Feldarbeit ist was für arme Leute? Dummes Vorurteil, wie diese Urban-Farming-Projekte zeigen
Kleine Bio-Farmen verbreiten sich in Städten immer mehr, so auch in Afrika und Asien. Können sie das Klima schützen, Armut im Globalen Süden bekämpfen und Stereotype gegen Landwirt:innen beseitigen?
Im südafrikanischen Kapstadt und in dessen Umgebung versuchen mehr als 3.000 Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, sich und ihre Familien zu ernähren. Die Entwicklungsorganisation
Bei der nachhaltigen urbanen Landwirtschaft werden Lebensmittel in städtischen Gebieten angebaut, wo die Flächen meist begrenzt sind. Es wird versucht, klimafreundliche Landwirtschaft zu betreiben, Abfall zu vermeiden und dabei faire Arbeitsbedingungen zu schaffen. Abalimi Bezekhaya bietet Schulungen dazu an und begleitet die Entstehung von städtischen Gemeinschaftsgärten.
In den letzten Jahrzehnten wurde diese Methode zu einer weltweiten Bewegung. Die Organisation Abalimi Bezekhaya hat jedoch schon 1982 damit begonnen, als in Südafrika noch ein
Abalimi Bezekhaya arbeitet besonders mit arbeitslosen Frauen.
Christine Kaba, eine ehemalige Hausangestellte in Kapstadt, wandte sich der Mikrolandwirtschaft zu, nachdem sie ihren Job verloren hatte. Zuerst startete sie mit einem kleinen Garten hinter ihrem Haus. Doch als sie sich der Organisation Abalimi Bezekhaya anschloss und in deren Gemeinschaftsgärten mitarbeiten konnte, wuchs ihr Projekt.
Viele der systemischen Ungleichheiten aus der Zeit der Apartheid bestehen weiterhin, auch an anderen Orten der Welt. Menschen im Globalen Süden beginnen, sich gegen die Nachwirkungen des Kolonialismus und die daraus resultierenden Abhängigkeiten zu wehren. Und so entstehen überall ähnliche Initiativen für eine gerechtere Nahrungskette.
»Es gibt keinen Mangel an Lebensmitteln«
Die industrielle Landwirtschaft hat im Laufe des letzten Jahrhunderts kleinere Farmen überrollt. Das führte zu einer Abhängigkeit von großen Multikonzernen im Globalen Norden, sowohl in Bezug auf
Der Mitbegründer von Abalimi Bezekhaya, Rob Small, der bis 2016 auch CEO war, weist jedoch darauf hin, dass der Mangel an Lebensmitteln nicht das Problem sei:
Es gibt keinen Mangel an Lebensmitteln. Aber das globale Ernährungs- und Wirtschaftssystem ist so ausgerichtet, dass ärmere Menschen sich kein Essen mehr zu dem Preis leisten können.
Die Organisation wolle hingegen den Menschen auf dem Land die Kontrolle über die Lebensmittel zurückgeben.
Dies mache zudem den ökologischen Anbau günstiger, erklärt Small: »Lässt man die Lohnkosten außer Acht, ist die biologische Landwirtschaft deutlich günstiger. Das Problem mit den Lohnkosten wird dadurch gelöst, dass die Familien oder Bauern das Land bewirtschaften, die auch auf dem Land leben.«
Mittlerweile hat der Trend der urbanen Landwirtschaft viele Länder des Globalen Südens erreicht. Aber er steht noch ganz am Anfang und viele Hindernisse müssen erst bewältigt werden. Zwar ist jede Gemeinschaft einzigartig, jedoch haben sie mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Zum Beispiel leben immer mehr Menschen in Städten (55% der Weltbevölkerung).
Schluss mit Stereotypen
Wirtschaftliche Ungleichheit herrscht auch in Pakistan, wo die Hälfte aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft tätig ist. Das Land blickt auf Jahre schwacher Ernte zurück. Im Jahr 2020 importierte Pakistan eine Rekordmenge von 3,6 Millionen Tonnen Weizen. Wasserknappheit und mangelnde Innovationen werden die Produktion in den kommenden Jahren weiter verringern.
Die Landwirtschaft und damit verbundene wirtschaftliche Strapazen werden seit Jahrzehnten als rein ländliches Problem angesehen. Die Arbeit auf den Feldern wird als ein Zwang wahrgenommen, der diejenigen betrifft, die wirtschaftlich zu schwach sind, um sich ein Leben in der Stadt aufzubauen.
Ähnliche Vorurteile herrschen in anderen Ländern. So erzählt der in Ruanda ansässige Landwirtschaftsexperte Elie Mugisha, der mit der
Pakistan grüner machen
Als Asad Mamdot
Das Projekt, das Mamdot als »Leidenschaftsprojekt« beschreibt, begann im Jahr 2019, musste 2020 während der Pandemie aber auf Eis gelegt werden. Besonders breit wurde das Projekt noch nicht wahrgenommen, was zeigt, wie wenig Aufmerksamkeit dieser Branche geschenkt wird. Jetzt arbeitet das kleine Team aus 3 Mitarbeitenden daran, die Resilienz der Indoor-Gärten zu überprüfen und unterzieht sie dabei einem Stresstest.
Mini Hectares baut Pflanzen an, die normalerweise nach Pakistan importiert werden oder nur in einigen nördlichen Gebieten des Landes angebaut werden. Sie einer breiteren Masse zur Verfügung zu stellen, sei jedoch nicht so einfach, wie Mamdot erklärt: »Wir sind ein kleines Unternehmen, ich glaube nicht, dass wir in der Lage wären, die Lebensmittelindustrie nennenswert zu verändern. Aber es gibt einen großen Spielraum für die Zukunft.« Im Kleinen hätten sie bereits einige Erfolge erzielt, fügt er hinzu.
Wir betreiben eine nachhaltige und äußerst effiziente Landwirtschaft, verbrauchen 95% weniger Wasser als die traditionelle Landwirtschaft und sind netto kohlenstoffnegativ, weil wir erneuerbare Energien nutzen.
Mini Hectares beliefert im Moment Restaurants mit seinen Erzeugnissen. Bis es sein Ziel erreicht, in jeder größeren Stadt des Landes präsent zu sein, hat das Projekt noch einen langen Weg vor sich.
Nachhaltigkeit – auch für die Massen?
Die Produktion zu steigern und gleichzeitig einen nachhaltigen Ansatz beizubehalten, ist nicht leicht. Das weiß Dery Pratama, Besitzer der
Elie Mugisha von Verve Ag-Innovate in Ruanda steht vor ähnlichen Herausforderungen. Er hofft, dass mit seinem Ansatz bald mehr Saatgut lokal produziert wird. Er wünscht sich, dass die Sensibilisierungsinitiativen, die Verve durchführt, mehr Menschen klarmachen, wie wichtig Landwirtschaft ist. Solche Bemühungen sind aber immer noch Einzelfälle.
In Pakistan versuchen Expert:innen wie Toufiq Pasha seit Langem, den ökologischen Landbau zu verbreiten. Zwar schießen immer mehr junge Gemeinschaftsprojekte aus dem Boden. Jedoch handelt es sich um einzelne Projekte, die aus Leidenschaft entstehen, nicht um eine systematische Veränderung.
Warten auf den strukturellen Wandel
Pratama von Rad Farm in Indonesien erklärt, dass es bei klimafreundlicher Landwirtschaft auch um die Menschen gehe. Er achte deshalb darauf, mit anderen lokalen Initiativen zusammenzuarbeiten. Trotz der Unterschiede bemühten sich alle Landwirt:innen, ihren Gemeinden eine unabhängige Lebensmittelbeschaffung zu ermöglichen. Gemeinsam könne dieses Ziel eher erreicht werden.
Mugisha will ebenfalls nicht ausschließlich ruandische Bäuerinnen und Bauern stärken, sondern seine nachhaltigen Methoden in die Nachbarländer tragen. Zum Beispiel will er ihnen zeigen, wie man gängige Nutzpflanzen wie Mais optimieren und resistenter machen kann.
Auch die Bemühungen der südafrikanischen Nichtregierungsorganisation Abalimi Bezekhaya zeigen, dass eine Arbeit im Dienste der Gemeinschaft Früchte tragen kann. Mitbegründer Small bestätigt, dass er in den letzten 30–50 Jahren bedeutende Veränderungen bemerkt habe, und fügt hinzu: »Wir sind die erste Agentur in diesem Land, die bewiesen hat, dass der Markt für Bio-Produkte, die in Kleinstbetrieben angebaut werden, in den wirtschaftlich benachteiligten Gebieten riesig ist.«
Gleichzeitig erinnert das Projekt daran, dass es keine echte Veränderung geben kann, solange die Regierung nicht einen systemischen Wandel einleitet und beginnt, solchen Initiativen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Mugisha aus Ruanda sagt: »Wenn wir einen starken Agrarsektor wollen, müssen wir ihn anders wahrnehmen. Wir können nicht Landwirtschaft betreiben, nur um unsere eigene Familie zu ernähren. Wir müssen kommerzielle Landwirtschaft betreiben, in großem Maßstab, mit neuen Technologien. Die Bürger müssen das Gefühl haben, dass sie das Gleiche erreichen können, was sie von den Ländern des Globalen Nordens erwarten. Und dieser Ansatz muss Teil des Schulprogramms werden.«
Übersetzung aus dem Englischen von Julia Tappeiner
Der Artikel erschien in seiner Originalfassung beim Magazin Unbias the News, mit dem wir gemeinsam das Chain-Reactions-Projekt durchführen.

This project was funded by the European Journalism Centre, through the Solutions Journalism Accelerator. This fund is supported by the Bill & Melinda Gates Foundation.
Dieses Projekt wurde vom European Journalism Center im Rahmen des Solutions Journalism Accelerator gefördert. Die Förderung wird von der Bill & Melinda Gates Foundation unterstützt.
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Titelbild: Maryna Natkhir - copyright