So sieht ein Land aus, in dem alle Geflüchteten bleiben dürfen
Uganda gibt jedem Geflüchteten Land und eine Arbeitserlaubnis. Was wir von diesem Beispiel lernen können.
Den ganzen Tag lang überqueren Geflüchtete die Grenze, allein oder in Gruppen. Familien, junge Männer, unbegleitete Kinder, mehr als 3.000 am Tag. Der Grenzschutz schaut tatenlos zu, denn es gibt Anweisung von höchster Ebene, alle durchzulassen.
Die Szene mag an die deutsche »Flüchtlingskrise« im Jahre 2015 erinnern, als die Ankunft von bis zu 890.000 Geflüchteten die deutsche Gesellschaft und Politik erschütterten. Tatsächlich ist die beschriebene Grenze aber rund 5.300 Kilometer südlich von Deutschland, zwischen den ostafrikanischen Staaten Südsudan und Uganda.
Inzwischen beherbergt Uganda knapp
Uganda und Deutschland sind also mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert. Die wirtschaftlichen Voraussetzungen beider Länder könnten aber unterschiedlicher nicht sein. Während der ugandische Staat jährlich etwa 4,8 Milliarden Euro ausgibt, sind es in Deutschland 1,32 Billionen. Eine ähnliche Kluft gibt es beim
Die großzügigste Flüchtlingspolitik der Welt
Gemessen an dieser wirtschaftlichen Realität bietet Uganda im Vergleich zu Deutschland eine erheblich großzügigere Flüchtlingspolitik. Während Geflüchtete in Deutschland im Schnitt erst
Damit genießen in Uganda auch so gut wie alle Geflüchteten das Recht, sich frei zu bewegen, eine Arbeit anzunehmen oder ein Unternehmen zu gründen und das Gesundheits- und Schulsystem des Landes zu den gleichen Bedingungen wie Einheimische
Wer nicht auf eigene Faust nach Arbeit suchen will, der bekommt von der ugandischen Regierung Land zur Verfügung gestellt. Auf diesem Land können Geflüchtete
Zwar sind weite Teile Ugandas nur spärlich besiedelt. Die Ansiedlung von Hunderttausenden Geflüchteten würde ohne weitere Maßnahmen trotzdem Konflikte zwischen lokaler Gemeinschaft und Geflüchteten schüren. »Aber weil die ugandische Regierung zeitgleich mit der Ansiedlung von Geflüchteten Infrastrukturprojekte umsetzt, haben in der Vergangenheit lokale Gemeinschaften um die Zuteilung neuer Siedlungen konkurriert«, erzählt Andrew Green, ein Journalist, der sich auf Menschenrechte und Gesundheit in Afrika spezialisiert hat. Mit den Geflüchteten kommen Straßen, Krankenhäuser, Schulen und Brunnen, die immer auch
Die Ergebnisse der ugandischen Flüchtlingspolitik können sich sehen lassen. Trotz des massiven Zuzugs sind Konflikte zwischen Geflüchteten und lokaler Bevölkerung selten. Geflüchtete in Uganda sind zudem überaus wirtschaftlich aktiv, »Uganda ermutigt Geflüchtete dazu, wirtschaftlich unabhängig zu werden«, sagt Andrew Green. In einer Untersuchung der Universität Oxford gaben nur etwa 1% der über 1.593 befragten Geflüchteten an, ausschließlich von staatlicher oder internationaler Unterstützung zu leben.
Ugandas großzügige Flüchtlingspolitik ist zum Teil auf ein historisches Verantwortungsgefühl zurückzuführen. Während der 1970er- und 1980er-Jahre haben viele Ugander,
Zum Teil dürfte sich diese Politik aber auch auf politischen Opportunismus gründen. Die Aufnahme und großzügige Behandlung von Geflüchteten machen es aus Sicht von Präsident Museveni unwahrscheinlicher, dass andere Länder versuchen könnten, seine Regierung zu destabilisieren. Da er zurzeit versucht, die politische Opposition im eigenen Land auszuschalten und
Was können wir also trotz aller Unterschiede von Uganda lernen, welche konkreten Maßnahmen sind auf den deutschen Kontext übertragbar?
Vorbild Uganda
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass auch ein massiver Zuzug von Geflüchteten im Prinzip bewältigt werden kann, ohne Geflüchtete zu einer kulturellen oder wirtschaftlichen Bedrohung zu stilisieren. Dass Uganda hier erfolgreich ist, weil es eine kulturelle Nähe zwischen Geflüchteten und Gastgebern gibt, greift als Erklärung zu kurz. Zum einen sind die Sorgen und Ängste der lokalen Bevölkerung denen der deutschen
Nachahmenswert erscheinen damit vor allem die Maßnahmen, mit denen die ugandische Regierung die lokale Bevölkerung mit dem Zuzug der Geflüchteten versöhnt. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Aufnahme von Geflüchteten muss sich auch für lokale Gemeinschaften in Deutschland lohnen. Trinkwasserbrunnen sind für die Bewohner von sächsischen Dörfern oder Hamburger Villenvierteln natürlich nur mäßig interessant. Aber wie wäre es stattdessen mit Breitband-Internetzugang, einem Ausbau des ÖPNV, zusätzlichen Kita-Plätzen, Lehrern und Polizisten oder staatlich geförderten Krediten für den Hausbau? Der Bedarf ist sicher von Ort zu Ort verschieden, wichtig wäre nur, dass die Leistungen schnell ankommen und explizit mit der Aufnahme von Geflüchteten verknüpft werden.
Auch der schnelle und vollständige Zugang der Geflüchteten zum ugandischen Arbeitsmarkt ist nachahmenswert. Sowohl während der monatelangen Zeit bis zur Feststellung ihres Flüchtlingsstatus als auch danach haben Geflüchtete in Deutschland oft keinen oder nur einen
Das deutsche Verfahren hat natürlich ebenfalls gewisse Vorteile. Anders als in Uganda gibt es in Deutschland etwa einen klaren, wenn auch langen Weg zur Staatsbürgerschaft und damit eine Grundlage für eine dauerhafte Integration.
Eine gründliche Überprüfung der Antragstellenden kann Sinn ergeben, wobei die in Deutschland hierfür als Grund angebrachten Sicherheitsrisiken in Uganda grundsätzlich ebenfalls gelten. Das ostafrikanische Land hat seine eigenen schmerzlichen Erfahrungen mit
Aber auch wenn die Verfahren in Deutschland gründlich sein sollen, könnte man allen Geflüchteten schon während dieses Prozesses Zugang zum Arbeitsmarkt geben und diesen unabhängig vom Ausgang des Verfahrens aufrechterhalten, bis die betreffenden Personen Deutschland freiwillig oder unfreiwillig verlassen. Die ugandische Erfahrung zeigt, dass eine großzügige Aufnahmepolitik ökonomisch funktioniert. Geflüchtete können, wenn sie nicht durch überbordende Bürokratie und Misstrauen behindert werden, starke wirtschaftliche Kräfte entfalten, von denen auch das Gastland profitiert.
Es fehlt das Geld
Im Interesse Deutschlands sollte gleichzeitig aber auch das Gelingen des ugandischen Experiments sein. Nicht nur weil es für die Geflüchteten positive Ergebnisse bringt, sondern auch weil Uganda als Testlabor viele gute Anregungen für ähnliche Maßnahmen in Industrie- und Entwicklungsländern liefern kann.
Leider ist die ugandische Politik momentan alles andere als gesichert. Mit dem massiven Zuwachs an südsudanesischen Geflüchteten seit Juli 2016 hätten auch die zur Verfügung stehenden Mittel wachsen müssen. Aktuell gibt es für das Jahr 2017 aber eine
Das ugandische Modell funktioniert, aber nur mit genügend finanziellen Mitteln. Uganda kann entweder als Leuchtturm dienen, durch den auch andere Entwicklungsländer davon überzeugt werden, Geflüchtete aus ihren Nachbarländern großzügig aufzunehmen. Oder Uganda wird zum Symbol für das Desinteresse der reichen Staaten am Schicksal von Geflüchteten auf der ganzen Welt. Wer könnte es dann den Regierungen von Entwicklungsländern noch übelnehmen, wenn sie Geflüchtete aus ihren Nachbarländern zu einer Flucht nach Norden, nach Europa ermutigen?
Titelbild: flickr / Trocaire - CC BY-SA 3.0