Langeweile macht kreativ? So einfach ist es nicht …
Dass Menschen in diesem Zustand auf bessere Ideen kämen, sei ein Missverständnis, sagt die Soziologin Silke Ohlmeier. Welche destruktiven Kräfte Langeweile freisetzen kann und wie du gute von schlechter Langeweile unterscheidest.
Im Alter von 19 Jahren beginnt Silke Ohlmeier eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei einem Busunternehmen. Die Schulzeit war endgültig vorüber, die Sommerferien auch, und die neue Welt, die sie an diesem Morgen um 7 Uhr betritt, liegt auf einem Industriegelände irgendwo im Ruhrgebiet. Die meisten Kolleginnen und Kollegen sind noch im Urlaub. Ihren ersten Arbeitstag verbringt die junge Auszubildende allein in ihrem Büro. Von Anfang an hat sie ein ungutes Gefühl. Doch es liegt nicht an der Abwesenheit der anderen. Es ist die Arbeit, die sie verrichten soll.
Die Firma hatte sich auf den Arbeitsbeginn ihrer neuen Mitarbeiterin vorbereitet. An ihrem ersten Tag sollte sie sofort etwas zu tun haben. In den letzten Wochen hatte das Unternehmen Lieferscheine gesammelt, die sich jetzt in kleinen Türmchen auf dem Schreibtisch von Silke Ohlmeier stapelten. Ihre Aufgabe bestand darin, die Scheine zu sortieren und abzuheften.
»Bereits nach einer Stunde wurde ich unkonzentriert, nach zwei Stunden war ich hundemüde und am Ende der Woche schien mir eine dreijährige Ausbildung in diesem Betrieb eine ganz schlechte Idee gewesen zu sein«, schreibt sie in ihrem gerade erschienenen Buch, das von einem ihrer Meinung nach missverstandenen Gefühl handelt: der Langeweile. »Alleine saß ich in meinem Büro und war nicht nur dem Schlaf, sondern auch den Tränen nahe. Das war der Moment, in dem ich bereits hätte wissen können, dass dieser Ort für mich der langweiligste auf der ganzen Welt werden würde und ich die Ausbildung besser sofort abgebrochen hätte.«
Titelbild: Maria Lysenko auf Unsplash | Bearbeitung: Claudia Wieczorek - CC0 1.0