Der Nachtzug ist zurück! 5 Orte, die du bald im Schlaf erreichst
Schlummernd über die Gleise ruckeln: Der Nachtzug war schon immer eine besondere Art zu reisen. Nachdem billige Flüge und Hochgeschwindigkeitszüge ihn aus Europa vertrieben hatten, feiert er jetzt sein Comeback.
Wer seine Eltern oder Großeltern auf das Thema Nachtzüge anspricht, kann damit rechnen, dass ihnen dazu eine Geschichte einfällt. Vielleicht haben sie eine kuriose Anekdote zu erzählen, Erinnerungen an eine flüchtige Bekanntschaft oder sie pflegen sogar Freundschaften, die bei einer Fahrt mit dem Nachtzug entstanden sind. Denn früher waren Nachtzüge ein verbreitetes Verkehrsmittel, um weite Distanzen zu überbrücken. Die Intimität eines Zugabteils, worin man eine Nacht mit Fremden verbringt, die Vermischung von Privatheit und Öffentlichkeit, all das waren keine alltäglichen Erfahrungen und konnten den Reisenden lange in guter wie in schlechter Erinnerung bleiben.
Der Nachtzug – ein europäischer Klassiker
In Literaturklassikern wie »Mord im Orient-Express« von Agatha Christie oder »Nachtzug nach Lissabon« von Pascal Mercier verewigt, gehörten Nachtzüge über Jahrzehnte zum Kulturgut der europäischen Geschichte. Im Jahr 1872 wurde die erste Nachtzuglinie von Paris nach Wien eingeweiht und von Europas Adel, den Herrschenden und dem Bürgertum zum familiären, diplomatischen oder geschäftigen Reisen genutzt. Nachtzüge waren meist eine exklusive Veranstaltung, denn noch fehlte den meisten Bürger:innen das Geld, die Zeit und der Sinn für solche Unternehmungen.
Als nach den Weltkriegen der Wohlstand in Deutschland zunahm und die Nachkriegsgeneration das Reisen entdeckte, war es mit der Exklusivität der Nachtzüge vorbei. In der Ära des Massentourismus wandelten sich Nachtzüge zu einem viel genutzten Transportmittel und gehörten zum festen Bestandteil eines jeden Bahnunternehmens. Fliegen war noch teuer, vor allem für junge Menschen, die etwas von der Welt sehen wollten. Im Jahr 1972 wurde das Interrailticket vorgestellt: Jugendliche unter 21 Jahren konnten jetzt mit einem Pass in 21 Ländern Europas unbegrenzt mit dem Zug reisen. Eine »Generation Interrail« entstand, die den Kontinent bei Tag und Nacht auf Schienen bereiste.
Eine Reise mit dem Nachtzug war immer mehr als nur der Weg zum Ziel. Es war das kleine Abenteuer, das dem großen Abenteuer vorausging, welches einen am Zielort erwartete. Wenn die Züge langsam durch die Nacht zuckeln, waren Distanzen spürbar, wenn die Zöllner inmitten der Nacht zur Passkontrolle ins Abteil kamen, waren Grenzen spürbar, und wenn sich am nächsten Morgen beim Schauen durch die Fenster Vegetation und Menschen verändert hatten, waren Klima und Kulturen spürbar.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily