»Meine Damen, der Aufsichtsrat ist kein Kaffeekränzchen«
Dieser Satz hatte Folgen: mehr Engagement für Frauen in Aufsichtsräten. Die ganze Geschichte erzählt Elke Benning-Rohnke im Interview und diskutiert Ideen für die Zukunft der Gleichstellung.
7. Juni 2017
– 13 Minuten
»Menschen, die bewegen« – so heißt unsere neue Themenreihe. Im Mittelpunkt stehen dabei Menschen, die etwas bewegen und damit zum Nachahmen einladen. Den Auftakt macht Elke Benning-Rohnke, die sich seit mehr als einem Jahrzehnt sehr erfolgreich für Gleichstellung einsetzt. Als wir uns vor einigen Monaten auf einer Hochzeit in Tunesien kennenlernten und angeregt über das Thema Gleichstellung diskutierten, entstand die Idee für diesen Artikel.
1. Ich habe persönlich bisher nicht viel von fehlender Gleichstellung erlebt: Jura studieren mittlerweile in der Unternehmensberatung gab es keine und jetzt arbeite ich mit einer Ich habe manchmal den Eindruck, für meine Generation ist Gleichstellung kein so großes Thema mehr. Woran müssen wir noch arbeiten?
Elke Benning-Rohnke:
In deinem Selbstverständnis sind Männer und Frauen gleichberechtigt. Aber dieses Selbstverständnis teilt nicht die breite Gesellschaft. Das hat viele Gründe. Man muss zuerst sehen, dass wir politische Rahmenbedingungen haben, die Gleichstellung erschweren, wenn nicht sogar verhindern. In Deutschland gibt es staatliche Anreize, die dazu verleiten, dass einer der Ehepartner zu Hause bleibt, während der andere arbeitet. Dafür wird der andere mit Steuervorteilen belohnt – also meist der Mann aufgrund des oft höheren
Du meinst das von dem ein Ehepaar vor allem dann profitiert, wenn die Partner möglichst ungleich verdienen.
Elke Benning-Rohnke:
Genau. Ehegattensplitting ist für die Frau häufig kontraproduktiv. Familien entscheiden sich aufgrund dieser Regel oft zulasten der Frau, wenn das erste Kind kommt. Sie bleibt zu Hause oder vielleicht in Teilzeit und da setzt das Ehegattensplitting wegen der unterschiedlichen Bezahlung ein. Zur Last oder gar zur Falle wird das, Altersarmut in Deutschland ist ein Frauenthema. In skandinavischen Ländern ist das anders: Dort gibt es in der Politik eine Individualförderung. Es werden Anreize geschaffen, dass Männer und Frauen gleichermaßen berufstätig sein können und sollen.
»Frauen haben die Scheinwahl zwischen Respekt und Sympathie«
2. Und was ist mit den Männern? Ich kenne sogar in meiner Generation Diskussionen darüber, ob man sich die 2 Monate Elternzeit als Vater überhaupt nehmen sollte oder ob das als Mann das falsche Signal in Richtung Arbeitgeber ist. Gibt es also spiegelbildliche Rollenverständnisse?
Elke Benning-Rohnke:
Ja. hat deswegen schließlich finanzielle Sanktionen gesetzt, und seitdem nehmen nachweislich mehr Männer diesen Denn das Letzte, auf das ein deutscher Mann verzichtet, ist das Geld.
Das kann ich so pauschal nicht bestätigen!
Elke Benning-Rohnke:(lacht) Ja, natürlich, aber generell meine ich: Diese herrschenden Rollenbilder müssen wir hinterfragen und vielleicht irgendwann zu einem Verständnis gelangen, dass Väter und Mütter gleichberechtigt und gleichverantwortlich sind. Beide sind wichtige Bezugspersonen für Kinder. Es gibt keinen Grund, dass die Last für die Erziehung der Kinder und später für die Pflege der Eltern grundsätzlich immer bei der Frau liegen müsste. Solche Glaubenssätze auf den Prüfstand zu stellen, ist neben den politischen Rahmenbedingungen ein weiterer wichtiger Aspekt.
In den Unternehmen selbst muss jeder, der Veränderungen bewirken möchte, fragen: »Woran liegt es denn eigentlich, dass so wenige Frauen in Deutschland in Führungspositionen gelangen?« Wir haben im Moment 94% männliche Vorstände. Beförderungen funktionieren dann oft nach dem »Selbstähnlichkeitsprinzip«. Nach diesem Prinzip funktioniert auch die Beurteilung, ob jemand für eine Position geeignet ist. Bei der Frage nach der Selbstähnlichkeit scheiden Frauen aus männlicher Sicht natürlich aus.
… Schmidt sucht Schmidtchen …
Elke Benning-Rohnke:
Das ist das Stichwort. Außerdem haben wir gerade in Deutschland sehr vorgefertigte Rollenbilder davon: »Was ist ein guter Mann?« und »Was ist eine gute Frau?«. Studien zeigen, dass der ideale Mann Die spezifischen Rollenbilder der idealen Frau und der idealen Führungskraft liegen allerdings sehr weit auseinander. Das heißt, Frauen befinden sich in einem Kompetenz- und Beliebtheitsdilemma. Sie haben also die scheinbare Wahl zwischen Respekt und Sympathie.
Das heißt konkret, die einen erwarten von den Frauen, dass sie ihre feminine Seite schwächen und sich männlichen Verhaltensmustern anpassen. Von anderen wird das wiederum häufig als zu aggressiv und zu fordernd empfunden. Frauen werden dann schnell als zu schwierig oder zickig bezeichnet. Betont eine Frau allerdings ihre feminine Seite, läuft sie Gefahr, als zu durchsetzungsschwach für eine Spitzenposition wahrgenommen zu werden. Dass diese Beurteilungsprozesse oft unbewusst geschehen, macht es nicht einfacher.
Elke Benning-Rohnke ist Vizepräsidentin der Initiative (»Frauen in die Aufsichtsräte«), die sich seit 2006 für eine Geschlechterquote von jeweils mindestens 30% in Führungsgremien deutscher Unternehmen einsetzt. Nach ihrem Studium der Psychologie und Betriebswirtschaftslehre in Mannheim und Kiel begann sie ihre Karriere 1984 bei Bereits nach 12 Jahren Berufstätigkeit wurde sie in den Vorstand der berufen. Seit 2000 ist sie Unternehmerin und berät Konzerne, wie sie profitabel und organisch (also ohne externe Kapitalgeber) wachsen Frau Benning-Rohnke ist verheiratet und hat 2 erwachsene Söhne.
3. Seit über einem Jahrzehnt setzt du dich für Chancengerechtigkeit für Frauen in der Wirtschaft ein, seit 2008 im Rahmen der Initiative »Frauen in die Aufsichtsräte« (FidAR). Welche Fortschritte gibt es seitdem?
Elke Benning-Rohnke:
2006 wurde FidAR gegründet. Ein Jahr später erhielt unsere Initiative erheblichen Rückenwind infolge einer Bemerkung von Gerhard Cromme, der damals Vorsitzender der »Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex« Als Redner beim Deutschen Juristinnenbund sagte er 2007: »Meine Damen, der Aufsichtsrat ist kein Dieser Satz hatte einen Mobilisierungseffekt. Selbst für einige der anwesenden Frauen stand FidAR mit der Forderung nach gleichberechtigter Teilhabe zuvor noch sehr in der feministischen Ecke. Das Zitat machte vielen nun klar: »Das geht so nicht weiter, wir müssen etwas tun.« Herr Cromme hatte mit seiner geschlechterstereotypen Aussage unbeabsichtigt verdeutlicht, dass sich unsere Forderungen direkt aus dem Grundgesetz ableiten:
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.Artikel 3 Absatz 2 GG
Bereits 2001 hatte es unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder eine freiwillige Verpflichtung der Unternehmensverbände für Frauen in Führungspositionen gegeben – allerdings ohne nennenswerten Effekt. 2010 konnte unter anderem FidAR die Kommission des Deutschen Corporate Governance Kodex überzeugen, Geschlechtervielfalt als Teil der guten Unternehmensführung verpflichtend zu machen. Seit 2011 installierte FidAR den sogenannten »Women on Board Index« (WoB-Index), den das manager magazin regelmäßig veröffentlicht. Dabei werden in regelmäßigen Abständen zunächst die börsennotierten Unternehmen, inzwischen aber auch kommunale Unternehmen nach der Anzahl der Frauen in Vorstand und Aufsichtsrat befragt. Über diese Transparenz des WoB-Index, flankiert durch mediale Aufmerksamkeit, konnte FidAR gemeinsam mit 5 weiteren Frauenverbänden parteiübergreifend eine Koalition von Politikern und Politikerinnen aufbauen, die nachvollziehen konnten, dass eine Selbstverpflichtung der Unternehmen nicht ausreicht. Das wiederum bereitete den Weg für das das seit 2016 in Kraft ist. Es gilt derzeit mit verpflichtender Aufsichtsratsbesetzung von 30% für gut 100 börsennotierte und mitbestimmte
Die Spitze am Tannenbaum setzt ein Zeichen
4. Vom Gesetz zur gleichberechtigten Teilhabe profitieren unmittelbar nur wenige Hundert der erwerbsfähigen Frauen. Was haben die Millionen anderen Frauen von der Quote?
Elke Benning-Rohnke:
Thomas Sattelberger, der 2010 als Erster in der Wirtschaft bei der Telekom die Quote eingeführt hat und damals viel beschimpft wurde, hat einmal gesagt: »Die Spitze am Tannenbaum bringt natürlich nicht den Christbaum zum Leuchten. Aber sie setzt ein Zeichen.« Und deswegen haben auch wir bei FidAR unsere Forderung auf den Aufsichtsrat konzentriert, da ein Ansatz von oberen Hierarchieebenen nach unten wesentlich zur Veränderung beiträgt. Zudem ist die Gremienbesetzung gut beeinflussbar und soll ja auch eine Diversität der Gesellschaft abbilden. Außerdem sind Frauen in Aufsichtsratsgremien natürlich Leuchttürme für die gleichberechtigte Teilhabe. Seit wir den WoB-Index erheben, ist der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten immerhin von 10% auf 26% gestiegen, und auf der wichtigen von 3% auf 14,5%.
Sie hat sich also binnen 5 Jahren fast verfünffacht.
Elke Benning-Rohnke:
Genau. Hingegen hat sich die Anzahl der weiblichen Vorstandsmitglieder nur von 3% auf 6,5% erhöht – und ich darf dazu sagen: Als ich selbst im Vorstand war, lag sie bei 4,5%. Dort hat sich also immer noch sehr, sehr wenig getan. Wir stellen fest: Da, wo wir den Fokus hinlegen und mit dem Gesetz eine Verpflichtung besteht, dort werden Frauen sichtbarer. Und plötzlich kommen sie auch in die Positionen. Und deswegen halten wir die Quote für geeignet, um weitere Steine ins Rollen zu bringen, wie zum Beispiel unterschiedliche Vergütung für Ich glaube, man muss Gleichstellung als ein Thema begreifen, das verschiedene Anker hat – und Frauen in dem wichtigen Gremium Aufsichtsrat ist einer dieser Anker.
Unerwartete Schützenhilfe durch Investoren
5. Schweden macht ja vor, wie es auch anders geht. Dort sind 10-mal so viele Frauen in den Vorständen, außerdem sind die Unternehmen mit einem hohen Frauenanteil im Durchschnitt deutlich – Wenn es am Ende doch um den Profit geht: Wieso ist die Entwicklung in Deutschland im Vergleich so zögerlich?
Elke Benning-Rohnke:
Richtig ist:
Auch wenn wir aus der Korrelation nicht zwingend eine Kausalität ableiten können, scheint es zumindest nicht schädlich zu sein, Führungspositionen mit Frauen zu besetzen, sondern ganz im Gegenteil. Das haben neuerdings auch Investoren für sich entdeckt: Die haben ein ausgeprägtes Interesse daran, die besten Kandidaten in die Positionen zu bringen. In der Süddeutschen Zeitung war gerade ein Artikel zum Thema amerikanische und britische Investoren, die vehement für mehr Frauen in Chefetagen Es gibt einen britischen Vermögensverwalter, der verweigert sogar die Entlastung des wenn keine Frau im ist. Vielfalt im Management ist für Vermögensverwalter also ein Topthema.
Angela Merkel hat neulich gesagt: »Die Unternehmen haben sich die Quote selbst verdient.« Das finde ich einen sehr schönen Satz, denn eine gesetzliche Regelung greift ja immer erst dann, wenn die Eigeninitiative nicht erfolgt ist.
Wenn wir einmal 10 Jahre zurückdenken, ist das ja Schützenhilfe aus sehr unerwarteter Richtung!
Elke Benning-Rohnke:
Absolut! Großbritannien zum Beispiel hat keine Quote, aber eine Selbstverpflichtung, Frauen an Führungspositionen teilhaben zu lassen. Der öffentliche Druck auch über die Investoren ist dort so groß, dass sich in den 250 größten Unternehmen die Zahl der rein männlich besetzten Boards in den letzten Jahren von 23 auf 9 reduziert hat. In Deutschland ist es schon besonders schwierig.
6. Schauen wir uns einmal die Verlierer der Quote an. Zum Beispiel jene Männer in börsennotierten Unternehmen, die nun aufgrund der Quote trotz besserer Qualifikation eine vakante Aufsichtsratsposition nicht erhalten, weil das Unternehmen eine Frau »braucht«. Muss eine Handvoll Männer im Einzelfall diese Ungerechtigkeit ertragen, um eine strukturelle Ungerechtigkeit auszugleichen?
Elke Benning-Rohnke:
Nein, das sehe ich nicht so. Im Moment reden wir nicht von 50:50, sondern von 30:70 und das nur bei Neubesetzungen. Das heißt, es sitzen weiter überwiegend Männer im Board.
Durch das Gesetz sind Frauen sichtbarer geworden. Vorher wurde oft bestritten, dass es ausreichend qualifizierte Frauen gibt. Kaum war das Gesetz in Kraft getreten, hat jeder Aufsichtsratsvorsitzende diese Frauen gefunden, weil er danach gesucht hat. Außerdem ist eine Professionalisierung in der Besetzung der Gremien eingetreten. Wir haben in der Vergangenheit oft beklagt, dass die Besetzungsprozesse intransparent sind und auf dem Prinzip persönlicher Empfehlungen beruhen. In etwa seit Inkrafttreten des Gesetzes beobachten wir, dass Suchprozesse mehr an Kompetenzanforderungen ausgerichtet werden. Das halte ich für einen Fortschritt in der Professionalisierung der Gremienarbeit.
7. Mein letzter Job war in einer großen Strategieberatung, die offiziell viel Wert auf das Thema Gleichstellung legt. Doch bei 16-stündigen Arbeitstagen gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für manch eine Senior-Beraterin nur mit 4 Kindermädchen. Du sagtest ja bereits, dass das aufgrund der Rollenbilder eigentlich kein spezifisches Frauenthema ist. Trotzdem: Wie soll’s gerade in diesen klassischen Karrierebranchen gelingen – aber auch in schlechter bezahlten Branchen mit hohen Arbeitszeiten, zum Beispiel Pflege oder Gastronomie?
Elke Benning-Rohnke:
Ich bin dir erst einmal dankbar, dass du sagst, dass sei kein spezifisches Problem der Frauen. Es freut mich, dass du so denkst, das ist aber nicht die mehrheitliche Meinung der Gesellschaft. Da ist Erziehung vor allem ein Frauenthema. Der erste Punkt ist also zu sagen »Wir wollen als Gesellschaft Familien, und wir wollen auch Familie fördern.«
… und damit ist das kein Problem der Gleichstellung, …
Elke Benning-Rohnke:
… sondern ein familienpolitisches Thema. Es gibt ja durchaus Vorschläge, Eltern in einer bestimmten Phase nur 80% arbeiten zu lassen, Männer wie Frauen, um eine bessere Vereinbarkeit hinzubekommen. Wenn wir noch einmal nach Skandinavien schauen, sehen wir, dass Länder wie Schweden genauso produktiv sind wie wir. Und die scheinen das mit ihrer Familie auch gut hinzukriegen, weil dort nämlich Männer wie Frauen arbeiten – und alle arbeiten dafür etwas
Während wir in Deutschland das Thema haben, dass einige extrem viel arbeiten – die Männer, aber in diesen Männerjobs eben auch die Frauen – und andere gar nicht arbeiten. Das heißt, wir könnten über eine andere Verteilung der Arbeit eigentlich uns alle auch etwas weniger Arbeitszeit erwirtschaften.
Der zweite Punkt: Familienschonendere Arbeitszeiten sind möglich, wenn man nur will. Ich habe mal bei einem Unternehmen gearbeitet, da war freitagnachmittags um 3 Uhr Schluss. Das hat die ganze Woche komplett entspannt, weil man Besorgungen und Organisatorisches am Freitagnachmittag erledigen konnte, und das Wochenende war reine Familienzeit.
Wir reden außerdem häufig vom Thema »Vereinbarkeit von Familie und Beruf« als dem Karrierehemmer für Frauen. In Befragungen von Frauen ist das interessanterweise nicht das größte Problem. Die meisten bekommen das eigentlich gut geregelt. Das größere Problem sind die Vorurteile gegenüber Frauen, die es ihnen erschweren voranzukommen. Unternehmen beklagen häufig, dass sie keine Frauen finden, um Führungspositionen zu besetzen. Für Frauen gibt es 2 sehr häufige Anlässe, ein Unternehmen zu verlassen. Der erste ist der »Drop out« mit dem ersten Kind, der nächste ist ein »Opt out« in den 40ern, wenn Frauen schon sehr viel erreicht haben, aber des Kampfes überdrüssig sind. Die gehen dann häufig in die Selbstständigkeit, weil sie sagen: »Es hat keinen Zweck. Ich verliere zu viel Energie an den falschen Dingen.«
Es geht nicht ohne Männer
8. Was war für dich der Grund oder der Anlass, dich trotz aller Widerstände so intensiv für das Thema Gleichstellung einzusetzen?
Elke Benning-Rohnke:
Das Thema der Gleichstellung von Männern und Frauen ist in mir sehr tief verankert. Ich bin die Älteste in einer Familie von 4 Kindern mit 3 Brüdern. Schon früh habe ich wahrgenommen, dass meine Brüder andere Dinge durften als ich. Dinge, die für mich sehr attraktiv waren. Ich empfand das immer schon als ungerecht und habe mich als Kind bereits für Gleichbehandlung eingesetzt.
Während meiner Berufszeit habe ich dann gesehen, dass viele Frauen nicht befördert werden aufgrund des Prinzips der Selbstähnlichkeit, aber viele Frauen auch so stark in ihren Rollenbildern gefangen sind, dass sie sich manchmal etwas ungeschickt verhalten. Das sind Dinge, die mich schon früh bewogen haben, mich mit anderen Frauen zu vernetzen, damit wir ein Bewusstsein dafür schaffen, dass wir gemeinsam diese gleichberechtigte Teilhabe als Selbstverständnis beachten und nicht als etwas, das wir erbitten müssen.
9. Daran anknüpfend: Heute wirbt FidAR mit dem Slogan
Elke Benning-Rohnke:
Richtig. Ich habe ja schon gesagt, dass ich hoffe, dass wir die gesellschaftliche Entwicklung zu einer gleichberechtigten Teilhabe zum Wohle der Gesellschaft, der Wirtschaft und auch des allgemeinen Glücks gestalten. Es ist ja erwiesen, dass Menschen in gleichberechtigten Gesellschaften glücklicher sind und auch mehr Kinder bekommen als in nicht
Wir finden mehr und mehr aufgeschlossene Männer, die sich dazu bekennen, dass sie eine moderne, gleichberechtigte Gesellschaft wollen. Bei FidAR möchten wir den Anteil der männlichen Mitglieder und Unterstützer aufbauen, damit wir gemeinsam gestalten können.
Wir wollen keine Konfrontation der Geschlechter, sondern ein Miteinander zum Wohle der gesellschaftlichen und der wirtschaftlichen Entwicklung. Das heißt: Ohne geht nicht. Nicht ohne die Männer. Nicht ohne die Frauen. Wir sind übrigens auch absolute Verfechter von Der Männeranteil bei FidAR ist derzeit zu niedrig.
Was können denn speziell die männlichen Leser dieses Textes tun?
Elke Benning-Rohnke:
Bei FidAR Mitglied werden. Wir sind überparteilich, überregional, unabhängig. Dort können wir gemeinsam den gesellschaftlichen Fortschritt gestalten. Aber ein Mann kann noch mehr tun. Angefangen im Privaten, indem er zu einer gleichberechtigten Partnerschaft beiträgt. Im beruflichen Umfeld wünsche ich mir von allen Männern in Führungspositionen, die Prozesse in ihren Unternehmen zu durchleuchten und zu fragen: Inwieweit werden wirklich die besten Talente in die Positionen gebracht?
Wir kennen das Phänomen aus Orchestern, die über viele Jahre nur männlich besetzt waren, weil die Juroren auch Männer waren und nach deren Urteil immer wieder die Männer besser spielten. Die Orchesterchefs haben irgendwann hinter einem schwarzen Vorhang spielen lassen, um den auszuschließen. Außerdem wurden Schuhe verboten, damit man die Stöckelschuhe nicht mehr hören kann. Ich finde, das ist ein sehr plakatives Beispiel, sich auch mal im eigenen Unternehmen die Prozesse anzuschauen und zu fragen: »Wie läuft es denn bei uns? Wer beurteilt denn hier eigentlich?« Wenn Männer Frauen beurteilen, weiß man, dass häufig widersprüchliche Beurteilungen entstehen.
10. Wenn du eine Sache ändern könntest: Was wäre das?
Elke Benning-Rohnke:
Ich würde das Ehegattensplitting abschaffen und hierzulande eine Fiskalpolitik wie in den skandinavischen Ländern einrichten – also steuerliche Regelungen schaffen, die das Individuum fördern, nicht den Besserverdiener in einer Ehe.
Frederik interessiert sich für etwas, was zunächst sperrig klingt: Systeme. Welchen Einfluss haben scheinbar unsichtbare Strukturen auf unseren Lebensalltag? Als Anwalt, Unternehmensberater, Gründer und Diplomat hat Frederik unterschiedlichste Perspektiven kennengelernt und ist überzeugt: Vom kleinen Start-up bis hin zum großen Völkerrecht sollten wir weniger an das Gewissen des Einzelnen appellieren und stattdessen mehr an systematischen Veränderungen arbeiten.
Frederik war bis Juli 2017 Teil der Perspective-Daily-Redaktion.