Warum auch du schöne Menschen besser behandelst
Im Beruf, vor Gericht und in der Politik: Attraktive Menschen haben in nahezu allen Lebensbereichen einen systematischen Vorteil. Woran liegt das? Und was finden wir überhaupt »schön«?
Ich höre den Zug schon am Gleis einfahren, während ich hastig immer eine Stufe überspringe. Oben angekommen laufe ich zum ersten Waggon, steige schnaufend ein und lasse mich auf einen freien Sitzplatz fallen. Puh, gerade so geschafft. Während ich den Bahnhof an mir vorbeirauschen sehe, komme ich langsam zur Ruhe. Ich denke an den schönen Tag, den ich gemeinsam mit einer Freundin in der Stadt verbracht habe. Dann reißt mich ein Ruf aus meinen Gedanken: »Die Fahrscheine, bitte.« Shit, in der Eile habe ich vergessen, mir ein Ticket für den Rückweg zu buchen … Was jetzt?! Erwartungsvoll schaut mich der Kontrolleur an und ich weiß genau, was ich jetzt tun muss.
Ich lege einen erschrockenen und gleichzeitig beschämten Gesichtsausdruck auf und schaue den Bahnmitarbeiter mit großen Augen an. Freundlich erkläre ich ihm, dass ich vergessen habe, mir einen Fahrschein zu kaufen, dass ich den Zug fast verpasst habe und dass es mir total leidtut. Dazu schenke ich ihm ein entschuldigendes Lächeln. Es scheint zu wirken. Der Kontrolleur reagiert verständnisvoll: Ich darf mir nachträglich einen Fahrschein buchen.
Ich bin erleichtert, keine Strafe zahlen zu müssen. Trotzdem spüre ich ein beklemmendes Gefühl, denn ich weiß, dass die Großzügigkeit des Bahnmitarbeiters ein Privileg ist, das sich aus verschiedenen Vorteilen, die ich habe, zusammensetzt. Eins davon ist das sogenannte »Pretty Privilege« –
Titelbild: Tamara Bellis - CC0 1.0