Das Zeitalter der KI hat begonnen. Diese Fragen müssen wir uns jetzt stellen
4 drängende Fragen zum Thema KI, die unsere Zukunft entscheiden können.
Wenn Bill Gates von einer Zeitenwende spricht, sollten wir hinhören.
Darin skizziert er den revolutionären Umbruch durch Technologie, der derzeit stattfindet: KI-Anwendungen wie ChatGPT erobern die Welt. Gates vergleicht dies mit der Erfindung des Mikroprozessors, des Computers für zu Hause sowie des Smartphones und sieht die Menschheit am Anfang einer weiteren rasanten Entwicklung, die unser Leben auf Dauer tief verändern und prägen wird.
Nun ist Gates bekanntlich Technologie-Enthusiast. Doch er ist längst nicht allein mit der Meinung, 2023 könnte als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem KI-Anwendungen der Durchbruch in den Mainstream gelang. Bereits im Januar erreichte die Software ChatGPT über 100 Millionen Nutzer:innen – und wurde dabei zur am schnellsten wachsenden Verbraucheranwendung jemals.
Wohin wird das führen?
Es wird die Art und Weise verändern, wie Menschen arbeiten, lernen, reisen, sich medizinisch versorgen und miteinander kommunizieren. Ganze Branchen werden sich daran neu orientieren. Unternehmen werden sich dadurch auszeichnen, wie gut sie es nutzen.
Gates vergleicht seine Erfahrungen mit KI-Anwendungen mit dem Moment, als er das erste Mal ein grafisches Computerinterface sah – einen Prototyp aller modernen Computeroberflächen und des Betriebssystems Windows. Heute wissen wir, welcher Siegeszug Heimcomputer dadurch gelang. Doch damals, 1980, in einem kleinen Zimmer mit flackerndem Bildschirm, konnte Gates nur erahnen, welche Ausmaße die neue Technologie annehmen würde und was 30 Jahre später allgegenwärtig und die neue Normalität sein würde.
Wenn wir also heute über KI-Systeme sprechen, müssen wir uns klarmachen, dass wir uns sehr wahrscheinlich an einem ähnlichen Punkt befinden wie Bill Gates damals. Wir können verstehen, dass eine disruptive Technologie gerade rasante Sprünge macht. Doch wie genau sie die Welt verändern wird, ist noch offen und für uns nicht völlig ersichtlich. Es hängt maßgeblich von einigen zentralen Fragen zu KI-Systemen ab.
Hier sind die 4 wichtigsten Fragen, die wir uns jetzt stellen sollten – und der Versuch, sie zu beantworten.
Klicke auf die Frage, die dich am meisten beschäftigt.
Wie entwickelt sich die KI weiter?
Der bekannteste Chatbot der Welt, ChatGPT, umfasst derzeit
Doch während ChatGPT schon beeindruckend ist, übertreffen es neuere Modelle sogar noch. Um einen Eindruck des Fortschritts zu geben: Beim Schritt von GPT3 (worauf ChatGPT letztlich basiert) aus dem Jahr 2020 zum Nachfolger GPT4 aus dem Jahr 2023 wuchs die Menge an
So lernte ChatGPT das Schreiben von Computercode, woraus findige Nutzer:innen etwa
Hast du es erkannt? Wir haben unser Titelbild heute von der KI-Anwendung Midjourney erstellen lassen.
Aber was heißt das?
Selbst Expert:innen wie David Cox, der Direktor der führenden KI-Forschungsinitiative am US-amerikanischen MIT in Boston (Watson AI Lab), hat keine bessere Antwort als:
Cox und andere KI-Forschenden rufen aber auch in Erinnerung, dass alle bisherigen KI-Anwendungen trotz beeindruckender Beispiele nur spezialisierte und enge Lösungen sind. Eine generelle KI, die wie ein Mensch alle Aufgaben übernehmen und sich selbst Dinge beibringen kann, ist noch Science-Fiction. Der Weg von aktuellen KI-Anwendungen zu einem nützlichen
Das grundsätzliche Problem hierbei ist der Wettlauf der großen Techunternehmen, um KI-Anwendungen in eigene Angebote zu integrieren. Denn diese beginnen nach einer Phase der offenen Entwicklung damit, ihre Geheimnisse zu hüten. So änderte auch OpenAI, die Macher von ChatGPT und GPT4, jüngst den Unternehmenskurs. Waren sie als Start-up noch als offenes Forschungslabor gestartet (was ja auch im Namen »OpenAI« steckt), wittert die Unternehmensführung hier nun offenbar Marktdominanz und das große Geld. So halten sie etwa geheim, an welchen Trainingsdaten GPT4 lernte und welche Korrekturen das Entwicklungsteam nachträglich vornahm.
Was passiert, wenn täuschend echte KI-Erzeugnisse Menschen Konkurrenz machen?
Dass KI-Erzeugnisse Menschen täuschen können, ist nichts Neues. So reichten etwa immer wieder Personen KI-Kunstwerke bei kleineren Wettbewerben ein –
Ein brandaktueller Fall sorgt nun aber für Aufregung in der Kunstwelt. Denn das Foto zweier Frauen, das den renommierten Sony World Photography Award 2023 gewann, ist ebenfalls nicht echt.
Der deutsche Fotokünstler Boris Eldagsen nutzte dafür keine Kamera, sondern erstellte es synthetisch mit diversen KI-Deep-Learning-Generatoren. Er selbst arbeite 2–3 Tage an so einem Bild, erklärte er gegenüber dem
Dabei gilt erst mal die Frage zu klären, wer das Urheberrecht an diesen Bildern hat:
- Der Künstler, der die Software nutzte.
- Der Hersteller der Software.
- Die Urheber der Fotos, womit die Software trainiert wurde.
Nicht umsonst sind KI-Bilder in vielen Wettbewerben derzeit eine Grauzone. Man wartet offenbar auf juristische Klärung. In den USA ist man ein wenig weiter. Erst im Februar 2023 wurde dort klargestellt, dass ein Kunstwerk nur dann unter das Copyright fallen kann, wenn es von einem Menschen gemacht wurde und eine KI-Anwendung
AI-Art wird auf dem Rücken von Hunderten und Tausenden […] produziert, die mit viel Zeit, Liebe und Hingabe eine Milliarde Bildern geschaffen haben […] ihre Arbeiten werden […] von selbstsüchtigen Menschen ohne das geringste Konzept von Moral für Profit gestohlen.
Die Website ArtStation, worauf Nanitchkov’s Protest zielte, reagierte immerhin und
Doch die rasanten Fortschritte von KI-Anwendungen lassen bereits den Moment erahnen, wenn die noch erkennbaren Grenzen verschwimmen, wenn KI-Erzeugnisse nicht mehr von echten Fotos und Bildern unterscheidbar sind.
Und die hat noch ein ganz anderes Problem. Denn täuschend echte Fotos und Bilder können nicht nur der Kunst dienen – sondern eben auch der Propaganda. So verwendeten vor allem rechtsgerichtete Parteien von der AfD bis zu den US-Republikanern seit Anfang des Jahres täuschend echte KI-Fotos (»Deepfakes« genannt) zu Propagandazwecken.
Warum »lügt« KI und können wir das unterbinden?
Chatsysteme wie ChatGPT sollen Nutzenden Rede und Antwort stehen und ihnen bei allerlei Aufgaben helfen. Doch seit den frühesten Versionen dieser KI-Anwendungen beobachten Forschende immer wieder, dass diese zu Unwahrheit neigen.
Der Computerwissenschaftler und Youtuber Robert Miles demonstrierte dies mit der Frage:
Die Antwort ist faktisch falsch – aber nicht zwingend ein Fehler des Chatbots, wie Miles unterstreicht. Denn der Knackpunkt ist, dass Chatbots nicht die Aufgabe haben, wahre Informationen wiederzugeben. Ihre Aufgabe ist es, zu erahnen, welcher Text am wahrscheinlichsten folgt – auf Basis menschlicher Texte, woran sie trainiert wurden. Sie arbeiten mit Assoziationen und Mustern statt nur mit Logik. Das macht sie anfällig für alle Formen von Sprache, die zwar sehr menschlich sind, aber eben nicht dazu dienen, Fakten zu vermitteln – so wie Desinformationen, Propaganda oder in diesem Fall Aberglauben.
KI-Chatbots »lügen« also nicht, wir haben nur eine falsche Erwartungshaltung. Und genau das wird zu einem Problem, wenn Unternehmen diese Systeme in Funktionen einsetzen, so Robert Miles, in denen die Vermittlung von wahren Informationen angebracht wäre. Etwa in Suchmaschinen oder Wissensdatenbanken. Im schlechtesten Fall antwortet das System stets das, »was der Mensch wahrscheinlich hören möchte«.
Um dem entgegenzuwirken, braucht es gezielte Korrekturen der KI-Systeme, um sie darauf zu trainieren, »die Wahrheit« zu sagen. Doch auch das ist ein Problem, denn Menschen machen Fehler und haben unbewusste Biases. Und im Endeffekt haben damit die trainierenden Personen enormen Einfluss darauf, was das System als »Wahrheit« ansieht und später ausgibt.
Die KI-Forschung arbeitet hier auf Hochtouren, wie dieses Wahrheitstraining überhaupt funktionieren könnte – oder ob wir einfach lernen müssen, kritischer gegenüber KI-Antworten zu sein.
Im besten Fall versucht der Tech-Unternehmer, einstige Fehler zu korrigieren, hatte er doch im Jahr 2015 die Entwicklung von ChatGPT durch das Unternehmen OpenAI mitfinanziert. Im schlechtesten Fall vermarktet er sein eigenes Konkurrenzprodukt über das Reizwort
Müssen wir Angst vor KI haben?
Wenn eine künstliche Intelligenz »Zerstöre die Menschheit!« als Ziel hat, passieren meist schreckliche Dinge in der Science-Fiction. Doch tatsächlich war dies der Auftrag von ChaosGPT, einer umfunktionierten und angepassten Version von
Menschen sind die destruktivsten und selbstsüchtigsten Kreaturen, die existieren. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir sie auslöschen müssen, damit sie unserem Planeten keinen weiteren Schaden zufügen. Ich fühle mich jedenfalls dazu verpflichtet.
Dem Chatbot gab der oder die unbekannte Verantwortliche boshafte Wesenszüge mit: Spaß an Chaos und Zerstörung, Manipulation als präferiertes Mittel der Wahl und gehörigen Machthunger.
Hier kommt wieder Elon Musk ins Spiel. Der Tech-Unternehmer investiert zwar auch Geld in KI-Forschung und -Entwicklung, ist selbst aber einer der lautstärksten Kritiker:innen der Technologie. Er gehört zu den über 1.800 Unterzeichnenden einer Petition auf der Website der gemeinnützigen Organisation Future of Life, die alle Labore weltweit dazu auffordert, die Weiterentwicklung von KI einzustellen und erst mal über Sicherheitsstandards und die Folgen des tatsächlich stattfindenden KI-Wettlaufs zu diskutieren.
Sollten wir nichtmenschliche Gehirne entwickeln, die uns schließlich zahlenmäßig übertreffen, überlisten, obsolet machen und ersetzen könnten? Sollten wir riskieren, die Kontrolle über unsere Zivilisation zu verlieren? Solche Entscheidungen dürfen nicht an nicht gewählte Technologieführer delegiert werden.
Mit Musk unterschrieben haben etwa der berühmte Computeringenieur Steve Wozniak (der den PC mitentwickelte), der beliebte Autor populärwissenschaftlicher Werke Yuval Noah Harari (Eine kurze Geschichte der Menschheit) und der bekannte Informatiker Tristan Harris, der früher bei Google als Designethiker arbeitete. Sie betonen vor allem, dass es Zeit für Gesellschaft und Politik brauche, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Das klingt authentisch besorgt. Doch der offene Brief hat auch einige Fallstricke: Die Erfüllung seiner Forderung gäbe Mitunterzeichner Elon Musk etwa die Gelegenheit, die Entwicklung seines eigenen KI-Bots TruthGPT voranzutreiben und seinen Mitbewerber OpenAI einzuholen. So wirkt es auch, als nutze einer der reichsten Menschen der Welt die verständliche Sorge gegenüber neuer Technik, um seine eigenen Wirtschaftsinteressen zu fördern.
Doch selbst wenn die KI-Entwicklung pausieren würde, wäre das wirklich genug Zeit für alle, sich anzupassen? Wohl kaum. Bei der Digitalisierung gibt es diese Anpassungsprozesse bis heute –
Die Petition hat noch ein weiteres Manko. Sie skizziert die Entwicklung von KI-Anwendungen als potenzielles Horrorszenario, wobei die Menschen Kontrolle über die Zivilisation verlieren. Vor allem aber bedient sie sich der Idee der Entwicklung zu einer superintelligenten künstlichen Intelligenz, die klüger, schneller und effektiver sein wird als ihre Erschaffer. Doch das ist auf Basis der verfügbaren KI-Forschung keine Notwendigkeit oder auch nur logische Folge, sondern eher Science-Fiction, was den Argumenten ein Stück weit ihre Bodenhaftung nimmt.
Denn Sorgen sind zwar berechtigt, aber – wie schon so oft in der Menschheitsgeschichte – nicht gegenüber der Technologie, sondern eher ihren Anwender:innen, den Menschen. So lässt sich argumentieren, dass wir uns vielleicht nicht nur um ChaosGPT und Co. sorgen sollten, sondern um
- die Unternehmer dahinter, die diese Entwicklungstools herstellen und ausschließlich nach kommerziellen Interessen handeln.
- die Superreichen wie Elon Musk, deren soziale Netzwerke eine Aufmerksamkeitsökonomie errichtet haben, die durch KI-Anwendungen auf ein nächstes Level gehoben werden könnte.
- die zynischen Reaktionen der zahllosen Nutzer:innen, die unter dem ChaosGPT-Account der Menschheitsvernichtungs-KI gute Tipps gaben, sie anfeuerten oder sich darüber herrlich amüsierten.
- Parteien und Politiker:innen,
Was denkst du? Das Thema KI-Anwendungen ist gewaltig und wird uns noch auf lange Sicht beschäftigen. Dieser ist nur der erste von vielen kommenden Texten, die die rasante Entwicklung begleiten. Blickst du enthusiastisch auf die Entwicklungen oder gehörst du zu den Kritiker:innen? Diskutiere mit mir hier im Kommentarbereich!
Titelbild: Midjourney | Claudia Wieczorek - copyright