So bringst du endlich Ordnung in deine Orga
Wer noch nach Papierzetteln oder Dateien fahndet, verschwendet Nerven und Zeit. Eine Anleitung für ein besseres System.
Wie lautet deine Sozialversicherungsnummer?
Wenn deine Antwort nun »Öhm, keine Ahnung!« ist, zeigt das erst mal nur, dass du kein eidetisches – umgangssprachlich fotografisches – Gedächtnis hast: alles ganz normal. Schließlich gehört so eine Nummer nicht zum erlesenen Kreis der Zahlen, die wir täglich verwenden – wie die PIN der Bankkarte, die eigene Handynummer oder der Smartphone-Login. Doch irgendwo muss diese Nummer sein …
So werden wohl die meisten Menschen, die mit so einer Frage konfrontiert sind – etwa kurz vor einem Behördenbesuch –, mit der Suche in ihrem »Orga-Haufen« beginnen. Damit gemeint ist die Menge an Unterlagen, Dokumenten, Zetteln, Notizen und Fotos, ohne die unser Leben in der Gesellschaft heutzutage nicht mehr funktionieren würde – analog wie digital.
Hier finden sich die Belege, die wir für Bewerbungsmappen brauchen, die Nummern und Zahlen, die Ämter von uns griffbereit haben wollen, und die Absicherungen dafür, wenn mal was passiert.
Dass der »Orga-Haufen« bei den meisten Menschen nicht »gut gepflegte Aktenablage« heißt, ist ebenfalls normal. Denn wenn wir ehrlich sind, hat er gleich 3 Probleme auf einmal:
- Orga ist unangenehm. Die Organisation von Dokumenten ist wichtig, aber nicht gerade der Teil unseres Lebens, mit dem wir uns gerne beschäftigen. So passiert es leicht, dass wir verdrängen oder vergessen, in welchem Lochordner, Schrankregal oder in welcher Dachbodenkiste wir was genau abgelegt haben.
- Orga besteht aus Dingen, die man nur sehr selten braucht.
- Orga wird von selbst mit der Zeit unordentlicher –
Na, ertappt und wiedererkannt?
Und die Probleme existieren nicht nur mit Papier. Auch wer bestimmte Dateien braucht, sucht sich oft dusselig und verschwendet Nerven und Zeit.
Aber was, wenn ich dir nun sage, dass ich meine Sozialversicherungsnummer von überall in unter 60 Sekunden finden kann, so wie jede andere Nummer und Information meines Orga-Haufens auch? Ganz ohne dass ich mich ständig damit beschäftige. Und mit einer kurzen Erklärung kannst du das auch.
Wo die typischen Fehler liegen
Wer den eigenen Orga-Haufen aufräumen möchte, tut gut daran, einen Blick auf erfolgreiche Unternehmen zu werfen. Denn die können sich einen unübersichtlichen Wust gar nicht leisten. Unordnung und Fehler kosten dort nicht nur Nerven und Zeit, sondern auch Geld.
»Niemand braucht Schränke voller Aktenordner. Es gibt eigentlich nichts, was man nicht digital ablegen kann.« – Andre Nordlohne
Andre Nordlohne weiß das ganz genau. Der studierte Wirtschaftsingenieur ist seit 2018 Chef eines eigenen Beratungsunternehmens, das sich darauf spezialisiert hat, die Buchhaltung von kleinen und mittelständischen
Bei seinen Beratungen trifft er auf die unterschiedlichsten Lösungsansätze (die alle nicht optimal funktionieren, sonst würde er ja nicht engagiert werden). Seinen Kund:innen erklärt er erst mal das Problem von Grund auf:
Nehmen wir einmal an, ich will etwas ablegen. Dabei muss ich viele Entscheidungen treffen, die nicht immer so klar sind. Wo sortiere ich den Inhalt hin? In welche Akte oder Unterordner gehört er? Oft passt etwas nicht hundertprozentig irgendwo rein und schon wird eine neue Unterablage aufgemacht. Aber wie benenne ich die jetzt und wie das Dokument? Viele Entscheidungen bedeuten immer auch viele Fehler – vor allem, wenn mehr als nur eine Person damit umgehen muss. Denn Menschen interpretieren Ablagen unterschiedlich.
Was bei geteilten Arbeitsordnern und E-Mail-Konten in einem Kleinunternehmen mit 5 Mitarbeiter:innen schon knirscht, lässt sich leicht auf den eigenen Orga-Haufen übertragen. Denn mit Ausnahme von Singles arbeiten schnell 2 oder mehr Menschen an demselben Haufen mit. Doch dann haben Alltagsstress und typische Versäumnisse umso stärkere Konsequenzen: Vieles bleibt liegen, manches verschwindet in E-Mail-Postfächern oder Downloadordnern, Absprachen fehlen und Zuständigkeiten sind unklar.
Nun liegt eine Lösung auf der Hand: Nur eine Person in der Familie zieht die »Pech gehabt«-Karte und richtet den gemeinsamen Orga-Haufen ein, den nur er oder sie durchblickt. Doch das hat seine eigenen Fallstricke, wie Andre Nordlohne betont. Denn in Ausnahmesituationen, wie im Krankheitsfall, sind Probleme vorprogrammiert, wenn Angehörige in einer sowieso schon stressigen Situation plötzlich Krankenversicherungen, PIN-Codes oder im schlimmsten Fall Patientenverfügungen suchen müssen.
Was ist also die Lösung – ein Crashkurs in Orga für alle?
Nein, es muss schon eine Person geben, die sich das Grundverständnis erarbeitet und die Struktur vorgibt – im Unternehmen wie in der Familie. Aber es gibt auch eine Grenze für das, was man vorgeben kann. Verästelte Ordnerstrukturen etwa funktionieren ab einer bestimmten Größe nicht mehr. Man kann schlecht für Hunderte oder gar Tausende Ordner definieren, was dahinein soll. Das führt zu einem scheinbaren Paradox: Mehr Ablagemöglichkeiten heißt nicht gleich bessere Struktur.
Für den Experten im digitalen Dokumentenmanagement ist klar, dass vor allem an den Alltag gedacht werden muss. Ein guter Orga-Haufen sollte:
- Digital sein. Alle Dokumente lassen sich einscannen!
- Wenige, aber gut strukturierte Ablagen haben, die selbsterklärend sind.
- Auf verästelte Unterordner verzichten.
Dazu gehört ein Umdenken beim Thema digitaler Ordnung, die bereits Amazon gelernt und berühmt gemacht hat. Deren Warenhäuser wirken auf den ersten Blick alles andere als aufgeräumt, wenn man nur hindurchgeht, sondern eher chaotisch. Einzelne Gegenstände werden einfach nach Eingang abgelegt. Ordnung entsteht nur
Die Suchfunktion hat noch einen weiteren Vorteil. Ein Suchfeld lässt sich auch Familienmitgliedern leicht erklären: »Tippe in dieses Suchfeld ›Sozialversicherungsnummer‹ ein und drücke Enter.« Das sollte Ergebnisse in Rekordgeschwindigkeit produzieren.
Was du brauchst, um loszulegen
Mache dich mit der Suchfunktion deines Computers vertraut. Erst wenn du weißt, wie sie funktioniert, kannst du den Orga-Haufen richtig ordnen. Denn Suche ist nicht gleich Suche, auch wenn oft dasselbe Lupensymbol für unterschiedliche Anwendungen verwendet wird. Zum Beispiel versagt Microsofts digitale Assistentin Cortana in der Fußleiste auf Windowssystemen, wenn es um das Finden von einzelnen Dateien geht.
Wenn du dich mit der Suchfunktion vertraut gemacht hast, kann es losgehen.
- Wähle eine zentrale Sammelstelle für den Orga-Haufen. Eine gute Idee ist eine Online-Cloud-Lösung, der du vertraust. So schützt du deine Dokumente nicht nur vor Systemcrashs und Katastrophen, sondern hast auch von überall Zugriff darauf. Das darf ruhig auch etwas kosten, schließlich geht es hier um wirklich wichtige Dokumente. Der Normalwert liegt um die 10 Euro pro Monat für mehr Onlinespeicher, als du aufbrauchen kannst, ohne viele Videos zu horten.
Tipp: Das Passwort für diese Sammelstelle - Sortiere, was du nicht mehr brauchst: Ein Nachmittag sollte locker reichen, um einen Großteil deiner Dokumente-Papiersammlung zu entsorgen. Mache dir dabei klar, was du als Unterlagen brauchst: Was für Behörden und Versicherungen wichtig ist (Policen, Urkunden), was für spätere Abwicklungen wichtig ist (Mietverträge, Übergabeprotokolle, Garantiescheine) oder für die Zukunft wichtig zu dokumentieren ist (Gutachten, Kautionsvereinbarungen).
Tipp: Packe alles unsortiert in einen Karton und stelle ihn ein Jahr in den Keller. Wurde dann nichts davon gebraucht, kann es in den Schredder. Ja, Schredder! Oder ein Lagerfeuer. Aber wirf Papiere mit deinen Informationen nie einfach nur in den Papiermüll.
- Digitalisiere deine Dokumente richtig: Ein einfacher Scanner reicht aus, um deine Papiersammlung in deine neue digitale Ordnung zu verwandeln. Bei Textdokumenten gibt es keine Probleme, die sind schließlich automatisch durchsuchbar, doch bei PDF-Dateien und Ablichtungen bist du selbst für ihre Wiederkennbarkeit verantwortlich. Professionelle Dokumentenscanner könnten hier Abhilfe schaffen, weil sie direkt suchbare Dokumente statt Bild-Dokumente erstellen, aber für Privatanwender:innen sind sie zu teuer. Benenne einfach jedes eingescannte Bild mit einigen Schlagwörtern, also nicht »Scan012«, sondern »Vertrag Smartphone 2021
Tipp: Überprüfe zwischendurch, ob du Dokumente per Suchfunktion wiederfindest, und gewöhne dir gleich an, bei der Suche nur den passenden Order auszuwählen. Die Suche in »Allen Ordnern« kann je nach Größe deines Orga-Haufens selbst auf schnellen Rechnern Minuten dauern. - Sichere wertvolle Originale: Vor allem deutsche Behörden arbeiten noch mit dem Kopf im vergangenen Jahrhundert. Das heißt, manche Dokumente solltest du im Original aufbewahren. Dazu gehören vor allem jegliche Art von Urkunde mit Stempel. Für Unternehmer:innen gelten dazu die von der Politik definierten »Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung« nach
Tipp: Die Hochwasser im Jahr 2021 haben einigen Menschen harte Lektionen erteilt. Lerne daraus und bewahre keine Originale im Keller auf. - Zentralisiere Zugänge zu automatischen Ablageorten: Manche Anbieter und Dienstleister legen Dokumente automatisch ab, zum Beispiel Telefongesellschaften oder Abrechnungsstellen wie Strom und Wasser. Das passiert etwa, wenn du »papierlose Benachrichtungen« vereinbart hast. Dann landen die Dokumente in internen digitalen Briefkästen in deinem Nutzerkonto. Du könntest natürlich regelmäßig nachschauen und sie in deine Struktur herüberladen – doch mal ehrlich, das geht im Alltag zu schnell unter. Lege dafür zumindest ein Verweisdokument mit passenden Schlagwörtern und dem Zugangslink ab.
Bist du fertig, erkläre das neue System allen Erwachsenen, deren Dokumente im neuorganisierten Orga-Haufen liegen. Wenn du möchtest, kannst du von deinem Smartphone (und ihren) einen Zugang zur Cloud-Lösung einrichten.
So bleibst du dran
Es kostet sicher etwas Zeit und Umstellung, dir dein neues digitales System einzurichten. Doch dafür spart es dir auf lange Sicht viele Nerven und Stunden. Wie viel genau, ist nur schwer abzuschätzen. Andre Nordlohne hat für seine Unternehmenskund:innen recht genaue Werte: »Im Schnitt lässt sich sagen, dass bis zu 30 Minuten Arbeitszeit pro Tag pro Mitarbeiter in einem Büro eingespart werden konnten.«
Und er hebt die enormen Ersparnisse beim Thema Papier hervor,
Dazu hast du beim Umstieg eine einmalige Gelegenheit: Beim Sichten und Ordnen der Dokumente kannst du einen Überblick über deinen Orga-Haufen gewinnen, über Prozesse nachdenken und eventuell auch darüber, manch anderes zu optimieren – von den Verantwortlichkeiten innerhalb der Familie bis zu neuen Anbietern, die vielleicht günstiger und ökologischer sind. Die setzen nämlich oft darauf, dass man das eben nicht tut und Rechnungen sowie laufende Verträge einfach vergisst.
Ein letztes Wort noch zu Gewohnheiten. Diese bestimmen unser Handeln deutlich mehr, als wir uns
Mit Illustrationen von Doğu Kaya für Perspective Daily