:innen von Unwahrheiten vor dem Vorwurf der Lüge.
Das erklärt auch, warum sich vor allem in der Politik, in Talkrunden und in sozialen Medien gegenseitig der Lüge bezichtigt wird. Denn hier haben wir Systeme, worin konträre Überzeugungen aus bestimmten Gründen aufeinandertreffen. In der Politik dient dies der Demokratie, in Talkshows vor allem der Quote und in sozialen Medien der Reichweite und den Klicks – also letztlich dem Profit der Plattform.
Doch Matthias Gamer warnt auch davor, Lügen nur negativ zu betrachten.
Welche Lügen gut sind und wie wir die schlechten erkennen
»Man muss ein bisschen mit dem Vorurteil aufräumen, dass eine Lüge immer etwas moralisch Schlechtes ist«, sagt Gamer. Evolutionär gesehen hätten Menschen durch die Fähigkeit zum Lügen Vorteile erhalten; die Lügen hätten sich als »sinnvoller Teil unseres Verhaltensrepertoire« erwiesen. Er nennt 2 Beispiele von sogenannten »weißen Lügen«, die keinen Schaden anrichten, sondern sogar Schaden verhindern können:

- Simplifizierende Unwahrheiten: Kindern wird oft vermittelt, dass Lügen generell schlecht sei – dabei benutzen Erwachsene ständig selbst Unwahrheiten, vom Weihnachtsmann bis zur Zahnfee. Das sind »Lügen«, die eine traditionsverhaftete, leicht verständliche Erklärung einer komplexen Wirklichkeit bieten. Solche vereinfachten Erklärungen finden sich bei Weitem nicht nur in der Erziehung. Wer etwas mehr von Quantenphysik versteht, weiß, dass das Schulmodell eines Atoms (Bohrsches Atommodell, Elektronen drehen sich um den Atomkern)
- Soziale Lügen: Personen lügen in Situationen, um andere Personen zu schützen und soziale Nähe zu erhalten. Als Beispiel kann eine diplomatische Antwort auf die Frage »Steht mir das wirklich?« gelten. Wir wollen unser Gegenüber einfach nicht mit brutaler Ehrlichkeit verletzen und damit unsere soziale Beziehung zu der Person gefährden. Damit haben Lügen »in dem sozialen Gefüge, in dem wir unterwegs sind, in dem wir leben, eine wichtige Funktion«, erklärt Matthias Gamer.
Unter dem sozialen Aspekt lassen sich auch Trumps und Bidens Unwahrheiten weiter oben beleuchten. Denn dort zeigen sie einen weiteren Nutzen: Es stärkt den Zusammenhalt der Gruppe, wenn diese Unwahrheiten als Ganzes geduldet oder gar wiederholt werden. Und Gruppenzusammenhalt ist demokratisch gesehen erst einmal nichts Schlechtes.
Auch im Politischen müssen Lügen nicht zwangsläufig verwerflich sein, wenn sie Schaden verhindern, glaubt Gamer. Als Beispiel nennt er etwa die Lüge der Bundesregierung zur Finanzkrise, die »Spareinlagen sind sicher«.
Zudem wäre es nicht nützlich, im Sinn eines Postfaktischen Zeitalters ständig nach Lügen Ausschau zu halten. »Das würde ja unser Leben enorm erschweren«, analysiert der Psychologe. »Niemand würde auf die Idee kommen, bei seinem Lineal zu überprüfen, ob das nun wirklich 30 Zentimeter lang ist.« Das wäre eine kognitive Überlastung und mündete leicht in einer zynischen, ja paranoiden Weltsicht. Würden wir jede Aussage von unserer Partnerin oder unserem Partner oder den Arbeitskolleg:innen akribisch auf Unwahrheiten prüfen, wäre unser Alltag kaum zu meistern.
Doch bei sogenannten »schwarzen Lügen« sollte man genau hinschauen. Dabei handelt es sich um Lügen, die allein dem persönlichen Vorteil dienen und ganz konkreten Schaden anrichten können. Und diese sind nicht erst seit Trump populär, wie ein Blick in die Menschheitsgeschichte zeigt: Von der erlogenen Begründung des Irakkriegs über Walter Ulbrichts Beteuerung, dass niemand vorhabe, eine Mauer in Deutschland zu bauen, bis zur »Konstantinischen Schenkung«, womit sich die mittelalterlichen Päpste irdische Macht in Italien sicherten –
Menschen sind nicht gut darin, Lügen zu erkennen
Zahlreiche Studien belegen, dass Menschen Lügen nur zu knapp 54% erkennen können. Auch bei trainierten Personen wie Richter:innen steigt die Zahl nur um wenige Prozentpunkte. Die Erkenntnis daraus: Die Überlegung »Ist das wahr oder nicht?« reicht zum Lügenerkennen einfach nicht aus. Erst mit Zeit, Nachfragen und dem kritischen Betrachten einer Information aus verschiedenen Blickwinkeln steigt die Kompetenz, eine Lüge zu entdecken.
Daher sei es sinnvoll, so Gamer, in bestimmten Settings und Kontexten vorsichtiger im Umgang mit Informationen zu sein. Besondere Vorsicht sei in Bereichen geboten, wo Lügen in Gruppendynamiken wirken könnten – also etwa in der Politik und vor allem in sozialen Medien. Doch auch dort solle man nicht zu schnell damit sein, betont der Psychologe, anderen das Lügen zu unterstellen, solange es weitere Erklärungsoptionen gebe. Denn für eine Lüge müsse man ja eine Motivation und Intention zum Täuschen annehmen, die man so gut wie nie zweifelsfrei belegen könne – sodass es letztlich oft bei einer Unterstellung bleibe.
Statt also im politischen Kontext und in sozialen Medien über Lügen und deren Absichten zu spekulieren und diese anderen zu unterstellen, sollten wir eher kritisch gegenüber neuen öffentlichen Informationen sein, auch und gerade, wenn sie perfekt zu einem Weltbild passen. Im öffentlichen Diskurs ist es hingegen viel produktiver, über Wahrheit zu reden – aber nicht über die Wahrheit, an die du jetzt vielleicht denkst.
Was uns eine kleine Insel und ein altes Rätsel über Wahrheit beibringen können
Wer etwas über Wahrheit lernen will, sollte die Geschichte der Osterinseln kennen. Diese abgelegene Inselgruppe im Südpazifik beherbergte seit dem 12. Jahrhundert die hochentwickelte Zivilisation der Rapanui – die einst vom Festland des heutigen Chile übergesiedelt war und dann im 17. Jahrhundert unterging. Heute ist die Insel weitgehend menschenleer und karg. Die Frage, was dort passiert ist, ist als »Rätsel von Rapa Nui« bekannt.
Historiker:innen beantworteten es lange Zeit so, dass die Insulaner:innen dort alle einheimischen Bäume zum Transport ihrer religiösen Steinstatuen, den weltweit bekannten Moai-Götzen, rigoros abholzten und damit einen ökologischen Kollaps auslösten. So erzählt es etwa das vielbeachtete Buch

Das ist aus heutiger Perspektive aber sehr wahrscheinlich nicht korrekt.
Neue archäologische Arbeiten legen nahe, dass die Rapanui gar nicht aus Südamerika stammten und
Das heißt aber nicht, dass die erste Erklärung immer schon unwahr war. Sie war auf Basis der damaligen Informationen entstanden, wissenschaftlich diskutiert und akzeptiert. Erst mit neuen Informationen entstand eine wahrscheinlichere
Der Fall der Rapanui kann uns viel darüber beibringen, wie Wissenschaft funktioniert. Und er macht deutlich, wie vorsichtig Forscher:innen – insbesondere in der Geschichtswissenschaft – mit dem Begriff der »Wahrheit« umgehen, weil Informationen
Da darf die Frage erlaubt sein: Was heißt denn überhaupt Wahrheit? Eine Antwort, die uns zurück zum angeblichen Post-Truth-Zeitalter führt, könnte vor allem Philosoph:innen sauer aufstoßen – aber entlarven, wieso der Begriff derzeit so umkämpft scheint.
Dieser Wissenschaftler weiß, warum wirklich alle gerade die »Wahrheit« für sich reklamieren
Wenn Bernhard Kleeberg über »Wahrheit« spricht, dann meint er nicht eine universale, immer gültige, zeitlose Tatsache oder das Gegenteil von Lüge, Unwahrheit oder Irrtum. Der Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität Erfurt betrachtet Wahrheit aus der Perspektive der sogenannten »historischen Epistemologie«. Dahinter verbirgt sich ein Ansatz, der grundlegende erkenntnistheoretische Kategorien in ihren historischen Zusammenhängen analysiert.
Auch er bemerkt: »Die Wahrheit ist heute total präsent im Diskurs
Anders gesagt ist sich Kleeberg sicher, dass auch die »Wahrheit« zunächst einmal ein Begriff in unserer Sprache und eine Kategorie in unserer Kultur ist.
Für uns ist das Entscheidende, dass Wahrheit etwas ist, was etwas mit den Menschen macht, etwas in Gang setzt. Man ruft sie an in bestimmten Situationen, damit da etwas passiert. Am einfachsten kann man sich das in ganz alltäglichen Szenen vorstellen. Das kennen wir aus Liebesfilmen, wenn jemand fragt: ›Liebst du mich, sag die Wahrheit.‹ In dem folgenden Dialog geht es nicht in einem erkenntnistheoretischen Sinn darum, ob die Person B wirklich die Person A liebt. Es geht darum, ob die Beziehung funktioniert oder nicht. Es geht darum, sich zu jemandem zu bekennen.
Mit dieser Perspektive wirkt Wahrheit vor allem
Auch eine Sahra Wagenknecht ruft eine Wahrheit an, ja sogar ein Donald Trump. Und wer ihnen zustimmt, bekennt sich zu ihrer Interpretation der Wirklichkeit – mit allen darin enthaltenen
Parallelen zu einem religiösen Glaubensbekenntnis drängen sich auf, bei dem es ja auch vor allem um Zugehörigkeit und Abgrenzung geht. Wer »Wahrheit« anruft, fordert also andere auf, sich im Verhältnis zu der eigenen Weltsicht zu bekennen, und schafft ein Für und ein Dagegen.
Das erklärt das verstärkte Anrufen von – und streiten um – »Wahrheit« in politisch polarisierten Zeiten, denn dort geht es vor allem um politische Abgrenzung und Gruppenbildung. Man sollte also generell vorsichtig sein, wenn jemand politisch von »Wahrheit« spricht. Hier dürfte oft eine ganz andere Botschaft dahinterstehen: »Bekenne dich zu mir oder gegen meine Gruppe.« Anders gesagt geht es um Identitätspolitik und politische Macht.

Und ja, das macht den heutigen Diskurs natürlich komplizierter; vor allem weil dieser über soziale Medien global geführt wird und sich immer mehr Menschen und Gruppen Gehör verschaffen wollen.
Im politisch verstärkten Ringen wirkt das so, als sei Wahrheit beliebig geworden und als habe ein
Wer da nicht mitspielen will und wirklich um eine vernünftige Interpretation der Realität ringt, dem kann die Wissenschaft durchaus einen Weg weisen.
Diese Denkgewohnheiten brauchst du heute
Viele Menschen waren während der Pandemie froh, dass Wissenschaftler:innen unermüdlich in der Öffentlichkeit versucht haben, aufzuklären. Doch genau das könne auch nach hinten losgehen, mahnt Wissenschaftshistoriker Kleeberg. Denn so wichtig Kommunikation zwischen Forschung und Gesellschaft auch sei, in Talkshows und Debattenrunden begäben sich Forscher:innen auf die Ebene des politischen Ringens um Wahrheit. Und genau dort werde von Forschern verlangt, anhand von Fakten »wahre Aussagen« zu produzieren, die dann zu Handlungsempfehlungen führen sollten. Und genau das sei während der Coronapandemie immer wieder geschehen.
In einer solchen Situation sind Wissenschaftler:innen zur Eindeutigkeit gezwungen, obwohl echte Wissenschaft mit Wahrscheinlichkeiten und Unsicherheiten operiert, die einbeziehen, dass Erkenntnisse vorläufig und uneindeutig sein können. Werden wissenschaftliche Erkenntnisse auf öffentlicher Bühne als »Wahrheiten« präsentiert, entsteht eine öffentliche Reaktion. Denn wenn sich etwas an den wissenschaftlichen Befunden ändert, werden die Forscher:innen für ihre angeblich »unwahren« Aussagen verantwortlich gemacht. Das kann im schlimmsten Fall das Vertrauen der Öffentlichkeit in Wissenschaft beschädigen und so wirken, als sei Wissenschaft nur eine verhandelbare Erklärung unter vielen.
Kleeberg erklärt: »Menschen schauen oft zur Forschung und erwarten von ihr, dass sie festlegt, was wahr ist und was nicht – als eine Art letzter Entscheider. Doch das ist ein Missverständnis. ›Das ist eindeutig wahr und alles andere falsch‹, würde auch kein:e Wissenschaftler:in sagen. So funktioniert Wissenschaft halt nicht.« Zumindest, wenn man sich von simpler Mathematik entfernt. Wer auch immer das tut, beruft sich auf eine
Galileo war nicht allein
Die weitverbreitete Erzählung darüber, dass der geniale Galileo Galilei angeblich als Erster erkannt hätte, dass sich die Planeten um die Sonne drehen, ist nicht korrekt. Der Durchbruch zum heliozentrischen Weltbild vollzog sich in einer Vielzahl von Schritten, von griechischen Vordenkern im dritten Jahrhundert vor Christus bis zu Nikolaus Kopernikus. Galileo machte astronomische Beobachtungen, die das heliozentrische Weltbild belegten, und geriet in Konflikt mit der Kirche.
Stattdessen geht es in der echten Welt der Wissenschaft – das steckt ja schon im Namen – um Wissen; also um Fakten, Belege, Wahrscheinlichkeiten, Hypothesen und Interpretationen, die sich auch verändern können. So wie bei der Lösung des Rätsels von Rapa Nui. Und genau dies kann eine wertvolle Perspektive in einer Zeit sein, in der vieles in Bewegung und unklar ist – von Pandemie bis zum Krieg. Um sie zu erlernen, müssen wir nur die folgenden Denkgewohnheiten verinnerlichen:
- Sei skeptisch gegenüber absoluter Wahrheit und gegenüber denjenigen, die sie für sich beanspruchen. Hier geht es um Politik, Zugehörigkeit und Abgrenzung.
- Bewerte neue Informationen stets im Zusammenhang. Welche Positionen und Institutionen stehen dahinter? Auf welchen überprüfbaren Erkenntnissen beruht eine Information? Wie wahrscheinlich ist sie? Es ist etwa sehr unwahrscheinlich, dass sich ein echter Forschungskonsens wie der menschengemachte Klimawandel als falsch erweist oder dass ein wissenschaftlicher Laie »den einzigen Durchblick« hat (Galileo-Erzählung).
- Akzeptiere, dass du vieles nicht wissen kannst. Wissenschaftlich denken heißt auch, Widersprüche und Ambivalenzen auszuhalten. Ob man mit Putin jemals verhandeln kann, muss die Zeit zeigen. Heute kann das niemand final wissen, nur eine Meinung dazu haben. Diese als eine von vielen möglichen Hypothesen anzusehen und geistig flexibel zu bleiben, ist wichtig. Denn nur so schützt du dich vor ideologischen Gräben.
- Wähle deine Interpret:innen sorgfältig. Wir alle brauchen vertrauenswürdige Personen, die interpretieren und uns die Informationsaufnahme leichter machen. Denn die Welt wird immer komplexer, und sich intensiv mit einem Thema zu beschäftigen, kostet oft mehr Zeit, als wir haben. Suche dir deine Quellen sorgfältig aus und mache dir klar, dass auch Expert:innen in sozialen Medien den Mechanismen derselben unterworfen sind. Ihre Aussagen können die Polarisierung und Zuspitzung befeuern und den Anschein einer Post-Truth-Era erst erzeugen.
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily