So nutzt du deine innere Uhr, um fitter, gesünder und zufriedener zu werden
Warum wir aufhören dürfen, uns für unsere Müdigkeit zu schämen. Der erste Schritt: Finde jetzt deinen Schlaftyp heraus!
»Schaue mal, der nickt gleich ein – wie unverschämt!«
Hand aufs Herz – wie oft hast du dich schon über einen müden Kollegen oder gähnenden Mitmenschen empört? Oder vielleicht sogar geschämt, weil du deine Augen bei einer wichtigen Besprechung selbst kaum noch offen halten konntest? Verglichen damit wirken die beiden folgenden Aussagen eher befremdlich: »Wie respektlos, dass er Plattfüße hat!« oder »Was glaubt sie, wer sie ist, mit ihren braunen Augen!«.
Dabei ist unser natürliches Schlafverhalten genauso biologisch bestimmt wie die Form unserer Füße oder unsere Augenfarbe. Mal abgesehen von Faktoren wie schlafraubendem Nachwuchs. Das Problem dabei ist: Unsere biologischen Eigenschaften lassen sich kaum verbiegen. Wer leicht friert, zieht sich eine zusätzliche Schicht Kleidung an, bleibt aber jemand, der leicht friert.
PD-Classic
Dieser Artikel erschien zuerst im Mai 2018. Vor Neuveröffentlichung haben wir den Text und seine Quellen noch einmal gründlich überprüft.
Genauso verhält es sich mit unserem Schlafbedürfnis: Wir können nicht an der inneren Uhr drehen – weder an der eigenen noch an der anderer. Stattdessen können wir sie aber für uns nutzen und so effizienter, motivierter und gesünder arbeiten und leben.
Dafür musst du nur eines herausfinden: deinen Chronotyp.
Welcher Chronotyp bist du?
Hinter dem sperrigen Begriff des Chronotyps verbirgt sich dein über den Tag verteiltes Schlafbedürfnis, also
- Der Spättyp (»Eule«) ist später am Tag fit und wird erst spät abends oder nachts müde. Er kann zwar trainieren, früh aufzustehen, wenn es Familie und Job verlangen, er bleibt aber eine »Eule«.
- Der Frühtyp (»Lerche«) geht früh ins Bett und ist bereits früh morgens putzmunter. Auch ein Frühtyp kann ab und zu die Nacht zum Tag machen, er bleibt aber eine »Lerche«.
Die meisten Menschen liegen irgendwo zwischen den beiden Extremen und sind dann zum Beispiel ein »moderater Spättyp«. Es gibt aber auch sehr frühe und sehr späte Chronotypen, also sehr ausgeprägte »Lerchen« und »Eulen«. Übrigens gehen die meisten Deutschen bevorzugt
Wann schläfst du am liebsten?
Die meisten Menschen gehen am liebsten gegen Mitternacht ins Bett. Die Daten basieren auf Angaben von mehr als 55.000 Menschen.
Wenn du genauer wissen willst, welche 3 Uhren unseren Schlaf-Wach-Rhythmus bestimmen, klicke hier!
Unser Schlaf-Wach-Rhythmus und unsere Müdigkeit werden durch 3 Uhren bestimmt.
- Die erste Uhr ist rein biologisch und wir nennen sie umgangssprachlich gern »die innere Uhr«. Tatsächlich sitzt sie in jeder
Unser - Die zweite Uhr ist die auf- und untergehende Sonne, also der 24-Stunden-Rhythmus eines Tages. Fällt wenig Licht auf unsere
»Wir brauchen immer dann einen Wecker, wenn wir biologisch noch nicht zu Ende geschlafen haben.« – Till Roenneberg, Schlafforscher
- Die dritte Uhr ist die jüngste: unsere präzise, weltweite Zeitmessung, die wir erst seit der Industrialisierung nutzen. Seit 1884 können wir mit der Einteilung der Erde in Zeitzonen weltweit minutengenaue Verabredungen treffen.
Diese Uhr wird von Forschern als soziale Uhr bezeichnet, weil sie unsere Schul- und Arbeitszeiten, unsere Freizeit und täglichen Abläufe bestimmt. Im Gegensatz zu den ersten beiden Uhren ist sie nicht biologisch und
Wir können nicht zwischen Eule und Lerche wählen
Es kann passieren, dass 2 Menschen sich ein Bett teilen, ohne sich darin zu begegnen.« – Till Roenneberg, Schlafforscher
In wie vielen Beziehungen führt das (gemeinsame) Frühstück wohl des Öfteren zum Streit? Der eine ist um 7 Uhr fit, die andere kommt nachts nicht zur Ruhe und würde das Frühstück am liebsten ganz ausfallen lassen. Die Unterschiede haben nichts mit Faulheit, wenig mit
Um herauszufinden, welcher Chronotyp du bist, kannst du einen einfachen Trick anwenden: Verzichte eine Zeit lang auf einen Wecker und beobachte,
Entgegen aller »preußischen Ansprüche«, um 6 Uhr in den Tag zu starten,
Eulen und besonders die extremen Spättypen können also nichts für ihre Müdigkeit am frühen Morgen – ihre Biologie sorgt buchstäblich dafür, dass ihre inneren Uhren anders laufen als die der Lerchen.
Dein Alter beeinflusst, ob du Eule oder Lerche bist
Egal ob du heute eine Lerche oder eine Eule bist, warst du mit großer Wahrscheinlichkeit zu Schulzeiten eher eine Eule. Denn während Kinder klare Lerchen sind, werden sie im Jugendalter langsam zu Eulen.
Weil sie aber um 8 Uhr oder noch früher die Schulbank drücken müssen, entsteht unter der Woche automatisch ein Schlafdefizit, wogegen die Jugendlichen gar nicht ankämpfen können:
Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die innere Uhr nach hinten verschoben
Während ein 40-Jähriger durchschnittlich um 4 Uhr die größte Menge des Müdigkeitshormons Melatonin ausschüttet und damit seinen Schlafmittelpunkt hat, passiert das im Jugendalter erst nach 5 Uhr.
Wenn man sich die Bevölkerung in Deutschland anschaut, sieht man, wie wenige wirkliche Frühtypen es gibt: Das ist die absolute Minderheit. Interessant, wie so eine Minderheit es geschafft hat, das Schulsystem so zu prägen.
Wenn der Wecker um 6:30 Uhr (oder noch früher) klingelt,
Im Gegensatz zur Augen- oder Haarfarbe lässt sich dein Chronotyp nicht auf einen Blick erkennen. Wahrscheinlich hast du aber bereits ein Gefühl dafür, wann du dich im Laufe des Tages am fittesten und aufnahmefähigsten fühlst.
Um herauszufinden, ob du eher Spät- oder Frühtyp bist, kannst du einfach für einige Zeit dein Wachheitslevel protokollieren. Eine erste Einschätzung liefert dabei deine Antwort auf die Frage: Wann würdest du gern ins Bett gehen und wieder aufstehen, wenn du keinen Wecker stellen musst und am nächsten Morgen keine Termine auf dich warten? Ein differenzierteres Ergebnis bekommst du

So spart die Wirtschaft Milliarden und gewinnt Millionen zufriedenere Arbeiter
Unausgeschlafene Mitarbeiter sind teuer: Im Jahr 2015 haben sie die deutsche Wirtschaft knapp 50 Milliarden Euro gekostet; das entspricht
Das finanzielle Potenzial, das sich für Unternehmen hinter einem »Rhythmus-Management« von Erwerbszeit, Freizeit und Schlaf für Mitarbeiter verbirgt, ist gewaltig.
Wer seinen Chronotyp – freiwillig oder unfreiwillig, weil es der Beruf verlangt – ignoriert, macht nicht nur mehr Fehler und ärgert sich darüber. Denn wer dauerhaft versucht, sich wachzuhalten, wenn der Körper auf Schlaf programmiert ist, lebt auch mit erhöhtem Risiko,
Ein Frühtyp, dessen innere Uhr ihn am liebsten von 22–6 Uhr schlafen lassen würde, arbeitet genau dann gegen seinen Biorhythmus, wenn er Nachtschichten übernimmt. Für den Spättyp, der am besten von 2–10 Uhr schläft, ist das der Fall, wenn er zur Frühschicht ranmuss. In beiden Fällen fällt die Arbeitszeit in die biologisch bevorzugte Schlafenszeit.
Flexible Arbeitszeiten sind
Doch nicht nur Schichtarbeiter leiden unter den für sie »falschen« Arbeitszeiten. Gerade hierzulande gilt immer noch: »Frühaufsteher sind fleißiger!« Das lässt vor allem mit Blick auf die Verteilung der Chronotypen in der Bevölkerung Millionen Menschen täglich gegen ihre innere Uhr kämpfen und arbeiten.
Dabei liegen die Lösungen auf der Hand:
Klar ist, dass wir in Branchen wie der medizinischen Versorgung nicht auf Schichtarbeit verzichten können. In anderen Branchen wie dem Tourismus ist das aber nicht der Fall. Dort ist eine 24-Stunden-Verfügbarkeit an der Hotelrezeption zwar angenehm, aber nicht lebensnotwendig. Schichtarbeit ließe sich also mindestens verringern oder gar abschaffen.
In den Branchen, in denen wir um eine Dauerverfügbarkeit nicht herumkommen, können wir durch ein paar einfache Maßnahmen viel erreichen:
- Sage mir, welchen Chronotyp du hast, und ich gebe dir eine Schicht!
Je später der Chronotyp, desto leichter fallen einem die Nachtschichten. Mit anderen Worten: Frühaufsteher leiden unter Nachtschichten am meisten; Spätaufsteher sollten keine Frühschichten bekommen.
Ob ein rotierender Schichtrhythmus weniger schädlich ist als mehrere aufeinanderfolgende Nachtschichten,
- Gib mir Gleitzeit (mit Kernarbeitszeit für Meetings)! Damit Frühtypen nachmittags nicht regelmäßig bei Meetings in den Seilen hängen und sich Spättypen nicht um 7:30 Uhr an den Arbeitsplatz schleppen müssen, kann in vielen Branchen Gleitzeit mit überlappenden Kernarbeitszeiten Abhilfe schaffen.

So hilft dir dein Chronotyp, zufriedener zu leben
Wer immer dann versucht, zu arbeiten und besonders aktiv zu sein, wenn der Körper nach Schlaf ruft, ist
Wer übermüdet arbeitet, landet schnell in einem Teufelskreis: Wer sich schon auf der Arbeit quält, hat wenig Energie für ein erfülltes Freizeitleben, sodass der Ausgleich zur Arbeit fehlt. Soziale Kontakte und Bewegung existieren nicht und dadurch wird die Arbeit noch aufreibender.
Ausgeschlafen sind wir nicht nur produktiver und motivierter, sondern auch besser gelaunt und nach getaner Arbeit nicht komplett ausgelaugt. Mit anderen Worten: Wohlbefinden im Privat- und Berufsleben bedingen sich gegenseitig.
Dabei muss nur jeder seine innere Uhr in Privatleben und Freizeit integrieren, um zufriedener zu sein. Dabei helfen ein paar Fragen:
- Wann bewegst du dich?
Je nach Zeitfenster können
- Wann steht dein Partner auf?
Wenn ein Frühtyp mit einem Spättyp zusammenlebt,
- Wann hast du wirklich Hunger?
Nur weil in der Volksweisheit und passend zum deutschen Mantra »Wer früh aufsteht, ist fleißig!« das Frühstück als wichtigste Mahlzeit gilt, ist das
So hilft gutes Timing, gesund zu werden und zu bleiben
Was glaubst du, ist wichtiger bei einer Behandlung: die Dosis oder die Uhrzeit, wann du ein Medikament einnimmst?
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass der
- Schlucke die Pillen zur richtigen Zeit!
Unser Blut und unsere Organe sind zu verschiedenen Tageszeiten unterschiedlich gut für die Wirkstoffe in Medikamenten empfänglich. Deswegen steht auf Packungsbeilagen bei vielen Medikamenten eine Zeitangabe für die Einnahme. So zeigte
- Verringere die Nebenwirkungen!
Auch lästige Nebenwirkungen lassen sich verringern, wenn wir Medikamente zu bestimmten Zeiten einnehmen. So sorgt die Aspirin abends für den geringsten Ärger in der Magengegend. Die Unterschiede bei den Nebenwirkungen können sogar Leben retten: Eine
- Lasse dich zur richtigen Zeit operieren!
Auch medizinische Eingriffe sind »Uhrzeit-sensibel«. So konnten französische Forscher zeigen, dass Operationen am Herzen nachmittags zu

Auch wenn wir es manchmal gern würden: Wir können nicht an unserer inneren Uhr drehen – genauso wenig wie wir unsere Augenfarbe oder Schuhgröße ändern können. Was wir aber können, ist, damit aufzuhören, gegen unseren eigenen und den Biorhythmus anderer anzukämpfen. Das beginnt beim herablassenden Blick auf den gähnenden Kollegen. Fangen wir stattdessen an, die innere Uhr für uns zu nutzen!
Titelbild: Tirachard Kumtan - CC BY-NC-ND 2.0