Warum Gespräche über die Klimakrise so oft schiefgehen – und wie es besser geht
Über die Kehrseiten von Kreuzfahrten, Fliegen und Fleischkonsum zu sprechen, ist nicht einfach. Ein Leitfaden für alle, die effektivere Klimagespräche führen wollen.
Abends im Bett googelte ich Argumente für
Auf einer Party wenige Stunden zuvor diskutierten ein Freund und ich über die Klimakrise und die Frage, ob wir die Wirtschaft so umgestalten können, dass ihr Wachstum zurückgeht und ein ökologischer Kollaps somit verhindert wird. Ich glaube daran, er nicht.
Es ging freundlich los. Als er mir vorwarf, die Vorstellung eines Wachstumsrückgangs sei naiv, kippte die Stimmung. Anstatt ihm davon zu berichten, was ich von Autor:innen wie Jason Hickel über die Umsetzung von Degrowth gelernt hatte, forderte ich ihn wütend dazu auf, sich erst einmal besser zu informieren. Die Wahrheit ist: Ich konnte mich in diesem Moment selbst an keinen der Vorschläge erinnern, von denen ich gelesen hatte.
So läuft es häufig mit Gesprächen über die Klimakrise: Sie enden im Streit. Oder in peinlicher Stille: Wenn ich bei einer Familienfeier zum Beispiel anspreche, wie die Biodiversität unter den vielen Bauprojekten in unserem Ort leidet, wechselt oft lieber jemand das Thema, anstatt darauf einzugehen. Unangenehm.
Manchmal verschlägt es mir auch schlicht die Sprache: wenn jemand pauschal alle Klimaaktivist:innen als Kriminelle bezeichnet, zum Beispiel. Hin und wieder traue ich mich nicht, das Thema überhaupt anzusprechen. Als Freundinnen vor Kurzem von ihrer Kreuzfahrt berichteten, hörte ich mit beklemmtem Gefühl zu. Doch anstatt sie auf die üble Klimabilanz von Kreuzfahrtschiffen aufmerksam zu machen, schwieg ich. Ich wollte sie nicht belehren. Schließlich bin ich letztes Jahr auch nach Istanbul geflogen. Außerdem wollte ich ihre Entscheidung nicht moralisieren, wo doch jede:r weiß,
Nach solchen verpatzten Gesprächen fühle ich mich unwohl. Ich möchte doch über das Klima sprechen; es ist mir wichtig. Insbesondere mit Menschen, die mir nahestehen, möchte ich meine Sorgen teilen können,
Und scheinbar fällt es nicht nur mir schwer:
Gleichzeitig geben rund 80% jedoch an, dass sie sich Sorgen um die Klimakrise und ihre Folgen machen.
Da frage ich mich: Warum fallen uns diese Gespräche nur so schwer? Wie könnte es besser gehen? Und: Ist es die Mühe überhaupt
Sprechen hilft
»Wir sollten das Thema nicht aus Gesprächen ausklammern«, bekräftigt mich Verena Kantrowitsch. Sie ist Psychologin und Kommunikationstrainerin und engagiert sich mit diesem Schwerpunkt seit 2019 bei den Psychologists for Future. »Wie wir miteinander über das Thema sprechen, beeinflusst unsere Wahrnehmung und Bereitschaft zum Handeln«, sagt sie.
Das zeigt auch eine
Indem wir darüber reden, können wir also alle dazu beitragen, dass sich unsere Mitmenschen stärker mit der Klimakrise
Sollten wir auch mit Klimaleugner:innen diskutieren?
Doch gilt das immer? Manche Unterhaltung mit Menschen, die Klimamaßnahmen vehement ablehnen oder sogar
Nein. Das sagt zumindest Sebastian Herrmann, der sich als Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung seit Jahren mit dieser Frage befasst. Herrmann plädiert dennoch dafür, mit solchen »Betonköpfen« zu diskutieren. »Weil es gar nicht um sie geht, sondern um alle anderen, die ebenfalls am Tisch sitzen und zuhören«, schreibt er in einem
Wer sich […] mit verbohrten Hardlinern auseinandersetzt, hat nicht deren Überzeugung zum Ziel. Das wäre zu hoch gegriffen. Er kämpft vielmehr dafür, dass die Betonköpfe nicht noch mehr Leute am Tisch auf ihre Seite ziehen.
Auch Robin Tschötschel, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Hamburg, bestätigt, dass sich Klimaleugner:innen durch ein Gespräch nicht überzeugen ließen. Er erforscht persönliche Zugänge und Motivationen im Kontext der Klimakrise und rät dazu, sich auf das Umfeld der Leugner:innen zu fokussieren: »Da sind oft Menschen, die sich noch mobilisieren lassen. Zwar haben sie manchmal Informationslücken oder lehnen Fakten auch mal ab, aber prinzipiell sind sie zugänglich.«
Durch Gespräche, so Tschötschel, könnten wir andere Meinungen aufzeigen und so die wahrgenommene Durchschnittshaltung im Umfeld dieser Menschen beeinflussen.
»Policy problem from hell«
Es hilft also, über die Klimakrise zu sprechen. Doch warum ist genau das so schwer? Das liegt laut Sozialforschung zum einen daran, dass das Thema sehr kompliziert ist. Viele Wissenschaftler:innen bezeichnen die Klimakrise als »wicked problem«, was so viel wie verflixtes Problem bedeutet. Ein Problem also, das mehrdeutig und unauflösbar komplex ist. Der Wissenschaftler Anthony Leiserowitz vom YCCC beschreibt die Eindämmung des Klimawandels gar als
Die Klimakrise erfordert es, vernetzt zu denken. »Und das bedeutet, die internen Verknüpfungen und Rückkopplungen zu suchen, zu erkennen und bei Entscheidungen zu berücksichtigen«, schreibt der Wissenschaftsjournalist Christopher Schrader im
Wenn Probleme so komplex sind und ein Überprüfen vielfältiger Wissensangebote kaum noch gelingt, verhalten wir uns selten vollkommen rational. Stattdessen neigen wir dazu, neue Informationen so zu interpretieren, dass sie unsere bereits vorhandenen Überzeugungen bestätigen. Noch riskanter: Wenn Informationen unsere Überzeugungen bedrohen, suchen wir unbewusst Möglichkeiten, sie zu ignorieren oder zu entkräften. Die Psychologie bezeichnet dieses Phänomen als
Ähnlich verhält es sich mit Wertvorstellungen, die von Mensch zu Mensch ganz verschieden und eng mit unserer Identität verknüpft sind. Das besagt die »Theorie der kulturellen Erkenntnis« (cultural cognition). Demnach bewerten wir Fakten so, dass sie zu unseren kulturellen Wertvorstellungen passen.
Denkfehler und kognitive Verzerrungen wie diese gibt es viele. Sie reichen von »Verlust-Aversion« (loss aversion) bis hin zum Dunning-Kruger-Effekt. Der Psychologe Daniel Kahneman beschreibt viele davon in seinem Buch »Schnelles Denken, langsames Denken«.
»Wenn es einen Konflikt zwischen den Fakten und den Wertvorstellungen eines Menschen gibt, verlieren die Fakten«, fasst es der Umweltpsychologe und Politiker
»Stimmt nicht« brüllen reicht nicht
Kommunikation ist also viel komplexer, als es ein simples Modell von Sender – Botschaft – Empfänger nahelegt. Wir sind eben keine Computer, die Fakten nur rational wahrnehmen. »Werte, Emotionen und Bedürfnisse spielen in der Klimakommunikation eine zentrale Rolle«, sagt Myriam Bechtoldt. Sie sind ein Filter, wodurch wir Informationen
Unser jetziges gesellschaftliches Engagement ist nicht ausreichend, um das Pariser Abkommen in die Tat umzusetzen. Das liegt nach Meinung vieler Wissenschaftler:innen nicht daran, dass wir zu wenige Fakten kommunizieren. Wir reden ständig über Fakten, trotzdem passiert nur wenig. Um tatsächlich Veränderungen anzustoßen, müssen wir herausfinden, wie wir besser miteinander über dieses Thema ins Gespräch kommen können.
Wie gehen wir es also effektiver an?
Die eigene emotionale Betroffenheit reduzieren und neugierig sein
»Wie bei allen schwierigen Gesprächen besteht die erste Herausforderung darin, die eigene emotionale Betroffenheit zu reduzieren«, sagt Myriam Bechtoldt. »Erst wenn du dich von deinen Gefühlen distanzierst, steuern sie dich nicht mehr.« Der Journalist Sebastian Herrmann von der Süddeutschen Zeitung vergleicht dies mit Wetterverhältnissen im Geist: »Wenn Emotionen quasi von einer Art Windstille betroffen sind, […] dann ziehen [Menschen] auch eher Zahlen, Daten, Studien oder Statistiken zurate.« Wo aber ein Sturm braust, da wird unser Denken beeinflusst.
Verena Kantrowitsch erklärt, dass es helfe, Gefühle direkt anzusprechen. Wenn ich also beim nächsten Abendessen auf Gleichgültigkeit stoße, sobald ich »Klima« sage, könnte ich anmerken, wie unsicher mich das mache, und fragen, wie es meinen Familienmitgliedern damit gehe. Und wenn Ansprechen keine Option ist, dann »hilft es, sich Gleichgesinnte zu suchen, mit denen ich mich auch mal aufregen und schwierige Erfahrungen und Gefühle teilen kann«, so die Kommunikationstrainerin.
Effektiver werden Gespräche, wenn wir unseren Gesprächspartner:innen mit der inneren Haltung begegnen: Jeder Mensch hat Gründe dafür, so zu denken und zu handeln, wie er:sie es tut – und ich möchte versuchen, diese Gründe zu verstehen. Das erfordert, dass wir fragen, was unserem Gegenüber wichtig ist, und dass wir einander zuhören. Dies sei oft schwierig, aber führe zu besseren Gesprächen, sagt Kantrowitsch: »Dadurch lerne ich, welche Einwände, Ängste, Werte und auch gute Argumente mein Gegenüber hat. So kann ich mit meinen eigenen Gedanken und Fragen viel besser am Gegenüber andocken.« Wer weiß, wie das Gegenüber tickt, hat also die Chance, Informationen so zu verpacken, dass sie ankommen.
Den Blick auf Lösungen lenken
Darüber hinaus sei es wichtig, den Blick auf Lösungen zu lenken, erklärt Verena Kantrowitsch. Oft drehen sich Gespräche über die Klimakrise darum, was alles schiefgehe. Angesichts der Tatsachen überrascht das nicht. Nur über Probleme oder Problemverhalten zu sprechen, kann jedoch Widerstand und Hilflosigkeit erzeugen.
Das hat verschiedene Gründe: Unter anderem herrscht der Eindruck, das Problem sei zu groß, um etwas dagegen tun zu können. »Wer keinen Ausweg aus der Krise sieht, wer sich als hilfloses Objekt der globalen Veränderungen erlebt, der neigt oft dazu, zu bestreiten, dass es überhaupt ein Problem gibt«, schreibt Christopher Schrader im Handbuch Klimakommunikation. Mangels Wissens erscheine es vielen Menschen so, als werde von ihnen eine inakzeptable Umstellung ihres gesamten Lebens zugunsten des Klimas verlangt. Aktiver Widerstand oder Apathie könnten die Folge sein.
Deshalb ist es wichtig, das
Laut Verena Kantrowitsch kann unser Gegenüber »mit solch lösungsorientierten Fragen sich selbst als Teil der Lösung erleben und sogar politisiert werden«. Das gelingt dann, wenn wir individuelle Handlungen nicht überziehen und stattdessen den strukturellen Kontext hinterfragen: Warum ist es eigentlich so schwierig, sich in unserer Gesellschaft klimafreundlich zu verhalten? Was können wir tun, wenn wir mit unseren Handlungen an Grenzen stoßen, damit diese Grenzen verschwinden?
Denn letztendlich handelt es sich bei der Klimakrise um ein gesellschaftliches Problem, das
Grenzen setzen und dazulernen
Vielen von uns fällt es schwer, mit Menschen über die Klimakrise zu sprechen, mit denen wir nicht einer Meinung sind. Oft sind diese Gespräche anstrengend und gehen auch mal schief. Doch laut Verena Kantrowitsch ist Geduld gefragt.
Nach den wenigsten Gesprächen sind wir uns sofort einig. Im besten Fall haben wir Diskrepanzen, es geht ein paar Mal hin und her und zuletzt bleibt ein Gedanke hängen. Auch bei mir selbst ist das so.
Natürlich kehren wir Wertvorstellungen und Normen nicht an einem Abend um, entwickeln in einem Gespräch keine neuen politischen Lösungen. Doch alles, was im Gespräch auftaucht, arbeitet in uns weiter und ist womöglich ein Antrieb für Veränderungen.
Redaktionelle Bearbeitung: Maria Stich
Titelbild: Foto Alonso Reyes, Unsplash | bearbeitet von Claudia Wieczorek - CC0 1.0