Wo helfen? So findest du ein Ehrenamt, das zu dir passt!
Diese Anlaufstellen haben mir geholfen, in einer Woche das perfekte Ehrenamt zu finden.
Vorne Gewächshäuser mit Aufzuchtstation und keimenden Jungpflanzen, dahinter Hochbeete voller Wintergemüse wie Grünkohl, Porree und Spinat: An einem kalt-nebligen Dienstagvormittag befinde ich mich auf einer Gemüsefarm – mitten im Ruhrgebiet. In meinen Händen halte ich eine Schubkarre, meine Schuhe kleben am matschigen Boden. Vor mir: ein großer Komposthaufen. Noch vor 2 Monaten hätte ich nie gedacht, dass ich hier lande.
Stundenlang klickte ich mich damals durch das Internet, am Ende hatte ich 17 Tabs auf. Schlauer als vorher fühlte ich mich nach meiner Recherche nicht – im Gegenteil. Resigniert klappte ich den Laptop zu. Meine Mission, ein Ehrenamt für mich zu finden: gescheitert. Zumindest vorerst. Meine Hoffnung, auf die Schnelle eine Stelle zu finden: eine Illusion. Zu viele Angebote, zu viel Auswahl, zu viele Anlaufstellen gibt es.
Ich beschließe, dem Ganzen mehr Zeit zu geben. Das Ergebnis: ein Leitfaden, den ich heute mit dir teilen möchte.
Warum meine erste Recherche nicht erfolgreich war
Die erste Recherche hat mir bis auf viele Fragezeichen nichts gebracht. Wo brennt es akut, wo werden Leute gesucht und dringend gebraucht? Und wofür würde ich brennen? Ich fühlte mich überfordert.
So geht es vielen in Deutschland. Zwar übt
In Deutschland ist die Zahl der Freiwilligen seit mehr als 10 Jahren stabil, im Vergleich zu 1999 sind die Zahlen aber um mehr als 6 Millionen Menschen
So hat sich die Zahl der Freiwilligen in Deutschland entwickelt
Die Zahlen stammen aus dem Deutschen Freiwilligensurvey, der alle fünf Jahre erhoben wird. Für die repräsentative Umfrage wurden 27.762 Menschen in Deutschland befragt. Die Angaben sind in Millionen.
Insbesondere an Diversität mangelt es im deutschen Ehrenamt.
Der durchschnittliche Engagierte in Deutschland ist Mitte 40, weiß, hat einen akademischen Bildungshintergrund und ist im Sport engagiert.
Nicht nur aufgrund des erschwerten Zugangs für manche Personengruppen gibt es Kritik am Ehrenamt.
Warum das Ehrenamt nicht unumstritten ist
Um die Kritik zu verstehen, kann man sich fragen: Was, wenn es kein Ehrenamt gäbe? Wie sähe die Geflüchtetenhilfe ohne das Engagement vieler Tausender aus? Wer würde Obdachlosen helfen, wenn es weder die Obdachlosenhilfe noch die Tafel und deren unzähligen freiwilligen Helfer:innen gäbe? Wie würde das gemeinschaftliche Zusammenleben in Dörfern oder Kleinstädten aussehen ohne ehrenamtlich organisierte Kulturveranstaltungen oder die von einem Förderverein betriebene kommunale Bücherei?

Schnell wird klar: Das Ehrenamt ist unverzichtbar. Das öffentliche Sozialwesen stützt sich auf die freiwillige Arbeit von Millionen Ehrenamtlichen. Unterfinanzierte Kommunen, Personalmangel in Schulen, in der Pflege und dem Gesundheitswesen oder auch ein massiver Stellenabbau in der Jugendarbeit: All das wird durch
Ein Blick auf die größten Bereiche des ehrenamtlichen Engagements zeigt ebenso, dass sich vor allem in sozialen Bereichen viele Menschen engagieren:
In diesen gesellschaftlichen Bereichen engagieren sich Menschen in Deutschland
Die Zahlen geben an, wie hoch der Anteil der Bevölkerung ist, der sich in einem bestimmten Bereich engagiert. So engagieren sich etwa 13,5% der Bevölkerung im Bereich Sport und Bewegung. Die Zahlen stammen aus dem Deutschen Freiwilligensurvey, der alle fünf Jahre erhoben wird. Für die repräsentative Umfrage wurden zuletzt 27.762 Menschen in Deutschland befragt. Bei dieser Frage waren Mehrfachnennungen möglich.
Auch aus der PD-Community kam ähnliche Kritik:
Ehrenamt sollte auch kritisch betrachtet werden: Das Sozialsystem wird immer weiter abgebaut, die Arbeitsbedingungen dort sind prekär. Das kann nicht durch freiwillige, bessergestellte Ehrenamtliche kompensiert werden. Wer Ehrenamt feiert, sollte sich auch mit sozialer Ungleichheit auseinandersetzen!
Wie euch das Ehrenamt begeistert
Demgegenüber steht eine regelrechte Euphorie bei vielen. Vor mehr als 2 Wochen habe ich einen Aufruf gestartet, bei dem ich euch unter anderem gefragt habe:







Das Ehrenamt
Sich ehrenamtlich zu engagieren bedeutet, für eine Organisation oder einen Verein freiwillig und in den allermeisten Fällen ohne Vergütung Arbeit zu leisten. Viele Freiwillige tun dies, um anderen Menschen zu helfen. Nicht umsonst zählt das Ehrenamt als wichtiger Pfeiler der Demokratie. In Deutschland führen etwa 29 Millionen Menschen ein Ehrenamt aus. 39,7% der Bevölkerung ab 14 Jahren engagieren sich regelmäßig oder gelegentlich. Im EU-Vergleich ist das überdurchschnittlich viel: Nur in 5 Ländern sind es prozentual gesehen mehr.
Eure Erfahrungen mit freiwilligen Engagements werden in diesem Text auch noch an anderen Stellen einfließen.
Eine ähnliche Erfahrung erhoffe auch ich mir von meinem künftigen Ehrenamt. Nur wo kann ich mich sinnvoll engagieren? Ich frage mich: Gibt es Bereiche, in denen gerade akut nach Ehrenamtlichen gesucht wird?
Anna-Katharina Friedrich hat dazu eine klare Antwort: »Engagierte und Freiwillige werden immer gesucht und immer gebraucht. Bei der Suche nach einem passenden Ehrenamt geht es also eher darum, herauszufinden, wo meine persönlichen Interessen liegen, die ich in meiner Freizeit einbringen möchte.«
Damit spricht Friedrich einen weiteren zentralen Punkt an: Es ist die eigene Freizeit, die man für das Ehrenamt aufwendet. Und das ohne finanzielle
Diese 7 Fragen solltest du dir stellen:
1. Warum willst du dich engagieren?
Was bewegt dich dazu, dich ehrenamtlich zu engagieren? Unterschiedliche Gründe könnten dich dazu motivieren. Überlege genau, welche es sind – um herauszufinden, welches Bedürfnis dich treibt. Das Bedürfnis zu helfen, etwas Sinnvolles zu tun, deinem Alltag eine neue Struktur zu geben oder mit neuen Leuten in Kontakt zu kommen?
Anna-Katharina Friedrich bringt die Vorzüge eines Ehrenamts auf den Punkt:
Ich bin der festen Überzeugung, dass man durch freiwilliges Engagement einerseits ein bisschen aus seiner Blase rauskommt und Leute kennenlernt, mit denen man vielleicht sonst niemals zusammengekommen wäre. Außerdem lernt man und wird sensibel. Es ist sehr wichtig, dass wir alle dazu beitragen, dass wir in einer lebenswerten Gesellschaft leben. Ehrenamt und Engagement sind dafür wichtige Bausteine.
2. Wofür möchtest du dich engagieren?
Wo liegen deine Interessen? Was liegt dir besonders am Herzen? Mit einem Ehrenamt kannst du dich genau dafür einsetzen. Ob etwa für die Umwelt, für Integration, gesellschaftlichen Zusammenhalt oder Gerechtigkeit: Mit einem Ehrenamt kannst du bei den Themen hautnah mithelfen, die dir wichtig sind.
Ich bin Umweltbeauftragte in meiner Kirchengemeinde, weil man nicht nur klimalabern darf, sondern etwas tun und andere mitnehmen muss.
3. Wo liegen deine Stärken, wo kannst du dich gut einbringen?
Als Nächstes kannst du dich fragen: Was kann ich gut und wo könnte ich damit helfen? Hast du besondere Fähigkeiten, mit denen du anderen helfen möchtest? Das könnte zum Beispiel das Beherrschen mehrerer Sprachen oder der Umgang mit digitalen Programmen sein.
Ich engagiere mich als Hospizbegleiterin und in der Krisenintervention beim Roten Kreuz. Was mich dazu bewegt hat? Der Wunsch, für Menschen in schwierigen Situationen da zu sein. Das Wissen, dass ich hier etwas zu geben habe.
Frage dich aber auch: Was möchtest du lernen? Denn es gilt: In den meisten Fällen ist jede helfende Hand willkommen – aber das Ehrenamt bildet oft auch eine optimale Möglichkeit, um neue Dinge dazuzulernen.
4. Wie viel Zeit hast du zur Verfügung?
Bei dieser Frage ist es wichtig, tief in sich zu gehen und ehrlich zu fragen: Wie viel Zeit bist du bereit, für ein Ehrenamt zu opfern? Denn das Ehrenamt findet in der Freizeit statt – wohlüberlegt sollte also sein, wie viel Zeit du dafür aufwenden kannst. Ist es ein ganzer Tag in der Woche, 2 Stunden die Woche
5. Wie viel Flexibilität brauchst du?
Ebenso spielt es eine entscheidende Rolle, ob du eine gewisse Flexibilität haben möchtest. Ist es dir wichtig, einen festen Termin in der Woche zu haben? Oder darf oder sollte dieser flexibel sein? Manche Ehrenämter verlangen langfristiges Engagement, genauso gibt es aber auch ehrenamtliche Projekte, bei denen du nur einmalig helfen kannst.
6. Was möchtest du konkret tun?
Es gibt unzählige Möglichkeiten, sich zu engagieren. Welche ist die richtige für dich? Das hängt auch davon ab, was du konkret tun möchtest: Möchtest du selbst aktiv werden und »mit anpacken« oder liegt dir die Arbeit am Schreibtisch in den eigenen 4 Wänden mehr?
Wie viele Möglichkeiten es gibt, zeigte auch der Aufruf:








7. Was erwartest du von deinem Ehrenamt?
Zuletzt ergibt es durchaus Sinn, sich vorher Gedanken über die eigenen Erwartungen zu machen. Was sollte erfüllt sein, damit du eine gute Erfahrung machst? Möchtest du von Beginn an aktiv mitgestalten? Erwartest du, dass man dich an die Hand nimmt und dir eine bestmögliche Hilfestellung bietet? Mache dir klar, was wichtig für dich ist – und frage nach, wie realistisch das bei konkreten Engagements ist.
Schnell war mir klar, in welche Richtung es für mich gehen soll
Die Fragen sind bei mir schnell beantwortet: Ich möchte einen Teil meiner Freizeit wieder sinnvoller nutzen – und rauskommen aus dem manchmal eintönigen Großstadtleben, raus aus dem Netflix-Strudel. Neben meinem Studium und meiner Tätigkeit bei Perspective Daily bleibt mir dafür noch Zeit. Pro Woche sollten es allerdings nicht mehr als 2, 3 Stunden sein. Und ich möchte flexibel bleiben. Aktuell sind mir Themen wie Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und gesunde Ernährung wichtig.
Je mehr Fragen ich mir beantworte, desto klarer wird mir: Ich möchte raus ins Grüne, mit anpacken, gemeinsam mit anderen, es soll mir aber auch Spaß machen. Aufgewachsen auf einem Bauernhof und als Sohn
Offen blieb für mich zunächst aber noch die Frage, wo ich nach dem perfekten Ehrenamt für mich suchen sollte. Da gibt es einige Optionen, die ich allesamt getestet habe.
Diese Anlaufstellen und Tools gibt es:
Ehrenamts-Checker
Tools wie der
Digitale Plattformen
Digitale Anlaufstellen gibt es zahlreiche im Netz, zum Beispiel govolunteer.com, ehrenamtsuche.de oder
Lokale und kommunale (Beratungs-)Angebote
Am besten bieten sich in der Regel lokale bzw. kommunale Angebote an. In den meisten Städten oder Kreisen gibt es eine Organisation, die sich um die Koordinierung und das Matching von Ehrenamt und potenziellen Helfer:innen kümmert. Häufig sind es sogenannte Freiwilligenagenturen, deutschlandweit gibt es davon mehr als 500. Diese haben häufig eine Website mit Suchfunktion und bieten oft auch individuelle Beratung oder Hilfestellungen an.
Augen und Ohren offenhalten
Wer aufmerksam bleibt, kann auch auf vielen weiteren Wegen das perfekte Ehrenamt finden. Sei es der Blick in die lokale Wochenzeitung, in soziale Medien oder auch das persönliche Gespräch: Spannende Ehrenämter warten an jeder Ecke. Anna-Katharina Friedrich hält insbesondere letztere Variante für erfolgversprechend: »Freunde, Bekannte oder Verwandte zu fragen, ob sie sich ehrenamtlich engagieren, ist immer besonders spannend. Denn am Ende ist es dann doch das persönliche Gespräch, was einen von einem Ehrenamt überzeugt. Man fragt sich: Passt das auch für mich?«
So habe ich mein Ehrenamt gefunden
Meine erste Station auf der Suche nach dem perfekten Ehrenamt für mich war schließlich die Beratung der Freiwilligenagentur meiner Stadt Bochum. Schnell habe ich mich auf der Website für eine Beratung angemeldet – und nicht minder zügig erhalte ich bereits einen Rückruf. Die Frau am anderen Ende der Leitung erzählt mir mit freundlicher Stimme von einem Checkbogen, den ich zunächst einmal ausfüllen musste. Habe ich das getan, würde ich meine Vorschläge per E-Mail erhalten. 5 Seiten teils persönlicher Fragen beantworte ich. Als ich einen Tag später meine Vorschläge erhalte, bin ich ein wenig enttäuscht. 2 Bürojobs werden mir vorgeschlagen – das hatte ich mir so nicht vorgestellt. Einen Anruf später wird mir versprochen, mir per E-Mail weitere Vorschläge zukommen zu lassen, die besser zu meinen Anforderungen und Wünschen passen. Auf die E-Mail warte ich noch heute.

Ich beschließe, eine digitale Alternative auszuprobieren: Lets Act –
Ist das das perfekte Ehrenamt für mich?
Und damit zurück auf die Gemüsefarm. Es ist 11 Uhr an diesem neblig-frischen Dienstagvormittag. Gemeinsam haben wir bereits viel geschafft. Nun geht es ans Eingemachte – die Einsaat. Eine italienische Zwiebelsorte wartet darauf, gesät zu werden.
Vorher aber beschließen wir, noch eine kurze Pause einzulegen. Die Zeit nutze ich und gehe tief in mich – ist es das, was ich mir vorgestellt habe? Ich schaue mich um: Bald werden hier Zwiebeln wachsen, die ich gesät haben werde. Ein Gefühl der Zufriedenheit überkommt mich. Lange hat sich ein Tag für mich nicht mehr so sinnvoll angefühlt. Von nun an kann ich hier immer helfen, wenn ich Lust darauf habe – und ich meine Zeit wieder sinnvoll nutzen
Mit Illustrationen von Frauke Berger für Perspective Daily