Genug! Kultur ist kein Luxus
Die Kultur in Deutschland wird ärmer. Schuld daran ist die Rekordinflation. Dabei wäre eigentlich genug Geld da für Museen, Bücher und Co. Ein kritischer Blick darauf, warum es nicht ankommt.
Eine Krone – eine riesige, vergoldete Krone. Zwei mal zwei Meter groß thront sie auf einer acht mal acht Meter großen Kartusche vor einer barocken Schlossfassade. In den Fernsehnachrichten beobachte ich, wie die Kartusche mit ihrem vergoldeten Wappen vor grau-blauem Himmel an einem Kran emporgezogen wird.
Gold über Gold, so glänzt es nun am Eingang des Humboldt-Forums in Berlin, damit auch die letzte Schlossbesucherin versteht: Reaktionäre Kulturpolitik scheut keinen Kitsch. Und keine Kosten.
Das Humboldt-Forum mit seinen unterschiedlichen ethnologischen Museen befindet sich nicht in irgendeinem Schloss: Es ist die Rekonstruktion der Fassaden, der Kuppel und zweier Höfe des kaiserlichen Originals aus dem 15. Jahrhundert – und zwar dort, wo vor fünfzehn Jahren unter Protest der Palast der Republik, ein DDR-Prachtbau und Kulturzentrum, abgerissen wurde.
Die Architektur des Berliner Stadtzentrums soll das neue bundesdeutsche Selbstverständnis widerspiegeln, auch im Umgang mit der eigenen Geschichte – Kultur(politik) dient als Instrument, um nationale Identität zu stiften. Sozialismus und DDR: Hat’s nie gegeben. Preußen, Kaiserzeit und koloniale Raubkunst: Nice, braucht ein Comeback.
Das ist ein Kulturkampf von rechts, der seit Jahren von Dresden über Potsdam bis nach Berlin mit allen Mitteln geführt wird – vor allem mit viel Geld. Die zwei Millionen Euro teure Kartusche sei aus privaten Spenden finanziert worden, lese ich später, und 30.000 Stunden Arbeit steckten darin.
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily