Wenn Gleichbehandlung lebensgefährlich wird
Die Medizin ist auf Männer zugeschnitten. Dabei müssen Frauen beim Arzt anders behandelt werden. Wie sich der Unterschied zeigt und was sich ändern muss.
Schweißausbrüche, Bauchschmerzen und Übelkeit – bei diesen Symptomen denken viele Menschen zunächst an eine Lebensmittelvergiftung. Ein Fehler, denn bei Frauen können sie Anzeichen für einen Herzinfarkt sein. Dass nicht nur Betroffene, sondern auch Ärzt:innen weibliche Krankheitsbilder teilweise falsch deuten, kann Leben kosten – oder sie auf den Kopf stellen. Medizinische Fehler können arbeitsunfähig machen, ein Loch in die Finanzen reißen und ganze Familien zerstören.
Die Anwältin Michaela Bürgle kennt viele solcher Schicksale. Sie hat sich auf Arzthaftungsrecht spezialisiert, seit 20 Jahren vertritt sie Menschen vor Gericht, die nach einer ärztlichen Behandlung kränker waren als zuvor. 3–4-mal im Jahr sind Mandantinnen darunter, die aufgrund ihres Geschlechts falsch diagnostiziert wurden. »Auch Schlaganfälle werden bei Frauen häufig zu spät erkannt und stattdessen als Migräne gewertet«, weiß Bürgle.
Ihre Fälle sind schwierig. »Verschlechtert sich der gesundheitliche Zustand nach einer Behandlung, muss der oder die Patient:in beweisen, dass ein ärztlicher Fehler die kausale Ursache dafür war«, erklärt die Juristin. Lediglich bei groben Behandlungsfehlern, wie beispielsweise der Fehldiagnose eines Herzinfarkts, ist die Beweislast umgekehrt.
Die Fehldiagnosen haben eine gemeinsame Ursache
Das Leid von fehldiagnostizierten Patientinnen hat eine gemeinsame Ursache: die Gender-Data-Gap, auf Deutsch: Geschlechter-Datenlücke. Diese Lücke zwischen Theorie und Praxis entsteht, weil medizinische Studien seit den 60er-Jahren vor allem
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