Ohne BH und im Minirock: Diese 60-Jährige zeigt, wie Älterwerden geht
Menopause, Wechseljahre, dann Enkel hüten als einziger Lebenszweck. So wird oft über Frauen jenseits der 50 gesprochen. Aber das muss nicht sein!
Vorwort
von Bettina BalàkaIm Wiener Technischen Museum befindet sich in der Luftfahrt-Sammlung eine Informationstafel, die bei jüngeren Menschen Staunen erregt. Neben den Schaukästen mit den verschiedenen Stewardessenuniformen der Austrian Airlines hängt sie und teilt mit: Bis zum Ende der 70er-Jahre durften Stewardessen nicht älter als 27 Jahre sein – dann mussten sie den Beruf wechseln.
Dies lag nun keineswegs daran, dass es sich bei der Flugbegleiterinnentätigkeit um einen Hochleistungssport handelt, sondern in der zarten Rücksichtnahme auf das Auge des männlichen Fluggastes: Er sollte nicht durch Falten, graue Haare und ähnliche Schrecknisse bei den Frauen, die ihm das damals noch üppige Menü servierten, um den Appetit gebracht werden.
Das Buch: »Wechselhafte Jahre – Schriftstellerinnen über das Älterwerden«

15 deutschsprachige Autorinnen erzählen in persönlichen, kritischen und humorvollen Essays von der zweiten Lebenshälfte – vom Älterwerden, den Wechseljahren und von Neuanfängen. Oftmals wird das Leben jenseits von 50 Jahren für Frauen als unerfreulich abgetan. Dabei eröffnet gerade diese Zeit eine neue, spannende Seite des Lebens. Dieses Buch zeugt davon. Erschienen 2023 bei leykam: Dieser Text ist ein Auszug daraus.
Bildquelle: Leykam BuchverlagIch kann mich noch gut daran erinnern, wie die Stewardessen taxiert wurden: Ist die nicht schon viel zu alt für den Job? Na, die schaut aber nicht aus, als ob sie noch allzu lange fliegen dürfte! Usw. Und dann, in den 80er- und 90er-Jahren (den
Altsein ist relativ. Eltern bemerken es, wenn sie ihr Kind danach fragen, wie alt denn der neue Lehrer sei, und es sagt: »Uralt. So um die 30.« Und hat man nicht selbst mit 16 schon die 18-Jährigen für unglaublich reif und erwachsen gehalten?
»Traue keinem über 30«, hieß es in den 60er-Jahren – die, die das sagten, haben die 30er mittlerweile längst hinter sich gelassen. Denn das ist das Interessante am Älterwerden: Jeder weiß, dass er betroffen sein wird, doch gefühlsmäßig glaubt keiner daran.
Frauen über 50 verschwinden aus dem öffentlichen Diskurs – holen wir sie zurück!
Altsein ist abhängig vom Geschlecht und von der historischen Epoche: Während im 19. Jahrhundert eine 26-jährige Frau am Heiratsmarkt nur mehr schwer zu vermitteln war, war ein gleichaltriger Mann noch eher zu jung zum Heiraten.
Im zeitgenössischen öffentlichen Diskurs spielt sich das Leben von Frauen primär in der ersten Lebenshälfte ab. Die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Berufstätigkeit, der Zugang zu Verhütungsmitteln, die Besteuerung von Binden und Tampons, Abtreibungsregelungen, die Finanzierung von Kinderbetreuungseinrichtungen – die Themen der Frauenpolitik beziehen sich meist (und natürlich auch zu Recht) auf die reproduktive Phase des Frauenlebens. Doch angesichts der heutigen Lebenserwartung folgen im Anschluss noch einige weitere Jahrzehnte, die deutlich weniger im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen.
Bis zum Ende der 70er-Jahre durften Stewardessen nicht älter als 27 Jahre sein
Klimakterium, Menopause, Wechseljahre – allein die Begriffe sind so unsexy, dass man sich gar nicht damit beschäftigen mag. Und danach kommt allenfalls noch eine Existenz als Großmutter oder Pflegerin noch älterer oder morbiderer Anverwandter.
Doch sieht das Leben von Frauen jenseits der 50 tatsächlich so aus? Wie ist es, wenn man keine Kinder hat? Wenn die Kinder aus dem Haus sind? Gleichaltrige Männer gerade ihre Zweit- oder Drittfamilien gründen? Ist die Menopause ein Horror oder eine Befreiung? Was hätte man selbst gerne von älteren Frauen erfahren, als man noch jünger war? Was kann man über die Jahrzehnte feministischen Bemühens erzählen, die man überblickt?
In diesem Buch geht es um Frauen, die eine Vielzahl von Verwandlungen durchgemacht, sich ver- und entpuppt haben. Ob erzählend oder essayistisch – die hier versammelten Texte beschreiben ebenso realistisch wie humorvoll das Gute und das Nicht-so-Gute, das Erwartete und das Unerwartete, den Traum und die Wirklichkeit.
Vieles, was gesellschaftlich geändert werden konnte, hat sich gebessert, was jenseits der Machbarkeit liegt, ist dagegen eine Frage des Glücks. Adaptionsstrategien werden entwickelt und in erstaunlicher Vielfalt präsentiert.
Ich danke all den großartigen Schriftstellerinnen, die sich mit Sprachgewalt, Fantasie, Witz und unverbrüchlicher Lebenslust diesem Thema annäherten und ihre Reflexionen den Leserinnen und Lesern aller Generationen zum Geschenk machen.

Mit Illustrationen von Claudia Wieczorek für Perspective Daily