Vergiss den ökologischen Fußabdruck. Dein Handabdruck ist viel wichtiger
Statt zu zeigen, wie schlecht deine Klimabilanz ist, macht dieser Ansatz Mut. Was genau dahinter steckt und wie du selbst aktiv wirst.
Wie würden dich deine Freund:innen oder deine Familie am ehesten beschreiben: Bist du ideenreich und bekannt für verrückte Einfälle? Oder durchleuchtest du gern komplexe Zusammenhänge mit einem Blick fürs Detail? Kommst du schnell auf den Punkt und packst Dinge am liebsten sofort an? Bist du gesellig und hältst Gruppen zusammen?
Was wie der Auszug aus einem
Der Fußabdruck stand in den vergangenen Jahren zunehmend in der Kritik. Denn zahlreiche Medien machten öffentlich, dass dessen Konzept Anfang der 2000er-Jahre offensiv vom Ölgiganten BP bekannt gemacht wurde – inklusive CO2-Rechner auf der konzerneigenen Website. Das Ziel hinter der Kampagne: von der Verantwortung des Unternehmens für die Klimakrise abzulenken und die Schuld allein den Verbraucher:innen zuzuschieben.
In diesem Artikel erzählt Chris Vielhaus, wie BP den CO2-Fußabdruck als PR-Instrument nutzte:
Und der Fußabdruck sowie zugehörige
Der Handabdruck-Test hingegen spuckt nach insgesamt 6 Fragen keine Zahl aus, die sich mit dem globalen und deutschen Durchschnitt oder mit einem eigenen früheren Ergebnis vergleichen lässt; stattdessen liefert er verschiedene Ideen, wie man für Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit aktiv werden kann. Darunter finden sich sowohl ganz unterschiedliche Themen (Wohnen, Ernährung, Verkehr, Wirtschaft) als auch verschiedene Handlungsebenen (Arbeitsplatz, Hochschule, Kommune, Bundesland). Wer sich beispielsweise
Auch wenn die Organisationen das Konzept in Deutschland bekannt gemacht haben, ist der Handabdruck keine Erfindung von Germanwatch oder Brot für die Welt. Es entstand bereits Anfang der 2000er-Jahre bei einem Nachhaltigkeitsprojekt des
Der Fußabdruck soll möglichst klein, der Handabdruck möglichst groß sein
Marie Heitfeld, Umweltpsychologin, arbeitet seit vielen Jahren mit dem Konzept des Handabdrucks. Bei Germanwatch ist sie im Bereich »Bildung für nachhaltige Entwicklung« tätig. Den ökologischen Fußabdruck findet sie nicht per se schlecht – auch wenn sie dessen Ursprung ebenfalls kritisch sieht.
»Der Fußabdruck kann ein guter Einstieg sein. Wenn sich jemand das erste Mal mit Nachhaltigkeit beschäftigt, fängt er oder sie in den meisten Fällen bei sich selbst an. Weil es leichter und greifbarer ist. Aber der Fußabdruck geht einfach nicht weit genug und hat seine Grenzen«, erklärt Heitfeld. Für sie sei der Handabdruck deshalb eine notwendige Weiterentwicklung und Ergänzung für den Fußabdruck.
Und das aus 3 Gründen:
- Positive Gestaltungsperspektive: Der Fußabdruck habe laut Heitfeld ein sehr negatives
Der Handabdruck zeigt hingegen mit einem motivierenden Framing, wie man Positives hinterlassen kann. Die Ideen, die im Test vorgeschlagen oder in Workshops von Germanwatch mit den Teilnehmer:innen erarbeitet werden, bezögen die Fähigkeiten der:des Einzelnen mit ein. Das stärke das Gefühl von Selbstwirksamkeit, erklärt die Umweltpsychologin. Worin bin ich gut? Wie kann ich das einsetzen? Wer zum Beispiel sehr kommunikativ ist, kann das Gespräch mit Politiker:innen suchen. Wer sich lieber in Studien und Daten vergräbt, kann Mitstreiter:innen mit dem nötigen Wissen für ein Projekt versorgen. - Vom individuellen Konsumverhalten hin zu strukturellen Veränderungen: Wer nicht die nötige Zeit, das Geld oder die Energie habe, sich mit einer klimafreundlichen Lebensweise auseinanderzusetzen, werde das auch nicht tun, sagt Marie Heitfeld. Daher gehe es darum, die Rahmenbedingungen so zu verändern, dass das nachhaltige Verhalten die einfachere und günstigere Option werde.
Gleichzeitig gehe es derzeit einfach nicht schnell genug, um angemessen auf die Klimakrise zu reagieren. Darauf zu warten, dass jeder selbst sein oder ihr individuelles Konsumverhalten ändere, dauere zu lange. - Große Lösungen für große Probleme: Je mehr Menschen die globalen Krisen in ihrer Art und in ihrem Ausmaß wahrnehmen und verstehen, desto mehr Menschen suchen nach größeren Handlungsoptionen. »Wenn ich in Workshops auf
Eine gelungene Handabdruck-Aktion ist also eine, die nicht (nur) den eigenen CO2-Fußabdruck schmälert, sondern den von möglichst vielen Menschen. Dieser vergrößerte Handlungsspielraum macht Mut, wirklich etwas beitragen zu können – und motiviert, aktiv zu werden. Besonders wirksam ist sie aber, wenn sich nicht nur zeitweise etwas ändert, sondern sich die Strukturen dauerhaft wandeln; also auch dann bestehen bleiben, wenn die Initiator:innen nicht mehr selbst dabei sind.
Eine private Kleidertauschparty unter Studierenden ist zum Beispiel schön und gut. Aber wenn sie fertig mit dem Studium sind, die Stadt verlassen oder sich nicht mehr engagieren, findet auch die Kleidertauschparty nicht mehr statt. Wenn allerdings in meinem Verein regelmäßig Trikots oder im Krankenhaus Arbeitskleidung gekauft werden, könnte ich in der nachhaltigen Beschaffungsrichtlinie faire Produktionskriterien für Kleidung verankern. Dann sieht man eine strukturelle Veränderung.
Eine
Doch wer sich in seinem Umfeld oder in anderen Bundesländern umsieht, wird schnell merken: Überall gibt es Gruppen, die ähnliche Ziele verfolgen wie man selbst, die bereits ein eigenes Handabdruck-Projekt gestartet haben und denen man sich anschließen oder bei denen man um Rat fragen kann.
Germanwatch, Netzwerk n und das Karlsruher Transformationszentrum starten demnächst die #climatechallenge. Dafür wollen sie 600 Multiplikator:innen schulen, die das Konzept des Handabdrucks wiederum in ihre Schulen, Hochschulen, Kommunen und Kirchengemeinden tragen können. Mehr Informationen zum Projekt und zur Anmeldung findest du auf dieser Website.
Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily