Warum grüner Wasserstoff keine Lösung für Energiearmut ist
Nigeria und Deutschland treiben Pläne voran, um grüne Energie in großem Maßstab nach Deutschland zu exportieren. Dabei herrscht im Land selbst noch Energiearmut. Kann Wasserstoff auch hierfür eine Lösung sein?
Als ich in den 90er-Jahren aufwuchs, trug der nigerianische Energieversorger National Electric Power Authority (NEPA) den Spitznamen
Während die Bekämpfung der Klimakrise immer dringlicher wird, ist grüner Wasserstoff der neue Hoffnungsträger in der weltweiten Diskussion über Energieerzeugung. Da die afrikanischen Sub-Sahara-Länder weniger als 3%
Nigerias Energieproblem
Was genau ist das Ausmaß des Energieproblems in Nigeria? Nigeria
Nigerias Minister für Energie, Abubakar Aliyu, führte die instabile Stromversorgung auf einen
Das ist nicht ungewöhnlich für ein westafrikanisches Land. Nur
Die nigerianische Regierung verfolgt derzeit einen ähnlichen 2-gleisigen Ansatz zur Lösung ihrer Energieprobleme: Sie will die Kapazität des nationalen Stromnetzes verbessern und zugleich Mininetzlösungen für entlegene, ländliche Gebiete verfolgen. Diese sind jedoch in der Regel teurer und Beschwerden und Anliegen von Verbraucher:innen laufen häufig ins Leere.
Und während Nigerianer:innen auf eine stabile Stromversorgung warten, greifen sie in der Zwischenzeit auf Generatoren,
Grüner Wasserstoff – eine neue Lösung?
Grüner Wasserstoff hat laut vieler Wissenschaftler:innen das Potenzial dazu, Öl, Gas und Kohle zu ersetzen,
Was daran großartig ist? Grüner Wasserstoff wird aus Wasser unter Verwendung erneuerbarer Energiequellen (Solar, Wind, Geothermie) produziert und emittiert im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen keinen Kohlenstoff. Er könnte als Energieträger wie eine Batterie fungieren, die überschüssige erneuerbar erzeugte Energie speichert.
Was daran nicht so großartig ist? Die Wirtschaftlichkeit ist das größte Hindernis der meisten aktuellen Wasserstoffprojekte (unabhängig davon, ob der Wasserstoff erneuerbar oder aus fossilen Brennstoffen hergestellt wurde). Es ist teuer, Öl- und Gasinfrastruktur so umzufunktionieren, dass sie für Wasserstoff sicher verwendbar ist. Denn Wasserstoff ist hochentzündlich und korrosiv. Und wir sprechen hier nicht von einem kleinen, sondern einem milliardenschweren Hindernis: Die namibische Regierung schätzt, dass sie bis zum Jahr 2040
Davon abgesehen raten viele Wissenschaftler:innen davon ab, Wasserstoff für Anwendungsbereiche mit geringerem Energiebedarf einzusetzen, wie es zum Beispiel in ländlichen und entlegenen Gebieten der Fall ist.
Darüber hinaus ist Wasserstoff für die Umwelt nicht unbedenklich. Obwohl er streng genommen kein Treibhausgas ist, verstärkt er die Wirkung einiger Treibhausgase und erhöht so deren Kohlenstoff-Fußabdruck.
Die große Ausnahme: Die deutsch-nigerianische Energiepartnerschaft
Da Wasserstoff eine Schlüsselrolle in der Energiewende Deutschlands spielt, hat die deutsche Regierung im Jahr 2020
Im November 2021 eröffneten das Auswärtige Amt Deutschlands und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Nigeria ein
Nigerianische und deutsche Regierungsvertreter geben sich optimistisch, was das Projekt angeht. Bei der Eröffnung des Büros im Mai 2022 erklärte ein Vertreter des Umweltministeriums, er gehe davon aus, dass diese Partnerschaft
Anders als in Namibia,
Das Erbe der Ausbeutung
Durch diese deutsch-nigerianische Partnerschaft erhält Nigeria die Möglichkeit, am weltweiten »Wettlauf« zur Entwicklung von grünem Wasserstoff teilzunehmen. Das könnte die Energieproduktion steigern und das allgemeine Wirtschaftswachstum ankurbeln, was wiederum ländlichen und nicht ans Netz angebundenen Gebieten zugutekommen könnte. Mit Namibia gibt es ein weiteres afrikanisches Land, das die grüne Wasserstoffrevolution anführt und hofft, dass sich das zugunsten der eigenen Bevölkerung auswirken möge. Einwohner:innen der Stadt Lüderitz in Namibia, wo ein grünes Wasserstoffprojekt entstehen könnte, äußerten ihre
Schon in der Vergangenheit hat bei großen Projekten in Nigeria, bei denen es um das Heben von Bodenschätzen ging, nicht wie erhofft die Gemeinschaft profitiert. Der Niger-Delta-Konflikt ist das bekannteste Beispiel für einen Konflikt, der in den 90er-Jahren aufgrund von Spannungen zwischen ausländischen Ölkonzernen und Einheimischen in der Region entstand.
Die historischen Parallelen zwischen dem Wettlauf um grünen Wasserstoff und anderen Ressourcen in der europäisch-afrikanischen Geschichte (zum Beispiel der Diamantenrausch) sollten Grund genug sein, um genauer hinzusehen. William Montieth, Humangeograph an der Queen Mary University in London, erklärte während eines Gesprächs, dass »dominante Diskurse des ›grünen Wasserstoffrausches‹ Afrika als Lösung für den europäischen Kohlenstoffverbrauch und die Energieabhängigkeit präsentieren«. Er fügte hinzu, dass »das historische und geografische Denken über grünen Wasserstoff die fortgesetzte Rolle von [postkolonialem] Extraktivismus und Enteignung in grünen Energieübergängen veranschaulicht«.
Das Fallbeispiel Gbamu-Gbamu
Im Dezember 2022 führte die Delegation der deutschen Wirtschaft in Nigeria eine
Allerdings bedeutet die Tatsache, dass Wasserstoff im Vergleich mit anderen Kraftstoffen bei den Kosten wettbewerbsfähig ist, nicht unbedingt, dass die Gemeindemitglieder bereit oder in der Lage sind, die Mittel für die Energieversorgung aufzubringen. Gleich, ob es sich dabei um Wasserstoff oder die derzeit verfügbaren und ebenfalls teuren fossilen Optionen handelt. Im Jahr 2021 beobachtete
Zusammenfassend gibt es 3 Dinge zu betonen: Erstens, selbst wenn Nigeria mehr Energie erzeugt als es übertragen kann, muss das Übertragungsproblem gelöst werden, um den Nigerianern einen besseren Zugang zur Stromversorgung zu ermöglichen. Zweitens ist grüner Wasserstoff für Anwendungsfälle in Gebieten mit geringem Energiebedarf wie ländlichen und Mini-Grid-Gemeinden nicht wirtschaftlich tragfähig. Drittens erinnert die Diskussion um grünen Wasserstoff an extraktive Handelsmuster zwischen Afrika und Europa. Es gibt keine einzige Lösung für das Energiearmutsproblem Nigerias. Wenn grüner Wasserstoff eine ernsthafte Lösung für die Energieprobleme der Zukunft sein soll, führt kein Weg daran vorbei, all die Punkte in die Diskussion einzubeziehen.
Übersetzung aus dem Englischen von Felix Austen.
Der Artikel erschien in seiner Originalfassung beim Magazin Unbias the News, mit dem wir gemeinsam das Chain-Reactions-Projekt durchführen.
This project was funded by the European Journalism Centre, through the Solutions Journalism Accelerator. This fund is supported by the Bill & Melinda Gates Foundation.
Dieses Projekt wurde vom European Journalism Center im Rahmen des Solutions Journalism Accelerator gefördert. Die Förderung wird von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.
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Titelbild: Charity Atakunda, Unbias the News | Bearbeitung Perspective Daily - copyright